Von Jesus und den Broten

Artikel von Kai Soltau
12. August 2015 — 4 Min Lesedauer

Jesus hat unglaubliche Wunder vollbracht, durch die er auch die Bedürfnisse seiner Mitmenschen gestillt hat. Eines der bekanntesten Wunder ist wohl die Speisung der 5000 mit nur fünf Broten und zwei Fischen. Viele Menschen, die erlebt haben, wie Jesus für sie und ihre Nächsten sorgte, kamen deshalb immer wieder zu ihm. Sie brachten ihre Freunde und Familienmitglieder mit, damit auch sie die Wunder Jesu sehen und selbst Heilung erleben konnten. Auch am Tag nach der Speisung der 5000 kamen viele zurück zu der Stelle, wo Jesus dieses Wunder vollbracht hatte, um noch einmal auf solch eine wundersame Art und Weise von ihm gespeist zu werden (Joh 6,22–26).

„Sie hatten geglaubt, dass Jesus für sie sorgen kann. Es ist aber ein Glaube, der stark vom Konsum-denken geprägt ist.“
 

Zu einem gewissen Grad haben diese Menschen, die immer wieder die Strapazen auf sich nahmen, um Jesus ausfindig zu machen – bei der Speisung der 5000 mussten sie den See Genezareth überqueren, weil Jesus an dem ursprünglichen Ort der Speisung nicht mehr aufzufinden war – Glauben bewiesen. Sie hatten geglaubt, dass Jesus das, was er einen Tag vorher getan hatte, auch noch einmal vollbringen konnte. Sie hatten geglaubt, dass für Jesus nichts unmöglich ist. Sie hatten geglaubt, dass Jesus für sie sorgen kann. Es ist aber ein Glaube, der stark vom Konsumdenken geprägt ist.

Und es ist genau dieser Glaube, den Jesus auf die Waagschale legt. Als die Menschen ihn am Tag nach der Speisung noch einmal aufsuchen (Joh 6,22–26), macht er ihnen den folgenden Vorwurf: „Ich habe es euch gesagt, dass ihr mich gesehen habt und doch nicht glaubt” (Vers 36). Jesus nutzt die Gelegenheit, um den Menschen aufzuzeigen, was wahrer Glaube ist. Er sagt zu ihnen: „Schafft euch Speise, die nicht vergänglich ist, sondern die bleibt zum ewigen Leben. Die wird euch der Menschensohn geben” (Vers 27) und „Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten” (Vers 35). Jesus versucht den hungrigen Menschen zu erklären, dass wahrer Glaube sie dazu bringen würde, nach Bedeutenderem und Wichtigerem zu fragen als nach Broten und Fischen, die wieder nur vorübergehend den Hunger stillen können.

„Jesus ist nicht in die Welt gekommen, um die physischen und psychischen Bedürfnisse von Konsumenten zu stillen.“
 

Jesus ist nicht in die Welt gekommen, um die physischen und psychischen Bedürfnisse von Konsumenten zu stillen. Er ist nicht gekommen, um als Talisman zu dienen und menschliche Wünsche zu erfüllen. Nein, er ist in die Welt gekommen, um den Menschen zurück zu Gott zu bringen und so seine tiefsten Sehnsüchte zu stillen. Er ist gekommen, um den Menschen zum Anbeter Gottes zu machen. Deshalb zeigt sich wahrer Glaube, wie Jesus ihn hier im Johannes-Evangelium beschreibt, auch nicht darin, dass man zu ihm geht, um psychologische und physische Sehnsüchte gestillt zu bekommen. Nein, wahrer Glaube ist ein „Kommen zu Jesus“, um in ihm die Sehnsüchte gestillt zu bekommen. John Piper bringt diesen Gedanken wie folgt auf den Punkt: „Glauben bedeutet, zufrieden zu sein in dem, was Gott für uns in Jesus Christus sein will.”1 In den Worten von Johannes 6 würde das bedeuten, Jesus als das „Brot des Lebens” zu erfahren. John MacArthur definiert wahren Glauben ganz ähnlich: „Glaube bedeutet, zufrieden sein in Christus.”2 Wahrer Glaube zeigt sich also darin, nicht länger als Konsument zu Gott zu kommen, sondern als Anbeter, der den Wert und die Größe Jesu Christi für sein Leben erkannt hat.

Der amerikanische Theologe Davids Wells hat sich in unterschiedlichen Büchern ausführlich mit dem gegenwärtigen Zustand der evangelikalen Gemeinden in der westlichen Welt beschäftig und zeigt auf, wie das postmoderne Denken auch Einzug in die Gemeinde Jesus Christi gehalten hat. In seinem Buch God in the Wasteland bemerkt er, wie auch das Konsumdenken der Welt die Gemeinde erreicht. Sehr schön beschreibt er den einzigen Weg, der wieder zurück zum wahren Glauben führt:

„Wahrer Glaube zeigt sich also darin, nicht länger als Konsument zu Gott zu kommen, sondern als Anbeter, der den Wert und die Größe Jesu Christi für sein Leben erkannt hat.“
 
„Wir werden nicht in der Lage sein, den Blick und die Erkenntnis für Gottes Größe und Erhabenheit wiederherzustellen, bis wir zu dem Selbstverständnis gelangen, dazu geschaffen zu sein, eben diese Erhabenheit zu erkennen. Das kann aber nur beginnen, wenn wir begreifen, dass wir als Geschöpfe, die im Bild Gottes geschaffen wurden, zuallererst moralische Wesen und nicht Konsumenten sind und wenn wir verstehen, dass die Befriedigung unserer psychologischen Bedürfnisse im Vergleich zu dem bleibenden Wert des richtigen Tuns an Bedeutung verliert” (God in the Wasteland, 115; eigene Übersetzung).

Eben das ist es, was Jesus am Tag nach der Speisung versuchte, den Menschen mit dem Bild vom „Brot des Lebens” klar zu machen: Es gibt nichts, was so erfüllt, wie in Anbetung und Verbundenheit mit Jesus Christus (vgl. Joh 6,56–57) das Leben auf ihn und seinen Plan für das eigene Leben auszurichten.


1 Piper, John, Future Grace (Multnomah, 1995) S.206.

2 MacArthur, John, Faith Works: The Gospel According to the Apostles (Dallas: Word Publishing, 1993) S.48.