Die Freude, Mitglied einer Gemeinde zu sein

Artikel von Jonathan Leeman
10. April 2019 — 2 Min Lesedauer

„Ich muss dir so viel erzählen. Ich fang einfach an, ok?“ Ich lächelte Chris zu und nickte. Ich hatte nichts, über das ich reden wollte. Außerdem höre ich gern zu, wenn mein Freund über sein Leben berichtet.

Er nippte an seinem Kaffee. Ich trank auch einen Schluck. Dann redete er vielleicht 45 Minuten, möglicherweise auch länger.

Er berichtete mir nacheinander von dem letzten Monat einer Beziehung, die so aussah, als ob sie sich Richtung Ehe bewegte. Der Monat bot einige Herausforderungen und manches an inneren Kämpfen. Manche Missverständnisse mit andere Gemeindemitgliedern. Aber das Hauptthema dieser Geschichte war: Gott ging mit ihm durch die Herausforderungen, die Kämpfe und die Missverständnisse.

Ich stellte ein paar Fragen. Aber meistens hörte ich einfach nur zu.

Chris ist sehr intelligent, gesellschaftlich gewandt und emotional kompliziert, was teilweise von Verletzungen aus seiner Kindheit herrührt. Er fühlt sich immer deplatziert. Es gibt ein paar „Trigger“ (sein Wort), die in allen seinen Beziehungen Panik bei ihm auslösen. Vertrauen wird bei ihm schwer aufgebaut und leicht verloren. Selbsthass ist sein enger Freund.

Und doch, auf übernatürliche Weise, versteht Chris das Evangelium von der Rechtfertigung durch Glauben allein. Er lernt wahrzunehmen, dass seine alten Gefährten, Flucht und Selbsthass, biblische Namen haben: Menschenfurcht, Scham und Sünde. Und was noch wichtiger ist: Er lernt es, diesen Dingen mit den Wahrheiten über Gottes Liebe und der angerechneten Gerechtigkeit Christi zu begegnen. Seine schwachen Knie werden stark (siehe Hebr 12,12).

Seine Geschichte kam zu einem Ende. Mein Herz freute sich.

Die Freude der Gemeindemitgliedschaft fand genau hier beim Kaffeetrinken an einem späten Dienstagnachmittag statt. Die Freude der Gemeindemitgliedschaft hat damit zu tun, sich für ein paar flüchtige Momente selbst zu vergessen – wie schwer es auch sein mag – und verliert sich in einer Geschichte über Gottes Werk im Leben eines Bruders oder einer Schwester.

Nach einigen Momenten der Stille fragte ich: „Chris, erkennst du, wie unser himmlischer Vater so sanft und so bewusst einen Trittstein nach dem anderen vor dich hingelegt hat? Erkennst du, wie sehr er dich liebt?“

Mir kamen die Tränen bei dem Gedanken an die Liebe des Vaters für Chris. Ihm kamen die Tränen, als er meine Tränen sah.

Gemeindemitgliedschaft fängt an, wenn wir einander (durch Taufe und Abendmahl) als Glieder am Leib Christi wahrnehmen. Gemeindemitgliedschaft bedeutet, dass aus dir ein größeres Du wird. Vielleicht bist du die Hand oder der Fuß.

Die Freude der Gemeindemitgliedschaft wohnt hier – in diesem größeren Du. Wenn die Hand weh tut, dann tut es dem ganzen Leib weh. Wenn das Haupt sich freut, freut sich der ganze Leib (1Kor 12,12–27). Die Freude in deinem Freund ist die Freude in dir, weil ihr beide mit Christus verbunden seid, der die Freude Gottes vermittelt (siehe Lk 11,11–13; 1Thess 1,6). Die Quelle der Freude ist immer das Evangelium, aber wir erfahren sie, indem wir zusammen lernen, im Evangelium zu wandeln (3Joh 4), und eines Sinnes und gleicher Liebe zu sein (Phil 2,2).

Kannst du auf die Mitglieder deiner Gemeinde blicken und wie Paulus sagen: „Ihr seid meine Freude“ (1Thess 2,20)? Wenn nicht, fang hiermit an: Erinnere dich daran, dass dein himmlischer Vater dich in Christus sieht und diese Worte gebraucht (Zef 3,17; siehe Joh 17,22–26).