Christus im Internet ehren

Ein Interview mit Tim Challies

Interview mit Tim Challies
12. Mai 2020 — 8 Min Lesedauer

Tabletalk: Wie bist du Christ geworden?

Tim Challies: Zusammen mit meinem Bruder und meinen drei Schwestern hatte ich das große Privileg, in einem christlichen Elternhaus aufzuwachsen. Meine Eltern sind beide durch die Pfingstbewegung zum Glauben gekommen und haben nach dem Abschluss des Studiums geheiratet. Ihre Hochzeitsreise verbrachten sie in der Schweiz, wo sie eine Woche in Francis Schaeffers L’Abri verbrachten. Dort lernten sie die reformierte Theologie kennen und einen christlichen Glauben, der intellektuell erfüllend war. In meinem Elternhaus wurde das Evangelium sowohl gefeiert als auch vorgelebt. Als ich 14 oder 15 Jahre alt war, hatte ich eine Glaubenskrise und fing an, mich zu fragen, ob ich wirklich Christ war oder einfach nur meinen Eltern folgte. Während dieser Zeit öffnete der Herr meine Augen und der Glauben meiner Eltern wurde mein eigener.

Tabletalk: Was hat dich dazu bewegt, mit dem Bloggen anzufangen?

Tim Challies: Der Blog ist eher zufällig entstanden. Ein paar Jahre nachdem ich geheiratet hatte und auf eigenen Beinen stand, zogen meine Eltern von Toronto in die Gegend von Atlanta und einige Jahre später weiter nach Chattanooga, Tennessee. Ich hatte zu der Zeit ein Kind und ein weiteres war auf dem Weg. Ich suchte nach einer Möglichkeit, um Bilder von meinen Kindern mit meinen Eltern und Geschwistern zu teilen, also startete ich eine kleine Webseite, wo ich diese Fotos präsentieren konnte. Ich nannte die Seite challies.com, weil ich davon ausging, dass nur Mitglieder meiner Verwandtschaft daran interessiert sein würden.

Irgendwann entschied ich mich, mit meinen Eltern einen Artikel zu teilen, den ich geschrieben hatte. Google und andere Suchmaschinen sprangen darauf an und bald lasen auch andere Menschen den Artikel. Mit der Zeit fand ich heraus, dass eine Webseite ein interessantes Medium ist, um Artikel mit anderen Christen zu teilen und mit ihnen zu interagieren. In den folgenden Monaten entfernte ich die Kinderbilder und konzentrierte mich aufs Schreiben. Im November 2003 entschied ich mich, jeden Tag einen Blogeintrag zu schreiben. Diese Gewohnheit habe ich bis heute aufrechterhalten.

Tabletalk: Wie wählst du die Themen aus, die du auf deiner täglichen Linkliste besonders hervorhebst?

Tim Challies: Ich begann vor einigen Jahren eine tägliche Zusammenstellung von Links namens „A La Carte“. Während ich eine aktive Rolle bei der Erstellung von Inhalten und deren Veröffentlichung im Internet übernommen habe, hatte ich verstanden, dass es auch einen Wert hat, bereits bestehende Inhalte zu verbreiten. Ich habe die Links immer hauptsächlich nach dem ausgewählt, was mich interessiert, und ich denke, das ist wahrscheinlich am besten so. Das heißt, dass die Menschen, die sich in irgendeiner Weise mit mir identifizieren, auch einen Bezug zu vielen der Links haben und von ihnen profitieren.

Tabletalk: Was für einen Nutzen haben Blogs für die Gemeinde?

Tim Challies: Die Gemeinde hat zurecht eine Art Hassliebe auf Blogs. Leider, wenngleich nicht überraschend, sind Blogs sowohl ein Nutzen als auch ein großer Schaden für die Gemeinde gewesen. Wenn Blogs gut sind, dann sind sie eine Quelle für die Bibelauslegung, geistlicher Ermutigung und wertvollen Informationen. Auf einer persönlichen Ebene können Blogger ein Vorbild für das christliche Leben sein und wie man gut mit anderen Vorstellungen und Weltanschauungen umgeht. Die Blogs, die ich am meisten schätze, sind diejenigen, die auf lange Sicht hin beständig, fokussiert und biblisch bleiben.

Tabletalk: Wie sollten Christen im Zeitalter des rasanten Wachstums der sozialen Medien ermutigt oder davon abgehalten werden, diese zu nutzen?

„Deshalb müssen sich Christen an diese neue Welt anpassen und es lernen, soziale Medien auf eine Weise zu gebrauchen, die Gott ehrt.“

 

Tim Challies: Die sozialen Medien gehören zum Leben des 21. Jahrhunderts dazu. Viele Christen (und auch Nichtchristen) würden sie am liebsten wieder verschwinden lassen. Das wird jedoch nicht passieren. Deshalb müssen sich Christen an diese neue Welt anpassen und es lernen, soziale Medien auf eine Weise zu gebrauchen, die Gott ehrt. Die sozialen Medien selbst sind nicht für jeden geeignet, und sicherlich ist nicht jede Form der sozialen Medien für alle geeignet.

Christliche Leiter mussten es lernen, dass sie die sozialen Medien berücksichtigen sollten, wenn sie sprachfähig bleiben wollen. Wie Albert Mohler es in seinem Buch The Conviction to Lead ausdrückt, bedeutet die Weigerung, zumindest gewisse Formen der sozialen Medien zu gebrauchen, eine ganze Generation auszuklammern und nicht wirklich zu erreichen.

Tabletalk: Wie können Christen online mit anderen auf eine Weise kommunizieren, die Gott ehrt?

Tim Challies: Ein Teil der Schönheit der Bibel besteht darin, dass ihre Weisheit zeitlos ist, dass sie über jede Zeit, jeden Kontext und jede Kultur hinausgeht. Das macht uns gewiss, dass Gott uns viel darüber zu sagen hat, wie wir uns im Bereich der Kommunikation verhalten sollen. Die ganze Weisheit, die im Buch der Sprüche, im Jakobusbrief, in den Evangelien und in den Briefen enthalten ist, ist genauso anwendbar auf Worte, die man bei Twitter eingibt oder auf Worte, die man spricht. Eines der Probleme, mit denen wir konfrontiert sind, besteht darin, dass Online-Interaktionen vermittelte Interaktionen sind und in der Vermittlung – durch den Bildschirm, der die Menschen voneinander trennt – neigen wir dazu, etwas von unserer Menschlichkeit zu verlieren. Wir tun gut daran, uns zu erinnern, dass „Pixel wirkliche Menschen sind“, was bedeutet, dass die Regeln, die die Offline-Kommunikation bestimmen, auch festlegen müssen, was wir über unsere Handys bzw. im Internet weitergeben.

„Wir tun gut daran, uns zu erinnern, dass ‚Pixel wirkliche Menschen sind‘, was bedeutet, dass die Regeln, die die Offline-Kommunikation bestimmen, auch festlegen müssen, was wir über unsere Handys bzw. im Internet weitergeben.“

 

Tabletalk: Kannst du erzählen, wie du zum Pastorendienst berufen wurdest?

Tim Challies: Ähnlich wie beim Bloggen hatte ich eigentlich nicht geplant, Pastor zu werden. Ein Freund von mir hat kürzlich alte Emails durchgesehen, um herauszufinden, wann wir einander zum ersten Mal geschrieben hatten. Das war zu der Zeit, als ich ihm erklärte, dass ich keine Berufung zum christlichen Dienst verspürte und kein Verlangen hatte, ein Pastor zu werden. Und doch bin ich heute einer der Pastoren der Grace Fellowship Church in Toronto.

Mein Weg zum Pastorenamt begann, als ich anfing, gerade diese Gemeinde zu besuchen. Ich hatte zuvor eine lokale Südbaptistengemeinde besucht, die voll auf die Gemeindewachstumswelle aufgesprungen war. Ich suchte nach einer Gemeinde, in der das Evangelium im Zentrum stand und die Theologie reformiert war. Grace Fellowship war so eine Gemeinde. Nachdem ich ein paar Jahre Mitglied war, kamen die Ältesten auf mich zu und fragten mich, ob ich Ältester werden wolle. Nach einer Zeit der Prüfung bestätigte mich die Gemeinde als einer ihrer Ältesten. Nicht lange danach gründete unser Assistenzpastor eine Gemeinde und hinterließ eine Stelle, um deren Besetzung ich gebeten wurde. Und so war ich plötzlich im vollzeitigen Pastorendienst. Im Laufe meines Dienstes hat mir der Herr immer mehr Leidenschaft dafür gegeben.

Tabletalk: Was sind neben der Bibel die fünf einflussreichsten Bücher in deinem Leben und warum?

Tim Challies: Obwohl ich in der reformierten Tradition aufgewachsen bin, wurde ich Teil des evangelikalen Mainstreams, nur kurz nachdem ich geheiratet und das Haus meiner Eltern verlassen hatte. Es gibt verschiedene Bücher, die wichtig dabei waren, mir zu zeigen, dass gesunde Lehre wirklich wichtig ist, und die meine Liebe für die reformierte Theologie neu anfachten. John MacArthurs Ashamed of the Gospel deckte auf, dass die Gemeinde, die ich besuchte, von Pragmatismus statt von der Heiligen Schrift angetrieben wurde; James Montgomery Boices Whatever Happened to the Gospel of Grace? zeigte mir die Schönheit der gesunden Lehre, während R.C. Sprouls The Holiness of God meine Augen für das einzigartige Wunder und die Majestät Gottes öffneten. Diese drei Bücher spielten eine zentrale Rolle in meinem Leben; sie waren genau die Bücher, die ich in dieser Zeit meines Lebens brauchte und ich erachte es als Güte des Herrn, dass er mich zu allen drei führte.

Seitdem ist John Owens Overcoming Sin and Temptation ein Buch, zu dem ich immer wieder zurückkehre, so oft ich mit der Sünde ringe, während Jerry Bridgeses The Discipline of Grace mir deutlich gemacht hat, sich selbst ständig das Evangelium zu predigen und dadurch sicherzustellen, dass das Evangelium wirklich wesentlich für meinen Glauben und mein Handeln ist, und nicht nur der äußerliche Anstrich.

Tabletalk: Wie sieht die Zukunft von Challies.com aus?

Tim Challies: Um ehrlich zu sein, weiß ich das nicht. Wenn ich auf mein Leben zurückblicke und sehe, wie es sich auf unerwartete Weise entwickelt hat – ein Blog, den ich gar nicht starten wollte und eine Berufung, zu der ich mich nicht berufen gefühlt habe – bin ich zögerlich, wenn es zu langfristigen Plänen und Prognosen kommt.

Trotzdem muss ich sagen, dass die meisten Menschen, die meinen Blog lesen, von den Buchbesprechungen und von meinen Gedanken über aktuelle Themen profitieren. Unabhängig davon, was die Zukunft bringt, hoffe ich, dass diese beiden Elemente zentral bleiben werden. Ich habe die Webseite immer als einen Ort erachtet, an dem ich einfach laut und öffentlich über Themen nachdenken kann, die mich und andere Christen bewegen. Wenn das meine Nische in der Bloglandschaft ist und wenn das der Weg ist, wie ich der Gemeinde dienen kann, dann mache ich gern weiter.

Tim Challies ist Pastor, bekannter Redner, Autor zahlreicher Artikel und Pionier unter christlichen Bloggern. Challies.com ist eines der meistgelesenen christlichen Blogs auf der Welt. Tim ist Autor mehrerer Bücher, darunter Visual Theology, The Next Story und Epic: An Around-the-World Journey through Christian History. Er und seine Familie leben in der Nähe von Toronto, Ontario (Kanada).