Unsere Trauer, die Festtage und Weihnachten
Es gibt einen himmelweiten Unterschied zwischen dem besinnlichen, seligen Weihnachten, das uns die Werbung spätestens im Advent verkaufen will, und dem Weihnachten, das viele von uns tatsächlich erleben. Wenn du diesen Artikel liest, dann bist du alt genug, um den Unterschied zu kennen. Du erinnerst dich an geliebte Menschen, deren Platz dieses Jahr zu Weihnachten leer bleiben wird. Du kennst die Entfremdungen, die an den Feiertagen umso schmerzlicher hervorstechen. Du erlebst gerade die finanzielle Belastung, die das Fest mit sich bringt. Wenn wir ehrlich sind, haben viele von uns, die zu Weihnachten im Gottesdienst sitzen (ganz abgesehen von denen, die gar nicht erst kommen), mit der Kluft zwischen dem idealisierten Fest und den echten Weihnachtserlebnissen – mit Traurigkeit, mit dem Verlust geliebter Menschen, mit unseren Sorgen und Ängsten – zu kämpfen.
„Wenn wir ehrlich sind, haben viele von uns mit der Kluft zwischen dem idealisierten Fest und den echten Weihnachtserlebnissen – mit Traurigkeit, mit dem Verlust geliebter Menschen, mit unseren Sorgen und Ängsten – zu kämpfen.“
Leid ist fester Bestandteil der Weihnachtsgeschichte
Doch die gute Nachricht ist, dass die biblische Weihnachtsgeschichte diese Aspekte nicht auslässt. Das ist ein Grund mehr, warum wir als Christen an der biblischen Bedeutung von Weihnachten festhalten sollten. Es schützt uns davor, dass uns unsere kulturell aufgebauschten Weihnachtserwartungen nur umso mehr enttäuschen.
Das biblische Weihnachten ist erfüllt von großer Hoffnung, doch es löst die Trauer und das Leid, die aus der Sünde der Welt entspringen, nicht einfach auf. Zumindest löst es jetzt noch nicht alles.
Schauen wir uns nur einmal die biblische Weihnachtsgeschichte an. Angst, Gefahr und Schwierigkeiten ziehen sich durch die Erzählungen bei Matthäus und Lukas. Ja, die Engel verkünden: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.“ Doch das nimmt noch längst nicht alles Schwere weg.
Es beginnt damit, dass der ewige Sohn Gottes als Baby auf die Erde kommt und in einen Futtertrog in einer kleinen Stadt im Nirgendwo gelegt wird, nur um später wie ein Verbrecher am Kreuz zu sterben. Er wird als Ausgeschlossener in einem Stall geboren, weil es keinen Platz in der Herberge gibt. Seine Eltern kommen offenbar aus ärmlichen Verhältnissen, denn nach seiner Geburt können sie gerade einmal zwei Tauben opfern, die geringste zulässige Opfergabe im Tempel.
In Lukas 2 weissagt der fromme Simeon, dass der neugeborene Jesus der Messias ist. Doch er bekennt auch, dass mit dem Kommen des Messias für ihn die Zeit gekommen ist, zu sterben. („Nun, Herr, entlässt du deinen Knecht in Frieden nach deinem Wort!“) Er sagt Maria: „Siehe, dieser ist gesetzt zum Fall und zum Auferstehen vieler in Israel und zu einem Zeichen, dem widersprochen wird — aber auch dir selbst wird ein Schwert durch die Seele dringen —, damit aus vielen Herzen die Gedanken geoffenbart werden.“ Ein Schwert wird Marias Seele durchdringen? Kein Wunder, dass der Lobgesang des Simeon (das „Nunc Dimittis“) häufig bei Beerdigungen gesprochen wird und nicht bei Weihnachtsgottesdiensten!
Die Lesung der Weihnachtsgeschichte endet meistens bei Matthäus 2,12 mit dem Aufbruch der Weisen. Doch an dieser Stelle wird die Geschichte am finstersten. Maria und Josef müssen aus Furcht vor Herodes‘ mörderischem Feldzug gegen den Messias mit Jesus nach Ägypten fliehen. Herodes ordnet wirklich den Mord an allen kleinen Jungen in der Region Bethlehem an, eine der größten Gräueltaten in der ganzen Schrift. Matthäus schreibt: „Da wurde erfüllt, was durch den Propheten Jeremia gesagt ist, der spricht:
‚Eine Stimme ist in Rama gehört worden,
viel Jammern, Weinen und Klagen;
Rahel beweint ihre Kinder
und will sich nicht trösten lassen, weil sie nicht mehr sind‘.“
Weinen, Klagen und fehlender Trost? Auch das ist Teil der Weihnachtsgeschichte.
„An Weihnachten erkennen wir, dass die Zeit, in der alle Traurigkeit weggenommen wird und wir vollkommene Versöhnung erleben, noch vor uns liegt.“
Versteh mich nicht falsch: Ich rate dir nicht, dieses Jahr in den Weihnachtsgottesdiensten vom „bedrückendsten Weihnachten aller Zeiten“ zu reden. Aber versuch auch nicht, es zum „fröhlichsten Weihnachten aller Zeiten“ zu erklären. Geh nicht über das hinaus, was die Schrift uns über Weihnachten lehrt. Der langerwartete Messias betritt auf überwältigende und bahnbrechende Weise die Bühne der Heilsgeschichte. Seine Menschwerdung erfüllt die Heiligen mit Freude und Anbetung.
Hoffnungsvolle Erwartung
Doch Jesu Leben auf Erden hat gerade erst begonnen und die Kreuzigung steht noch bevor. Nicht einmal Ostern nimmt allen Schmerz und alle Trauer weg. An Weihnachten erkennen wir, dass die Zeit, in der alle Traurigkeit weggenommen wird und wir vollkommene Versöhnung erleben, noch vor uns liegt: Dann wird Gott alle Tränen der Heiligen abwischen „[und] der Tod wird nicht mehr sein, weder Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen“ (Offb 21,4).