Dürfen wir Taufe und Abend­mahl online feiern?

Artikel von Bobby Jamieson
9. April 2020 — 5 Min Lesedauer

Aktuell können sich Gemeinden in vielen Teilen der Welt nicht versammeln. Pastoren wie ich suchen deshalb auf liebevolle Weise nach Lösungen. Es gibt kein Handbuch dafür. Was können wir zur Ermutigung und Erbauung des Volkes Gottes tun, wenn die Gemeinde sich nicht physisch treffen kann?

Die meisten evangelikalen Gemeinden streamen etwas, das dem Sonntagsgottesdienst ähnelt. Man könnte danach fragen, wie weise das ist. Allerdings denke ich nicht, dass dies durch irgendeine Stelle der Schrift verboten wird. Aber was ist mit der Taufe und dem Abendmahl? Können diese zwei Elemente der versammelten Gemeinde über eine Distanz hinweg durchgeführt werden? Bei der Taufe kommt es darauf an, was man damit meint. Beim Abendmahl gibt es dazu ein klares Nein.

An dieser Stelle will ich betonen, dass ich mit diesem Artikel keinen Pastor tadeln, sondern einfach in der Schrift nach Weisung suchen möchte. Gerade wenn wir nur wenige konkrete Beispiele haben, auf die wir uns berufen können, ist es wichtig, dass wir uns vom allgenugsamen Wort Gottes leiten lassen.

Zuerst schauen wir uns die Taufe und dann das Abendmahl an.

Taufe

In Matthäus 28,19 befiehlt Jesus: „Geht nun hin und macht alle Nationen zu Jüngern, und tauft sie auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ Die grundlegende Frage hier ist ob das möglich ist ohne Kontakt von Angesicht zu Angesicht zwischen dem Täufer und dem Täufling. Das griechische Wort, das mit „taufen“ übersetzt wird, bedeutet in Wasser untertauchen. Der Sinn dieser Anordnung ist, dass der äußerliche Akt des Eintauchens in Wasser die geistliche Realität der Vereinigung mit Christus in dessen Tod, Begräbnis und Auferstehung (Röm 6,1–4) zum Ausdruck bringt. In Jesu Befehl liegt die Verantwortung zum Taufen bei dem, der Jünger macht, während die Verantwortung, getauft zu werden, bei dem liegt, der zum Jünger gemacht wurde. Derjenige, der also Jünger macht, taucht unter; derjenige, der zum Jünger gemacht wurde, wird untergetaucht.

Daher denke ich nicht, dass es hierfür eine virtuelle Lösung geben kann. Der Befehl lautet nicht „sagt ihnen, sie sollen sich selber taufen“, sondern „tauft sie“.

In diesen außergewöhnlichen Zeiten denke ich aber, dass es für eine Gemeinde zulässig ist, bei der Umsetzung flexibel zu sein. (Es lohnt sich auch darüber nachzudenken, die Taufe zu verschieben, bis die Gemeinde sich wieder treffen kann.) So ist es normalerweise angebracht, dass die Taufe in der Versammlung der gesamten Gemeinde stattfindet. Denn die Taufe ist nicht nur ein persönliches Zeugnis des Glaubens, sondern auch die Bestätigung dieses Zeugnisses durch die Gemeinde und damit die Aufnahme als Mitglied der Gemeinde (Apg 2,38–41).

Die Taufe bindet den einen an die vielen. Wenn alle „vielen“ diesen Akt bezeugen, wird dies auf wunderbare Weise unterstrichen. Wenn aber die „vielen“ daran gehindert sind, sich zu versammeln, so denke ich, dass es einem Pastor als autorisiertem Vertreter der Gemeinde zusteht, in einem weniger öffentlichen Rahmen zu taufen. Nicht zuletzt hatte die Taufe des äthiopischen Kämmerers durch Philippus nicht mehr Zeugen als auf den Wagen des Kämmerers passten (Apg 8,38). Eine Taufe in einer Badewanne mag ungewöhnlich sein, ist aber immer noch eine Taufe.

Abendmahl

Allerdings gilt das nicht für das Abendmahl, wenn die Gemeinde sich nicht versammeln kann. Denn die physische Versammlung ist für diese Anordnung nicht nebensächlich, sondern von wesentlicher Bedeutung. In 1. Korinther 11 erwähnt Paulus fünf mal, dass das Abendmahl gefeiert wird, wenn sie als ganze Gemeinde zusammenkommen. Diese Zusammenkunft geschieht als Versammlung an einem Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt (z.B. „Denn erstens höre ich, dass, wenn ihr als Gemeinde zusammenkommt, Spaltungen unter euch sind“, 1Kor 11,18; vgl. V. 17, 20, 33, 34).

Aber haben es einfach nur die Korinther so gemacht oder müssen wir es ihnen gleich tun? Ist die physische Anwesenheit der Gemeinde essenziell für diese Anordnung? Paulus würden das bejahen. Bedenke 1. Korinther 10,17: „Denn ein Brot, ein Leib sind wir, die vielen, denn wir alle nehmen teil an dem einen Brot“. Das Abendmahl verkörpert die Einheit der Gemeinde und bewirkt sie. Das Abendmahl versammelt die vielen, die gemeinsam am selben Ort an denselben Elementen teilhaben und macht sie eins. (Wenn also die Taufe den einen an die vielen bindet, so macht das Abendmahl die vielen zu eins.) Aus dem Abendmahl also etwas anderes als ein Mahl der ganzen in einem Raum versammelten Gemeinde zu machen macht es zu etwas völlig anderem. Ein virtuell übermitteltes und physisch zersplittertes Abendmahl ist also nicht suboptimal, sondern schlichtweg kein Abendmahl.

Sehnsucht nach dem Mahl im Reich des Vaters

Jedes Leiden bringt Verlust mit sich; jeder Verlust ist eine Art des Leidens. Inmitten der vielen anderen Verluste leiden Christen auf der ganzen Welt im Moment darunter, auf die wöchentliche Gemeinschaft, die von Angesicht zu Angesicht stattfindet, verzichten zu müssen. Unser Mitgefühl veranlasst uns, diesen Verlust so weit wie möglich zu lindern. Aber wir können ihn nicht verhindern. Daher sollten wir darauf achtgeben, was Gott uns durch den vorübergehenden Verlust dieser körperlichen und spürbaren Anordnung, die notwendigerweise von Angesicht zu Angesicht stattfinden muss, lehren möchte. Das bezieht sich ganz besonders auf das Abendmahl. Das Haus des Festmahls, in dem wir zusammen, in Christus, sein Mahl feiern, bleibt vorerst geschlossen. Stattdessen hat uns Gottes Vorsehung ins Trauerhaus (Pred 7,2.4) geführt. Was wirst du daraus lernen?

Das Abendmahl ist nicht nur dafür vorgesehen, unsere Herzen mit der Güte Christi zu erfüllen. Es soll auch ein Verlangen in uns erzeugen nach dem Tag, an dem wir sein Angesicht sehen werden: „Ich sage euch aber, dass ich von nun an nicht mehr von diesem Gewächs des Weinstocks trinken werde bis zu jenem Tag, da ich es neu mit euch trinken werde in dem Reich meines Vaters“ (Mt 26,29).

Lass das Fehlen des Abendmahls deinen Hunger nach jenem zukünftigen Mahl vergrößern.