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Interview mit Thomas R. Schreiner
9. September 2015

Thomas R. Schreiner ist Professor für neutestamentliche Exegese am Southern Baptist Seminary in Louisville (Kentucky). Als Neutestamentler hat er sich in einer Vielzahl von Artikeln zum paulinischen Rechtfertigungsverständnis geäußert. In diesem Jahr ist außerdem sein Buch Faith Alone. The Doctrine of Justification: What the Reformers Taught...and Why It Still Matters (Zondervan, 2015) erschienen, in dem er sich mit der Lehre der Rechtfertigung durch Glauben allein beschäftigt. In dem folgenden Interview beantwortet Schreiner Fragen zu einem biblischen Verständnis von Rechtfertigung und geht auch auf die Bedeutung dieser Wahrheit für das christliche Leben ein.


Was versteht man unter der Aussage „Rechtfertigung durch Glauben allein“? Welche Bibelstellen würden Sie anbringen, um diese Lehre zu verstehen?

„Rechtfertigung aus Glauben allein“ bedeutet, dass wir gerecht vor Gott stehen aufgrund des Glaubens und nicht der Werke. Die klassisch protestantische Formulierung spricht davon, dass wir in der Rechtfertigung nicht gerecht gemacht, sondern für gerecht erklärt werden. Wenn wir von der Gerechtigkeit durch Glauben reden, heißt das nicht, dass der Glaube unsere Gerechtigkeit ist. Vielmehr werden wir durch den Glauben mit Christus vereint, der unsere Gerechtigkeit ist. Unsere Gerechtigkeit liegt demnach nicht in uns, sondern in dem gekreuzigten und auferstandenen Christus. Die Gerechtigkeit Christi wird uns durch Glauben angerechnet, sodass die Vergebung unserer Sünden und unsere Gerechtigkeit Gaben Gottes sind.

Die klassischen Texte, die diese Lehre unterstreichen, sind Röm 3, 21 – 4, 25 und Gal 2, 16 – 3,14. Außerdem können wir eine großartige Illustration sehen, wenn Jesus der sündigen Frau vergibt (Lk 7, 36 – 50) und das Gleichnis vom Pharisäer und dem Zöllner erzählt (Lk 18, 9 – 14).

Die Lehre der Rechtfertigung wurde oft missverstanden. Wir sollten nicht denken, dass gute Werke unwichtig und unnötig sind, denn auch gute Werke gehören zur Rechtfertigung. Aber sie sind eine notwendige Folge bzw. Beweise für die Rechtfertigung (Jak 2, 14 – 26). Sie sind nicht die Grundlage unserer Rechtfertigung. Weil Gott Vollkommenheit verlangt, kann allein die Gerechtigkeit Christi die Grundlage für unsere Gerechtigkeit sein.

Welche Bedeutung hat die Lehre der Rechtfertigung durch Glauben allein für Ihr persönliches Leben und Ihren Dienst?

Es ist die beste Nachreicht der Welt, denn wenn wir durch Glauben allein gerechtfertigt werden, gibt es Hoffnung für jeden Sünder – unabhängig davon, wie weit wir uns von Gott entfernt haben. In meinem Dienst versuche ich, regelmäßig die gute Nachricht weiterzugeben, dass unsere Gerechtigkeit nicht in uns selbst, sondern in Jesus Christus liegt. Wenn Stolz die Wurzel aller Sünde ist, wie C.S. Lewis meinte, dann erinnert uns die Rechtfertigung durch Glauben daran, dass es keinen Grund für Selbstanbetung gibt. Alleine Christus gebührt Lob und Ehre für unsere gerechte Stellung vor Gott. Ich bin jeden Tag versucht, auf mich selbst zu vertrauen, aber diese Lehre erinnert mich daran, mich allein in dem gekreuzigten Christus zu rühmen.

Welche Bedeutung hat diese Lehre für Christen, die an der Sicherheit ihres Heils zweifeln?

Als Gresham Machen, der große presbyterianische Neutestamentler und Gründer des Westminster Seminars, im Sterben lag, erinnerte er sich an die Rechtfertigung durch Glauben allein. Wenn wir an den Tod denken, denken wir auch oft an unsere Sünde und fürchten das Gericht und den Zorn Gottes. Aber Machen sagte auf seinem Sterbebett: „Ich bin so dankbar für den aktiven Gehorsam Christi, ohne den es keine Hoffnung gäbe.“ Mit anderen Worten: Machen ruhte in der Gerechtigkeit Christi und nicht auf seinen eigenen Werken, als er kurz davor stand, Gott gegenüberzutreten.

Das ist auch die heilende Salbe für unser angeschlagenes Gewissen. Wir vertrauen nicht auf das, was wir getan haben, sondern auf das, was Gott selbst in Christus für uns getan hat. Wenn uns das Gericht Gottes schreckt, erinnern wir uns an die Worte aus Röm 8, 33 – 34. Gott wird uns nicht anklagen, denn er hat in Christus gerechtfertigt. Er wird uns nicht verdammen, denn Christus ist für unsere Sünde gestorben, auferstanden und regiert nun als der Sieger, der für uns eintritt.

Meinen Sie, dass sogar ungläubige Menschen versuchen, durch eigene Werke gerecht zu werden? Wenn dem so ist; inwiefern beeinflusst die Lehre der Rechtfertigung die Art und Weise, wie Sie das Evangelium gegenüber einem Atheisten deutlich machen?

Jeder Mensch versucht in irgendeiner Weise, seinem Leben durch das, was er leistet, Wert zu verschaffen. Dahinter steht der Drang und das Verlangen nach Selbstverherrlichung. Das gilt sowohl für den Atheisten als auch für den Architekten. Alles, was unser Leben ausmacht, wird an unseren Werken gemessen. Das ist an sich erst mal nicht falsch. Jedoch findet keiner von uns echte Befriedigung und Freude in dem, was wir schaffen. Es bleibt immer eine Leere und das Gefühl der Unvollkommenheit.

Wir können also zu einem Atheisten sagen: „Dein Gefühl der Sinnlosigkeit des Lebens hängt zum Teil mit deinem Verlangen zusammen, dich selbst groß zu machen. Du wirst niemals Sinn und Freude auf diesem Weg finden, weil es nur Einen gibt, der wirklich groß ist. Es gibt nur Einen, der es verdient, angebetet zu werden. Du wirst nur dann Ruhe finden, wenn du in Ihm und in der Gerechtigkeit ruhst, die Er denen gibt, die Ihm vertrauen.“

Martin Luther schrieb: „Der Glaubensartikel der Rechtfertigung muss ununterbrochen in unseren Ohren erklingen, weil die Gebrechlichkeit unseres Fleisches uns daran hindern wird, ganz darauf zu vertrauen und es mit unserem ganzen Herzen zu glauben.“ Was kann uns dabei helfen, diese Wahrheit von unseren Köpfen in unsere Herzen sinken zu lassen?

Es war auch Luther, der sagte, dass wir erkennen müssen, dass wir niemals Lehrer, sondern immer Schüler dieser Wahrheit sind. Es handelt sich hierbei nicht um eine Formel, die wir einfach auswendig lernen müssen. Wir verstehen die Rechtfertigung durch Glauben allein im Schmelzofen des Lebens. Wir vergessen diese Wahrheit sehr schnell. Wir sind nicht dadurch gerechtfertigt, dass wir diese Wahrheit perfekt verstehen und ausleben. Wir vergessen ständig! Wir versagen immer wieder und dann realisieren wir aufs Neue, wenn der Hl. Geist an unseren Herzen arbeitet, dass wir nichts zu bringen haben, sondern allein auf das Kreuz vertrauen können.

Das tägliche Nachdenken über das Evangelium und die Hl. Schrift wird uns helfen. Es würde uns auch helfen, einmal Luthers Auslegung des Galaterbriefs zu lesen. Das regelmäßige Hören auf die Verkündigung des Wortes Gottes ist eine große Stütze. Wir müssen täglich an diese Wahrheiten erinnert werden. Sollten wir jemals davon ausgehen, in dieser Sache ausgelernt zu haben, befinden wir uns in großer Gefahr. Gott führt uns deshalb manchmal in Anfechtungen, sodass wir mit Luther erkennen, dass wir nichts al Bettler sind.

Die Lehre der Rechtfertigung durch Glauben allein wird momentan kontrovers diskutiert, was vor allem mit dem Aufkommen der sog. „Neuen Paulusperspektive“ zu tun hat. Können Sie uns einige Bücher empfehlen, die sich mit dieser Diskussion auseinandersetzen?

Das beste umfangreiche Buch, das sich mit dieser Thematik beschäftigt, ist Stephen Westerholms Perspectives Old and New on Paul: The "Lutheran" Paul and His Critics (Eerdmans, 2003). Das beste kürzere Werk ist Westerholms neueres Buch Justification Reconsidered: Rethinking a Pauline Theme (Eerdmans, 2013; dt. Ausgabe: Angriff auf die Rechtfertigung: Die Neue Paulusperspektive auf dem Prüfstand, Betanien, 2015).


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The Gospel Coalition
Übersetzung und Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung

Thomas R. Schreiner ist Professor für Neues Testament und stellvertretender Dekan für Bibelauslegung am Southern Baptist Theological Seminary in Kentucky (USA). Man kann ihm auf Twitter folgen.