Sinn, Gerech­tigkeit und die Geschichte der Welt

Artikel von Peter Orr und Rory Shiner
30. März 2020 — 7 Min Lesedauer

Fragst du dich, was das Christentum über den Sinn des Lebens lehrt? Peter Orr und Rory Shiner erklären in dieser Reihe, wie die biblische Sicht auf das Leben und das Ziel der Weltgeschichte allem einen Sinn gibt.


Es war einige Jahre lang erfolgreich. Geradezu fesselnd. Dann begann es nachzulassen. Die Handlung wurde immer unrealistischer. Neue Charaktere wurden willkürlich eingeführt. Andere verschwanden einfach. Der Gedanke, dass das alles noch auf einen befriedigenden Schluss hinausläuft, beginnt zu schwinden. Willkommen zur fünften Staffel deiner früheren Lieblingsserie.

Oder zum Leben. Für viele Menschen in der modernen westlichen Welt fühlt sich das Leben mehr und mehr wie die fünfte Staffel an. Die Produktionswerte sind hoch. Die Sets sind einzigartig. Die Besetzung sieht gut aus. Aber es scheint so, als seien den Verfassern die Ideen ausgegangen. Es ist nicht mehr klar, wohin die Reise gehen soll – falls es überhaupt irgendwohin geht. Wir sind, wie es der australische Historiker Manning Clark einmal gesagt hat, „gelangweilte Überlebende im Reich des Nichts, die – auf die Barbaren wartend – auf dem Bondi Beach surfen und saufen“. Ist das alles, was es gibt?

„Die Möglichkeit, dass es vielleicht gar keinen größeren Sinn hinter dem Ganzen gibt, hat sich von der radikalen Idee einiger Randphilosophen zur Grundannahme einer Generation entwickelt.“

 

Der moderne Westen hat einen Überschuss an Freiheit und ein Defizit an Sinn. Der Freiheitstank ist bis zum Überlaufen gefüllt. Nie zuvor haben wir so viel Freiheit, so viele Wahlmöglichkeiten, so eine Fülle an Optionen gehabt. Aber der "Sinnspeicher" ist fast leer. Über das „wozu“ waren wir uns nie zuvor weniger im Klaren. Die Möglichkeit, dass es vielleicht gar keinen größeren Sinn hinter dem Ganzen gibt, hat sich von der radikalen Idee einiger Randphilosophen zur Grundannahme einer Generation entwickelt.

Wir alle gleichen dem Fisch am Ende von "Findet Nemo". Den Einschränkungen des Aquariums in der Zahnarztpraxis entflohen, schwimmen wir im Hafen von Sydney. „Und jetzt?“ Wer weiß das schon?

Ein Überfluss an Freiheit und ein Mangel an Sinn.

Der Sinn der Geschichte

Wie finden wir den Sinn unseres Lebens? Welche Bedeutung haben unsere Handlungen? Der Nihilismus des modernen Westens ist eine mögliche Antwort. Nicht zu fragen. Die Geschichte hat keinen Sinn, außer dem, den du ihr gibst.

Es gab nicht viele nihilistische Kulturen. Die meisten der alten Religionen (die großen Traditionen des Hinduismus und Buddhismus mit eingeschlossen) haben die Geschichte als sich in Kreisen bewegend begriffen: Wir waren nicht, dann waren wir, wir werden nicht sein; es gibt Winter, Sommer und Herbst; Leben, Tod, Leben und Wiederholung. In diesen Traditionen wird deine Existenz als Teil eines größeren Ganzen begriffen und gerechtfertigt, als Teil des großen Rads der Existenz, das immer wieder zu seinem Ausgangspunkt zurückkehrt.

Die Bibel ist da völlig anders. Sie sagt, dass die Geschichte irgendwohin geht - und zwar vorwärts. Nicht zirkular, sondern linear. Weniger wie die Jahreszeiten, sondern eher wie eine Geschichte mit einem Anfang, einer Mitte und einem Ende, das dem Ganzen einen Sinn verleiht.

Das ist es, was Christen in ihren Bekenntnissen bezeugen, wenn sie sagen, dass Jesus „wiederkomme wird, zu richten die Lebenden und die Toten“. Wir glauben, dass das der Schlüssel zum Sinn des Lebens ist.

Apostelgeschichte 17

Der Apostel Paulus hat dieses einmal den athenischen Philosophen des ersten Jahrhunderts erklärt. Auf dem Platz stehend, wo Sokrates einmal gelehrt hatte, erzählte er ihnen von einem

… Gott, der die Welt gemacht hat und alles, was darin ist, er, der Herr des Himmels und der Erde ist, wohnt nicht in Tempeln, die von Händen gemacht sind; er lässt sich auch nicht von Menschenhänden bedienen, als ob er etwas benötigen würde, da er doch selbst allen Leben und Odem und alles gibt. Und er hat aus einem Blut jedes Volk der Menschheit gemacht, dass sie auf dem ganzen Erdboden wohnen sollen, und hat im Voraus verordnete Zeiten und die Grenzen ihres Wohnens bestimmt. (Apg. 17,24–26)

Beachte, was hier gesagt wird:

Erstens: Die Welt hat einen Anfang.

Zweitens: Gott hat die Menschheit, einen jeden von uns, zu einem Zweck erschaffen. Wir sind von seinem Geschlecht (Apg. 17,28). Wir wurden erschaffen, um die Erde in multikultureller Herrlichkeit als Ebenbilder Gottes zu bewohnen.

Drittens: Die Dinge sind nicht so, wie sie sein sollten. Wir haben uns Gott als in Tempeln gefangen vorgestellt – als ein Wesen, das durch Gold, Silber oder Steine repräsentiert werden könnte. Wir lagen falsch.

Zuletzt: Die Geschichte ist nicht ein Kreislauf, sondern eine Erzählung.

  • Sie hat einen Anfang (Schöpfung);
  • Sie hat Protagonisten (die Menschen), die eine Mission haben (die Erde zu bevölkern);
  • Sie hat eine Krise (Götzendienst).

Das ist eine Geschichte! Jeder in der antiken Welt hatte Geschichten. Aber die Vorstellung, dass die Geschichte der Welt selbst eine Geschichte ist – das war neu.

Wer weiß, wie alles das von seinem Publikum aufgenommen wurde. Die Athener liebten neue Ideen und dieses qualifizierte sich sicherlich als solche. Aber der Höhepunkt kam zum Schluss:

weil er einen Tag festgesetzt hat, an dem er den Erdkreis in Gerechtigkeit richten wird durch einen Mann, den er dazu bestimmt hat und den er für alle beglaubigte, indem er ihn aus den Toten auferweckt hat (Apg. 17,31).

Gerechtigkeit am Ende

Eine Geschichte braucht ein Ende – einen Höhepunkt. Und für Paulus liegt dieser genau hier. Die Dinge werden wieder in Ordnung kommen. Der Schrei der Witwe wird gehört werden, der Weise wird getröstet werden; die Unterdrückten verteidigt, die Armen erhoben. An anderer Stelle spricht die Bibel von „einem neuen Himmel und einer neuen Erde“ und dem Ende von Tod, Krankheit und Traurigkeit.

Und es wird Gerechtigkeit geben. Ein Richter ist ernannt worden. Jesus: Derjenige, der die Aussätzigen berührte, die Kranken heilte, die Toten auferweckte, die nicht Liebenswürdigen liebte; der leidenschaftliche Prophet, der unser Mühen und Leiden kannte.

Jesus wird das endgültige Gericht bringen. Nichts Böses wird jemals in der Lage sein, die neue Stadt Gottes zu betreten. Grausame Unterdrücker werden bestraft werden. Satan wird bestraft werden. Der Tod wird zerstört werden.

Die Auswirkungen

Auf der Autobahn in der Nähe meines Hauses gibt es Ausfahrtsrampen mit großen roten Schildern, auf denen „Falscher Weg, Umdrehen“ steht. Sie sind mir immer als ein sehr unmittelbares, direktes Kommunikationsmittel aufgefallen. Wenn du mit 100 km pro Stunde fährst, würde dich ein Schild mit der Aufschrift „Wir bedauern, Ihnen mitteilen zu müssen, dass der gegenwärtige Weg, auf dem Sie reisen, ungeeignet ist, da die Busse regelmäßig auf derselben Straße mit 100 km in die entgegengesetzte Richtung fahren, in die Sie jetzt fahren“ wohl überfordern und käme auch zu spät.

Ich habe das Schild immer als direkt und abrupt wahrgenommen. Aber niemals als lieblos.

In dieser Haltung ruft Paulus die Athener zur Tat auf. Da Gott als Richter der Welt zurückkommt, ruft er ihnen zu: „Tut Buße!“ Das bedeutet: kehrt um. Geht in die andere Richtung. Wendet euch zu Jesus. Den Menschen, deren Leben von Götzen gelenkt wird, sagt er: „Falscher Weg, Umdrehen“.

In einer Zeit der Klimakrise sollten uns dieser Aufrufe bekannt vorkommen. Wir haben eine Zukunft, vor der wir gewarnt werden müssen. Es gibt eine schuldige Partei (nämlich wir selbst). Und wir hören regelmäßig den immer dringlicher werdenden Ruf, unser Leben zu ändern – nämlich den Ruf umzukehren, bevor es zu spät ist.

Wir fühlen uns dazu verpflichtet, dasselbe zu tun. Wenn du nicht bereit bist, Gott zu begegnen, dann wende dich um. Wende dich zu Jesus und vertraue ihm. Jesus selbst hat das gepredigt. Er predigte, so hat das jemand einmal beschrieben, wie ein Mann, der am Rande eines Vulkans entlang geht. Direkt und abrupt. Aber niemals lieblos.

Hoffnung

„Das kommende Gericht Gottes ist eine unbequeme Wahrheit. Aber sie ist, das glauben wir, auch der Schlüssel zum Sinn des Lebens.“

 

Daran kommt man nicht vorbei: Die christliche Behauptung, dass Gott eines Tages die Welt richten wird, ist anstößig. Die Tatsache, dass er jeden einzelnen von uns richten wird, ist eine persönliche Herausforderung.

Das kommende Gericht Gottes ist eine unbequeme Wahrheit. Aber sie ist, das glauben wir, auch der Schlüssel zum Sinn des Lebens. Hier ist die Alternative: Leben, für die keine letztendliche Rechenschaft geboten oder gefordert wird. Eine Welt, in der sowohl die Schreie der Unterdrückten als auch die Verbrechen der Unterdrücker ignoriert werden. Der Bogen der Geschichte deutet in Richtung Vergessen und Straffreiheit, nicht Gerechtigkeit. Ein solches Weltbild wird den "Sinnspeicher" permanent leer lassen. Wir werden der entflohene Fisch Nemo sein, umherschwimmend in einem riesigen See der Freiheit und fragend: „Was nun?“