Freut euch, ihr Christen!

Artikel von Derek Thomas
7. Dezember 2018 — 8 Min Lesedauer

„Der Heilige Geist hat die Gläubigen dazu ermutigt, fortwährend aus Freude in die Hände zu klatschen, bis ihr verheißener Erlöser kommt“, schrieb Calvin in einem Kommentar zu Psalm 47,2.  Paulus würde von Herzen zustimmen! Als er aus einer Gefängniszelle schrieb, noch ungewiss, ob er jemals wieder freigelassen werden würde, kam ihm Freude in den Sinn. Freude ist das, worum sich der ganze Philipperbrief dreht. So vieles von ihm handelt von Freude, dass George B. Duncan ihn einmal als „ein Leben andauernder Freude“ bezeichnete. Das Gegenteil von Freude ist Jammer. Und jammervoll zu sein ist etwas, das wir nicht sein sollten. Die Reformatoren begriffen die Zentralität der Freude in den Gefühlsregungen der Christen, als sie darauf bestanden, dass unser oberstes Ziel im Leben ist, „Gott zu verherrlichen und ihn in Ewigkeit zu genießen“ (Westminster Bekenntnis, Frage 1).

Christen sind natürlich versucht, durch überwältigende Umstände entmutigt und niedergeschlagen zu werden. Aber in solchen Umständen müssen wir uns sagen, dass wir kein Recht haben, so zu fühlen, wie wir es tun! Paulus, der wusste, was es hieß, im Gefängnis zu sein, geschlagen und bespuckt, die kalte Schulter gezeigt und ignoriert zu werden, befiehlt uns, uns zu freuen, egal, was wir fühlen: „Freut euch im Herrn allezeit; abermals sage ich: Freut euch!“ (Phil 4,4)

Freude, dargestellt

Paulus war nie jemand, der andere etwas zu tun bat, das er nicht selbst umsetzte. Deshalb können wir im Laufe seines ganzen Lebens seine Freude heraushören, selbst in den schwierigsten und herausforderndsten Situationen.

Als er für seinen Gehorsam gegenüber dem Evangelium eingesperrt war, wurde dem Apostel seine Freiheit und Würde verweigert. Er mag wohl mit persönlicher Verbitterung über sein Schicksal gekämpft haben. Sicherlich fiel es den Philippern schwer, die Weisheit darin zu verstehen: Der am meisten gebrauchte Diener Gottes war im Gefängnis eingesperrt. Manche hinterfragten die Weisheit oder die Souveränität Gottes. Manche vielleicht sogar beides!

Die Gefühle von Paulus haben möglicherweise angezeigt, dass Depression, Bitterkeit oder Wut eine angemessene Reaktion wäre. Stattdessen hält er nach dem Guten in seinen Umständen Ausschau. Als Resultat seiner Gefangenschaft gab es bestimmte Mitglieder der Palastwache des Kaisers, die das Evangelium gehört hatten. Paulus mag in Ketten sein, aber „das Wort Gottes ist nicht gekettet“ (2Tim 2,9). Für den Apostel war es die Evangelisation unter der prätorianischen Garde wert, dafür zu leiden. Trotz dieser schwierigen Umstände war Paulus imstande, sich zu freuen, weil er einen größeren Plan wahrnahm; einen Plan, der größere Anliegen einbezog als seine unmittelbare Bequemlichkeit.

Paulus hatte Feinde, die darauf aus waren, ihm zu schaden. Schockierenderweise gab es Prediger des Evangeliums, die neidisch waren auf den Erfolg und die Popularität von Paulus. Sie predigten, um sein Leid zu vergrößern, indem sie davon ausgingen, mit ihren Handlungen „[s]einen Fesseln noch Bedrängnis hinzuzufügen“ (Phil 1,16). Manche waren anscheinend höchst zufrieden, dass der Apostel das empfing, was er nach ihrer Ansicht verdient hatte.

Paulus war in den Händen der römischen Justiz. Im ersten Kapitel sprach er von der Möglichkeit des Todes (Phil 1,20). Später führt er das aus, indem er schreibt: „… wenn ich aber auch wie ein Trankopfer ausgegossen werden sollte“ (Phil 2,17). Es ist eine realistische Anerkennung von Seiten des Apostels, dass seine Mühen und Leiden zum Märtyrertod führen könnten. Ist der Apostel niedergeschlagen? Ist er verbittert? Keineswegs! „So bin ich doch froh und freue mich mit euch allen“, fügt er hinzu.

Freude, beschrieben

Können wir mit größerer Klarheit definieren, was diese Freude ist, aus dem was Paulus im Philipperbrief schreibt? Zwei theologische Wahrheiten bringen die Quelle der Freude in den Fokus. Erstens, Freude ist das Ergebnis unserer Einheit mit Christus. Gott hat uns geschaffen und dann in Christus neugeschaffen, damit wir tiefe und beständige Beziehungen knüpfen können; sie sind die Quelle unserer größten Freuden. Aber keine Beziehung übersteigt unsere Gemeinschaft mit Jesus Christus im Evangelium. Paulus begann seinen Brief an die Philipper damit, seine christliche Leserschaft an ihre Beziehung zu Jesus Christus zu erinnern: Sie waren „in Christus“ (1,1). Dadurch unterstrich Paulus eine fundamentale Wahrheit. Glaube, wie Jesus seine Jünger erinnerte, ist ein Glauben „in“ Christus „hinein“ (Joh 14,12). Glaube umfasst eine Einheit, in der wir vollkommen abhängig sind von den Ressourcen eines anderen. Diese Wahrheit wurde von Jesus in einer gartenbaulichen Analogie ausgeführt: Er ist der Weinstock, wir sind die Reben (Joh 15). Jesus vergewissert seine Jünger: „Dies habe ich zu euch geredet, damit meine Freude in euch bleibe und eure Freude völlig werde“ (Joh 15,11). Es ist nicht klar, ob Jesus sagen wollte, dass die Gläubigen die Empfänger von Freude oder die Objekte von Freude sind. Beides ist wahrscheinlich gemeint. Christus stellt für uns – die alle Freude verloren haben – die Freude wieder her, die er an uns hat! Und wenn er sieht, wie wir die Frucht tragen, die wir sollten, natürlich einschließlich der Freude (Gal 5,22), bringt das auch ihm Freude! Vielleicht sehen wir jetzt die Bedeutung von Freude in unserem Leben: Sie macht das Herz unseres Retters froh!

Zweitens, Freude fließt aus einem Schmecken der Süße der Gnade. Die Antwort auf unseren Jammer ist, uns daran zu erinnern, wo wir ohne die Gnade Gottes wären. „Gnade ist ein bezaubernder Klang“, schrieb Philip Doddridge und gab dadurch wieder, was Christen schon immer über Gottes Wege mit uns empfunden haben. Gnade bildet die Begrüßung und den Abschluss dieses Briefs (Phil 1,2; 4,23). Und im Anschluss an die Begrüßung sagt Paulus den Philippern, wieviel Freude er empfand, so oft er an sie gedachte, und fügt hinzu, dass der Grund für diese Freude war, dass „ihr (…) mit mir Anteil habt an der Gnade“ (1,7). Christen finden ihre Freude in der Art und Weise, wie Gott sie behandelt hat.

Freude entspringt dem Wissen um den Wert dessen, was Gott uns gegeben hat. Als Paulus Christ wurde, geschah etwas mit ihm: Seine Einschätzung des Wertes, den er den Dingen dieser Welt beimaß, veränderte sich. Die Gnade Gottes wurde das Objekt seines größten Entzückens. Im Vergleich dazu belegte er den Glitzer der Welt mit dem griechischen Wort skybala – Dreck (3,8). Verglichen mit dem, was Gott ihm gegeben hatte – nicht eine Gerechtigkeit aus sich selbst heraus – war Paulus dazu angetrieben, mehr und mehr dieser wunderbaren Gnade Gottes zu erkennen (3,7–10).

Freude, befohlen

Daraus ergeben sich zwei Dinge: Erstens, soweit es uns möglich ist, müssen wir lernen, unsere Gefühle zu kontrollieren. Es gibt verschiedene Formen der Depression und manche sind gewiss das Resultat komplexer physischer und psychologischer Störungen. Aber es gibt Zeiten, in denen wir aus keinem guten Grund geistlich niedergeschlagen sind Es gibt Zeiten, wenn es das Beste ist, unsere Gefühle zu hinterfragen: „Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott, denn ich werde ihm noch danken, dass er meine Rettung und mein Gott ist!“ (Ps 42,12)

Viel zu oft verbringen wir unsere Tage in Jammer und Schwermut, nur, weil wir nicht ernst nehmen, was wir über Gott und seine Kontrolle über unser Leben wissen. Wir müssen beten und Gott um Stärke bitte, unsere depressiven, melancholischen Zustände zu überwinden. Es gibt so etwas wie einen Willen, der sich nicht Gottes Willen unterordnen will. Wir können verhärtet werden und nicht mehr die gute Hand Gottes sehen wollen. Es ist ein Krebs, der uns zerstören wird.

Zweitens, egal, was unsere Umstände sind, wir müssen nach einer Interpretation streben, die uns dazu zwingt, uns zu freuen. Wir sollen uns sogar „rühmen in den Bedrängnissen“ (Röm 5,3). Ich denke an die Geschichte von Horatio Spafford, einem Geschäftsmann in Chicago im Jahr 1873, der sein ganzes Geschäft an den Großen Brand von Chicago verlor. Nachdem er seine Frau und vier Töchter auf dem Schiff SS. Ville de Havre nach England gesandt hatte, erfuhr er, dass das Schiff inmitten des Atlantiks mit dem Schiff Lochearn zusammengestoßen war, wobei 261 Menschen umkamen, einschließlich seiner vier Töchter. Frau Spafford, die gerettet wurde, sandte ihm ein Telegramm, welches besagte: „Ich allein habe überlebt“. Nachdem er das nächste verfügbare Schiff bestiegen hatte, um zu ihr zu kommen, wies der Kapitän auf die Stelle, wo seine Töchter ertrunken waren. Zu dieser Zeit schrieb Horatio diese Worte:

Wenn Friede mit Gott meine Seele durchdringt,
ob Stürme auch drohen von fern,
mein Herze im Glauben doch allezeit singt:
Mir ist wohl, mir ist wohl in dem Herrn.

Das ist die Art und Weise, wie Gott will, dass wir leben. Wir haben kein Recht, zu erwarten, dass unser Leben frei sein wird von Bedrängnissen. Aber in jeder Situation können wir, wenn wir zum Volk Gottes gehören, uns der Fürsorge und Vorsehung Gottes gewiss sein. Er wirkt in jedem Detail. Es gibt bei ihm keine Fehler (Röm 8,32ff.). Jeder Augenblick unseres Lebens ist Grund genug zur Freude: Das Gute und das Schlechte sollten zusammen eine Symphonie des Lobes des allmächtigen Gottes formen.