Hat die Wissen­schaft Gott abgeschafft?

Artikel von John Blanchard
10. März 2020 — 9 Min Lesedauer

Richard Dawkins, der an der Universität von Oxford lehrt, trägt dort den offiziellen Titel „Charles Simonyi Reader and Professor of the Public Understanding of Science“. Inoffiziell ist er vielleicht der bekannteste Atheist der Welt, sicherlich auch aufgrund seines Bestsellers Der Gotteswahn, der im Jahr 2006 herauskam. Vor diesem Hintergrund ist zu erwarten, dass Dawkins auf die hier im Titel gestellte Frage mit einem vollen Ja antworten würde – und er enttäuscht uns dabei nicht. In einem BBC-Fernsehprogramm aus dem Jahr 1999 namens Soul of Britain gab er mit großem Pathos von sich: „Ich denke, dass die Wissenschaft tatsächlich den Bedarf abgedeckt hat, den die Religion in der Vergangenheit abdeckte, nämlich Dinge zu erklären; warum wir hier sind, was der Ursprung des Lebens ist, wo die Welt herkommt, worum es im Leben geht … die Wissenschaft hat die Antworten.“

Wenn Dawkins recht hat, dann ist Religion ein aus der Mode gekommener Zeitvertreib und Gott ein irrelevanter Mythos. Aber hat er recht? Die einfachste Art, diese Frage zu beantworten, ist, jede seiner vier Behauptungen zu überprüfen, ob sie erhärtet werden kann.

„Die Wissenschaft erklärt, warum wir hier sind.“

Abhängig vom jeweiligen Kontext kann das Wort warum eine von zwei Bedeutungen haben: entweder „Wie sind wir hierher gekommen?“ oder „Was ist unser Zweck hier?“ Da seine letzte Behauptung mit der zweiten Bedeutung zu tun hat, möchte ich an dieser Stelle die erste beleuchten – und Dawkins hat keinen Zweifel an der Antwort: „Man kann mit absoluter Sicherheit sagen: Wenn du jemanden triffst, der behauptet, nicht an Evolution zu glauben, dann ist diese Person dumm, ignorant oder verrückt (oder bösartig, was ich aber nicht gern unterstellen möchte).“ Nachdem er so allen Widerspruch mit einem einzigen Satz weggefegt hat, pflichtet er dann der Vorstellung bei, dass der homo sapiens das modernste Produkt in einer langen Kette von eng verwandten Arten und Gattungen ist, angefangen bei der ersten lebenden Zelle und weiter dann über die Wirbellosen, Fische, Amphibien, Reptilien, Vögel, felltragenden Vierbeiner und affenartigen Säugetiere.

Alle Atheisten sind Evolutionisten, und dies ist die Standardüberzeugung für das Modell, das sie vertreten. Wenn sie recht haben, sollten wir erwarten können, dass auf unserem Planeten eine Fülle von Fossilien jener Zwischenformen zu finden ist – aber es gibt sie einfach nicht. Colin Patterson, leitender Paläontologe am British Museum of Natural History, der sich mit diesen evolutionären Verbindungen befasst hat, meinte dazu: „Ich will es klar auf den Punkt bringen: Es gibt nicht ein einziges solches Fossil, für das man ein wasserdichtes Argument bringen könnte.“ Auf der anderen Seite sollten wir erwarten: Wenn Gott vollkommen ausgeformte, separate Arten geschaffen hat, dann müsste man die Überreste von zahllosen, vollkommen ausgeformten Exemplaren finden, alle ohne erkennbare Vorfahren – und das ist genau das, was wir zu Tage fördern.

In den ersten Kapiteln der Genesis erreicht der Schöpfungsbericht einen Höhepunkt, wenn er formuliert: „Und Gott schuf den Menschen in seinem Bild, im Bild Gottes schuf er ihn; als Mann und Frau schuf er sie“ (1Mose 1,27) – eine Aussage, die mit all dem zusammenpasst, was wir über unsere erstaunlichen und einzigartigen Eigenschaften wissen. Wenn der komplette Text der Encyclopædia Britannica aus dem Weltall auf die Erde gefallen wäre, würde man ihn als unwiderlegbaren Beweis für außerirdische Intelligenz betrachten. Die menschliche DNA besitzt weit mehr an organisierter Information als die Encyclopædia Britannica und verweist damit eindrücklich auf die Wahrheit der Überzeugung von Nobelpreisträger Arthur Compton, dass „eine oberste Intelligenz das Universum und den Menschen erschuf“.

„Die Wissenschaft erklärt den Ursprung des Lebens.“

„Gibt es irgendein Gebiet der Wissenschaft, das definitiv jede Möglichkeit ausschließen kann, dass es eine übernatürliche, ungeschaffene Person gibt?“

 

In dem, was er das Hauptargument von Der Gotteswahn nennt, behauptet Dawkins, dass, obwohl so viele Dinge den Anschein geben, designt worden zu sein, dieser Anschein trügen muss, weil damit eine unbeantwortbare Frage aufgeworfen wird: Wer hat den Designer designt? Zwei Dinge sind dazu als Antwort zu sagen. Erstens: Wo ist der wissenschaftliche Beweis dafür, dass der Anschein von Design uns trügt? Es gibt keinen – und Design zu leugnen, bevor man das Thema überhaupt diskutiert, ist genauso, als würde man Wunder für unmöglich erklären, bevor man herauszufinden versucht, ob jemals welche stattgefunden haben. Dieser unlogische Ansatz ist einem Grundschüler zuzutrauen, aber doch wohl nicht einem Professor in Oxford. Zweitens: Kann die Wissenschaft beweisen, dass der Designer selbst designt werden musste – mit anderen Worten, dass der höchste Schöpfer selbst geschaffen sein muss? Gibt es irgendein Gebiet der Wissenschaft, das definitiv jede Möglichkeit ausschließen kann, dass es eine übernatürliche, ungeschaffene Person gibt?

Ludwig Wittgenstein, der führende analytische Philosoph des 20. Jahrhunderts, sagte in seinem monumentalen Werk Tractatus: „Die Lösung für das Rätsel des Lebens in Raum und Zeit liegt außerhalb von Raum und Zeit.“ Das stimmt genau überein mit der biblischen Lehre, dass Gott „von Ewigkeit zu Ewigkeit“ ist (Ps 106,48) und dem einhelligen Zeugnis, dass dieser transzendente und ewige Schöpfer „alles lebendig macht“ (1Tim 6,13).

„Die Wissenschaft erklärt, wo die Welt herkommt.“

„Aber die Wissenschaft kann niemals weiter zurückgehen als bis zu dem Moment, an dem die Gesetze, auf die sie sich stützt, zu wirken begannen.“

 

Der Ursprung des Universums hat die Menschen fasziniert, seitdem sie zum ersten Mal über das Thema nachdachten, und Wissenschaftler haben endlose Theorien dazu entwickelt. Aber die Wissenschaft kann niemals weiter zurückgehen als bis zu dem Moment, an dem die Gesetze, auf die sie sich stützt, zu wirken begannen. Wie Edgar Andrews, emeritierter Professor für Werkstofftechnik an der University of London, anmerkt: „Die Wissenschaft, selbst in ihrer spekulativsten Form, kann nicht so weit gehen, eine Erklärung oder auch nur eine Beschreibung des eigentlichen Ursprungsereignisses zu geben.“

Das scheint ziemlich einleuchtend zu sein, aber es gibt Atheisten, die dieses Thema mit einer Unmenge von Phrasen umschiffen wollen. Peter Atkins, ein atheistischer Chemieprofessor in Oxford, behauptet, dass das ganze Universum „ein elaboriertes und spannendes Neuzusammensetzen von Nichts“ ist, wobei „Raum-Zeit im Prozess der eigenen Selbstzusammensetzung seinen eigenen Staub produziert“. Den Vertretern dieser Vorstellung, die formell bekannt ist als die Hypothese der Quantenfluktuation, wurde im New Scientist widersprochen: „Erst gab es nichts, dann gab es etwas … und bevor man sich versieht, haben sie Milliarden von Galaxien aus ihren Quantenhüten gezaubert.“ In dem Buch Eine kurze Geschichte der Zeit verfolgt der theoretische Physiker Stephen Hawkins, dem es nicht um eine religiöse Debatte geht, einen viel nachvollziehbareren Ansatz. Er kommentiert die (Un-)Wahrscheinlichkeit, dass die unglaubliche Komplexität und die vollkommen ausbalancierte Anordnung fundamentaler Faktoren im Universum durch Zufall entstanden sind, und schreibt: „Es wäre sehr schwer zu erklären, warum das Universum auf genau diese Weise angefangen haben sollte, außer durch einen Akt Gottes, der vorhatte, solche Wesen wie uns zu erschaffen.“

Richard Dawkins will nicht nur nichts vom biblischen Schöpfungsbericht hören, er stellt ihn auch auf die gleiche Stufe wie den hinduistischen Mythos, dass die Welt in einem kosmischen Butterstampfer entstanden sei, und die westafrikanische Meinung, dass sich die Welt aus den Exkrementen von Ameisen entwickelt habe – aber das hat nichts mit ernsthaften Überlegungen zu tun. C.S. Lewis kam zu einer gänzlich anderen Schlussfolgerung: „Keine philosophische Theorie, die ich kennengelernt habe, ist eine wirkliche Verbesserung der Worte der Genesis, dass ‚im Anfang Gott Himmel und Erde erschuf‘.“ Zu behaupten, dass die Wissenschaft so etwas ausschließt, ist Ignoranz, die sich als Intelligenz ausgibt.

„Die Wissenschaft erklärt, worum es im Leben geht.“

Es ist interessant, dass Dawkins eine derartige Aussage trifft, obwohl er doch leugnet, dass das menschliche Leben überhaupt einen Zweck hat und solch eine Vorstellung als eine „fast universelle Selbsttäuschung“ bezeichnet. In einer Ausgabe der Zeitung London’s Observer aus dem Jahr 1995 tat er die Frage nach dem Sinn des Lebens ab, indem er sagte: „Also, es gibt keinen Sinn, und danach zu fragen ist eine dumme Frage. Es hat den gleichen Status wie: Was ist die Farbe von Eifersucht?“

An anderer Stelle behauptet er, dass das Leben „nur Bytes über Bytes an digitaler Information“ sei und dass menschliche Wesen „Überlebensmaschinen sind – robotische Vehikel, die blind darauf programmiert sind, die selbstsüchtigen Moleküle zu bewahren, die wir als Gene kennen“. – Aber das ist hoffnungslos unzureichend. Es bietet keine Erklärung für die Tatsache, dass wir uns als Menschen unser selbst bewusst sind, dass wir denken können und ein unstillbares Verlangen danach haben, Daten auszuwerten, Vorstellungen zu entwickeln, die Fantasie zu gebrauchen und Entscheidungen zu treffen. Es erklärt auch nicht unser einzigartiges Bewusstsein für Würde, unseren ästhetischen Geschmack, unsere Fähigkeit, Kunst, Musik und Literatur zu schaffen und zu genießen, unsere moralische Dimension und unsere geistlichen Sehnsüchte. Der bedeutende moderne Denker Francis Schaeffer betonte: „Niemand hat je eine Idee vorgebracht – geschweige denn gezeigt, dass sie umsetzbar wäre –, die erklärt, wie aus einem unpersönlichen Ursprung plus Zeit plus Zufall Persönlichkeit hervorgehen kann.“

Sir John Eccles, ein Nobelpreisträger und Pionier in der Gehirnforschung, bringt es auf den Punkt: „Die Wissenschaft kann die Existenz von einem jeden von uns als ein einzigartiges Selbst nicht erklären.“ Selbst Steve Jones, ein leidenschaftlicher Atheist und Professor für Genetik am University College, London, gibt offen zu: „Die Wissenschaft kann die Frage nicht beantworten: Warum sind wir hier?“ Die Bibel kann es – und tut es, wie die Worte derer zeigen, die Gott anrufen: „Würdig bist du, o Herr, ... denn du hast alle Dinge geschaffen, und durch deinen Willen sind sie und wurden sie geschaffen!“ (Offb 4,11).

Die Wissenschaft ist die anhaltende Suche nach Wahrheit in der natürlichen Welt und wir erfreuen uns zu Recht an den zahllosen guten Dingen, die Wissenschaft und Technik in unser Leben gebracht haben. Will man aber darüber hinausgehen und behaupten, dass die Wissenschaft Gott abgeschafft habe, dann ist das nichts anderes, als eine Fantasievorstellung des 19. Jahrhunderts im 21. Jahrhundert als Tatsache auszugeben.