In der österlichen Zeit des Jahres 1515 begann Martin Luther in Wittenberg mit der Vorlesung über den Brief des Paulus an die Römer. Diese Veranstaltung, die sich bis zum Herbst 1516 hinzog, ist eine Frucht der wenigen stillen Jahre, die dem Reformator nach seinem geistlichen Durchbruch gegönnt waren. Die Auslegung war damals eine enorme theologische und wissenschaftliche Leistung. Für die abendländische Christenheit ist das Werk von besonderer Bedeutsamkeit, da in ihm das die Reformation prägende Verständnis des Evangeliums bereits klar durchscheint. Luther spricht in aller Deutlichkeit davon, dass durch den Glauben an Jesus Christus die Gerechtigkeit Gottes dem Menschen zur Heilsgerechtigkeit wird. Zu Römer 1,17 schreibt er etwa, dass die Gerechtigkeit Gottes „die Ursache des Heils“ ist.
Martin Luther (Vorlesung über den Römerbrief, 2017 [1515/1516], S. 29):
„Hiernach lehrt [Paulus] auch, dass die Prediger des Evangeliums zuerst und hauptsächlich die Oberen und Führer im Volke zurechtweisen sollen, freilich nicht mit eigenen, erdichteten Worten aus einem kranken und verstörten Gemüt, sondern mit den Worten des Evangeliums, indem sie zeigen, wie und wo sie gegen das Evangelium handeln und leben. Aber von solchen Arbeitern gibt es jetzt nur eine kleine Schar.“