Mut, reformiert zu sein

Ein Plädoyer für reformierte Theologie

Artikel von Burk Parsons
19. Februar 2020 — 7 Min Lesedauer

Wenn wir die reformierte Theologie begreifen, dann ändert sich nicht nur unser Verständnis von der Erretung, sondern unser Verständnis von allem. Aus diesem Grund haben Menschen, die sich durch die grundlegenden Lehren der reformierten Theologie kämpfen und sie verstehen, häufig das Gefühl, ein zweites Mal bekehrt worden zu sein. Tatsächlich ist es sogar so, wie mir viele bekannt haben, dass sie in Wirklichkeit in diesem Moment zum allerersten Mal bekehrt wurden. Durch ihre Auseinandersetzung mit der reformierten Theologie, standen sie der schonunglosen Realität ihrer radikalen Verdorbenheit und ihrem Totsein in Sünde gegenüber. Sie wurden mit Gottes bedingungsloser Erwählung einiger und der Verdammung anderer, mit Christi tatsächlicher Vollendung der Erlösung seines Volkes, der wirksamen Gnade des Heiligen Geistes, der bewahrenden Gnade Gottes bis ans Ende und mit Gottes Bundeshandeln in der ganzen Geschichte zu seiner Ehre konfrontiert. Wenn die Menschen erkennen, dass letzten Endes nicht sie sich für Gott entschieden haben, sondern Er sie erwählt hat, kommen sie naturgemäß zu dem Punkt, Gottes erstaunliche Gnade demütig einzugestehen. Erst dann, wenn wir erkennen, was für eine elende Kreatur wir wirklich sind, können wir aufrichtig "Amazing Grace" singen. Und genau das tut die reformierte Theologie: Sie transformiert uns von innen nach außen und bringt uns zum Singen – sie bringt uns dazu, unseren souveränen und dreieinigen, gnädigen und liebenden Gott in unserem ganzen Leben anzubeten, nicht nur am Sonntag, sondern jeden Tag und in allen Bereichen des Lebens. Reformierte Theologie ist nicht nur ein Abzeichen, das wir tragen, wenn es angesagt und cool ist, reformiert zu sein, sondern eine Theologie, die wir leben und atmen, bekennen und verteidigen, selbst wenn sie angegriffen wird.

Eine Lehre der Väter 

Die protestantischen Reformatoren des 16. Jahrhunderts, ihre Vorreiter aus dem 15. Jahrhundert und ihre Erben des 17. Jahrhunderts, lehrten und verteidigten ihre Überzeugung nicht, weil sie cool oder angesagt war, sondern weil sie biblisch war, und sie setzten ihr Leben dafür aufs Spiel. Sie waren nicht nur bereit, für die Theologie der Heiligen Schrift zu sterben, sondern sie waren auch bereit, für sie zu leben, zu leiden und für sie als Narren angesehen zu werden. Täusche dich nicht: Die Reformatoren waren kühn und mutig, nicht, weil sie so selbstbewusst und selbstsicher waren, sondern weil sie durch das Evangelium gedemütigt worden waren. Sie waren mutig, weil der Heilige Geist in ihnen wohnte und sie dazu befähigte, das Licht der Wahrheit in einem dunklen Zeitalter der Lügen zu verkünden. Die Wahrheit, die sie predigten, war nicht neu; sie war alt. Es war die Lehre der Märtyrer, der Kirchenväter, der Apostel und der Erzväter – es war die Lehre Gottes, die in der Heiligen Schrift dargelegt ist.

Die Reformatoren dachten sich ihre Theologie nicht aus; stattdessen formte ihre Theologie sie zu dem, was sie waren. Die Theologie der Heiligen Schrift machte sie zu Reformatoren. Sie hatten zunächst nicht die Absicht gehabt, Reformatoren zu werden – sie wollten Gott und der Heiligen Schrift treu sein. Weder die solas der Reformation noch die Lehren der Gnade (die fünf Punkte des Calvinismus) wurden von den Reformatoren erfunden, noch waren sie die Summe der reformatorischen Lehre. Stattdessen wurden diese zu den grundlegenden lehrmäßigen Prämissen, die der Kirche der folgenden Jahrhunderte dabei halfen, zu bekennen und zu verteidigen, was sie glaubte. Gerade heute gibt es viele, die meinen, sie hätten die reformierte Theologie übernommen. Dabei reicht ihre Theologie nur so weit wie die solas der Reformation und die Lehren der Gnade. Tatsächlich gibt es viele, die von sich behaupten, dass sie der reformierten Theologie anhängen, ohne jedoch andere wissen zu lassen, dass sie reformiert sind. Solche „Kryptocalvinisten“ bekennen sich weder zu einem der historisch reformierten Glaubensbekenntnisse des 16. oder 17. Jahrhunderts noch gebrauchen sie eine deutlich reformierte theologische Sprache.

Reformierte Theologie ist bekennende Theologie

Wenn wir wirklich die reformierte Theologie gemäß den historisch reformierten Glaubensbekenntnissen vertreten, werden wir zwangsläufig als reformiert identifiziert werden. In Wahrheit ist es unmöglich, ein „Kryptocalvinist“ zu bleiben und es ist genauso unmöglich, reformiert zu bleiben, ohne dass jemand davon weiß – es wird unweigerlich herauskommen. Um historisch reformiert zu sein, muss man sich zu einem reformierten Glaubensbekenntnis halten. Man muss sich nicht nur dazu halten, sondern es bekennen, verkündigen und verteidigen. Reformierte Theologie ist grundsätzlich bekennende Theologie.

Reformierte Theologie ist auch eine allumfassende Theologie. Sie verändert nicht nur, was wir wissen, sondern auch, wie wir wissen, was wir wissen. Sie verändert nicht nur unser Verständnis von Gott, sondern auch unser Verständnis von uns selbst. Ja, sie verändert nicht nur unsere Sicht auf die Errettung, sondern auch wie wir anbeten, wie wir evangelisieren, wie wir unsere Kinder erziehen, wie wir zur Gemeinde stehen, wie wir beten, wie wir die Bibel studieren – sie verändert, wie wir leben, weben und sind. Reformierte Theologie ist keine Theologie, die wir verstecken können, und sie ist keine Theologie, zu der wir nur ein Lippenbekenntnis ablegen könnten. Das war die Angewohnheit von Häretikern und theologisch Liberalen in der ganzen Kirchengeschichte. Sie behaupten, sich an die reformierten Glaubensbekenntnisse zu halten, aber sie bekennen sie nie in Wirklichkeit. Sie behaupten nur dann von sich, reformiert zu sein, wenn sie in der Defensive sind – wenn ihre liberale (wenngleich angesagte) Theologie in Frage gestellt wird, und, falls sie Pastoren sind, wenn ihre Anstellung auf dem Spiel steht. Während theologisch Liberale in Kirchen und Kirchenverbänden sein können, die sich als „reformiert“ bezeichnen, schämen sie sich für ihre Identität und glauben, als „reformiert“ bekannt zu sein, sei für manche ein Stolperstein und für andere ein Anstoß. Darüber hinaus sind, nach den historisch traditionellen Kennzeichen der Kirche – die reine Verkündigung des Wortes Gottes, Gebet nach dem Wort Gottes, der rechtmäßige Gebrauch der Sakramente der Taufe und des Abendmahls und die konsequente Praxis der Gemeindezucht – solche „reformierten“ Gemeinden oft nicht einmal wahre Gemeinden. Heutzutage gibt es viele Laien und Pastoren, die sich in traditionell reformierten und protestantischen Kirchen und Kirchenverbänden befinden, die samt ihren Kirchen und Kirchenverbänden, schon vor vielen Jahren ihre reformierte Verankerung verlassen und ihre Glaubensbekenntnisse verworfen haben. 

Wir brauchen unerschütterliche Verkündigung der Wahrheit

Um diesem Trend entgegenzuwirken, brauchen wir Männer auf der Kanzel, die den Mut haben, reformiert zu sein – Männer, die sich des Glaubens nicht schämen, der den Heiligen ein für alle Mal überliefert

„Erst wenn wir Männer auf der Kanzel haben, die den Mut haben, reformiert zu sein, werden wir Menschen auf den Kirchenbänken haben, die die reformierte Theologie und ihre Auswirkungen auf jeden Bereich ihres Lebens erfassen.“

 

worden ist, sondern bereit sind, dafür zu kämpfen, nicht mit einem reinen Lippenbekenntnis, sondern mit ihrem ganzen Leben und mit ihrer ganzen Kraft. Wir brauchen Männer auf der Kanzel, die kühn und unerschütterlich in ihrer Verkündigung der Wahrheit und zur gleichen Zeit voller Gnade und voller Mitgefühl sind. Wir brauchen Männer, die die unverfälschte Wahrheit der Reformierten Theologie zur Zeit und zur Unzeit verkündigen, nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern mit einem Arm, um die Schulter des anderen. Wir brauchen Männer, die die reformierten Glaubensbekenntnisse lieben, gerade weil sie den Herrn, unseren Gott, und sein unveränderliches, inspiriertes und autoritatives Wort lieben. Wir würden darin zunehmen, Gott mit unserem ganzen Herzen, unserer Seele, unserem Denken und unserer Kraft zu lieben und unseren Nächsten wie uns selbst. Das ist die Theologie, die die Kirche im 16. Jahrhundert reformierte und es ist die einzige Theologie, die Reformation und Erweckung im 21. Jahrhundert bewirken wird. Denn in unserer Zeit des radikal-progressiven theologischen Liberalismus ist es das Radikalste, Christen nach den reformierten Glaubensbekenntnissen zu sein, nicht arrogant, sondern mit Mut und Mitgefühl für die Gemeinde und die Verlorenen, alles zur Ehre Gottes und zu Seiner Ehre allein.