Gottes Gegenwart im Beruf erleben

Fünf Gewohnheiten, sich Gottes Gegenwart am Arbeitsplatz zu vergegenwärtigen

Artikel von Justin Whitmel Earley
24. Mai 2020 — 10 Min Lesedauer

Ich glaube, mir gute Gewohnheiten rund um das Morgengebet gebildet zu haben. Aber es fühlt sich oft so an, als wenn ich in eine andere Welt wechsle, wenn ich zur Arbeit gehe. Ich lasse mich so schnell durch die Sorge um Deadlines, dringende E-Mails und Erwartungsdruck mitreißen. Ich möchte nicht vergessen, dass ich all das mit und für Gott tue. Gibt es irgendwelche Gewohnheiten, die mir helfen können, mich während des Arbeitstages an Gott zu erinnern, ihn zu loben und zu lieben?


Ich habe eine lebhafte Kindheitserinnerung an meinen Vater und Onkel, die auf dem Boden der Garage liegen und an einem Motorrad schrauben. Ich weiß noch, wie ich mich danach sehnte, um Hilfe gebeten und in ihre Arbeit eingebunden zu werden. Schließlich sah mein Vater irgendwann auf und fragte: „Hey, kannst du mir diesen Schraubenschlüssel geben?“ Voller Stolz lief ich zur Werkzeugkiste, packte den Schraubenschlüssel und rannte wieder zurück.

Ich habe diesen Moment immer geliebt. Er erinnert mich daran, dass es im biblischen Verständnis von Berufung zentral nicht darum geht, woran man arbeitet, sondern mit wem man arbeitet.

„Im biblischen Verständnis von Berufung geht es zentral nicht darum, woran man arbeitet, sondern mit wem man arbeitet.“

 

Als ehemaliger Missionar und jetzt als Wirtschaftsanwalt bin ich immer durch den kulturellen Auftrag zur Arbeit motiviert worden (1Mo 1,28). Aber es brauchte eine Angstattacke, um anzufangen zu verstehen, dass es nicht reicht, zu wissen, dass Gott mich in meinen Beruf ruft. Es braucht auch Gewohnheiten, die bekräftigen, dass ich in diesem Beruf an seiner Seite arbeite. Er schickt mich nicht alleine in die Garage, um an dem Motorrad herumzubasteln, sondern liegt in gewisser Weise mit mir auf dem Boden der Garage und lädt mich ein, mich seiner Arbeit anzuschließen.

Hier sind meine fünf wichtigsten Gewohnheiten, um die Gegenwart Gottes in einem geschäftigen, von Technologie bestimmten Büro zu finden.

1. Mittagsgebet im Knien

Das Gebet ist eines der besten Dinge für deine Arbeit. Ich empfehle, dabei zu knien. Die Aufmerksamkeit unseres Körpers zu fordern ist der beste Weg, um unseren Geist auszurichten. (Wenn du an einem öffentlichen Ort arbeitest, wo es eher ablenkend als hilfreich ist, zu knien, kannst du deine Handflächen nach oben drehen oder irgendetwas anderes mit dem Körper tun, um den Moment zu markieren und mit deinem Herrn und Mitarbeiter, Jesus Christus, zu sprechen).

Selbst wenn ich nach einer guten Morgenroutine, die eine Stille Zeit beinhaltet, zur Arbeit gehe, dauert es keine zwei Sekunden, bis eine E-Mail, die mich erinnert, dass ich etwas für einen Klienten vergessen habe, mir die Kontrolle raubt. Ja, ich bin anfällig. Höchstwahrscheinlich geht es dir auch so. Wir sind erlöste Sünder – unsere alte und neue Identität stürzen sich in einem permanenten Ringkampf aufeinander. Unser Arbeitsplatz gleicht oft einer Ringermatte.

Unsere Arbeit ist ein identitätsstiftender Bereich unseres Lebens, in welchem eine verpasste Deadline, ein schlecht geführtes Meeting oder eine falsch gesendete E-Mail schnell zu einer Existenzkrise führt. Bin ich gut genug? Bin ich mein Geld wert? Wenn es Momente gibt, die ein Gebet erfordern, so sind es diese.

Mittags zu pausieren, um kniend zu beten, dient als Moment der Entspannung im Alltag. Es hilft, das Lied des Selbstzweifels und der Selbstzentriertheit zu stoppen und erinnert uns daran, wer wir sind als auch wem wir gehören. Wir sind innig geliebte Kinder des Königs. Ein Mittagsgebet erinnert uns daran, dass wir nicht arbeiten, um zu beweisen wer wir sind, sondern auf Grundlage dessen, wer wir sind.

Ich schreibe in meinem Buch The Common Rule ausführlich über das tägliche Gebet im Knien. Ich bekomme von verschiedenen Leuten oft die Rückmeldung, dass diese Gewohnheit ihre Arbeitsweise verändert hat. Richte dir einen Wecker oder eine Erinnerung für die ersten Wochen ein, bis es zur Gewohnheit wird.

2. Vermeide Ablenkungen

Es ist grundlegend wichtig, dass die heutige Gemeinde unser Zeitalter der Ablenkung tatsächlich als geistliche Bedrohung erkennt. Wir müssen keine Angst davor haben, aber wir müssen wissen, womit wir es zu tun haben.

Natürlich, technologische Ablenkung ist stellt eine Gefahr dar, da es das Ziel, hervorragende Arbeit für Gott zu leisten (Kol 3,23–24) behindert. Das sollte als Argument genügen, da uns befohlen ist, so zu arbeiten, dass es andere dazu bringt, Gott zu verherrlichen (Mt 5,16). Aber es gibt noch einen anderen Grund. Ablenkung gefährdet einen anderen Hauptzweck unserer Arbeit, nämlich Gott und unseren Nächsten durch unsere Arbeit zu lieben.

„Ablenkungen lassen uns nicht mehr aus Liebe arbeiten, sondern empfindungslos, abwesend und verärgert.“

 

Ablenkungen lassen uns nicht mehr aus Liebe arbeiten, sondern empfindungslos, abwesend und verärgert. Dein Smartphone, deine E-Mails, die Chats und eingeschaltete Push-Benachrichtigungen reduzieren nicht nur deine Produktivität, sondern sie reduzieren deine Fähigkeit zu uneingeschränkter Aufmerksamkeit und Gegenwärtigkeit. Man kann einen Menschen nicht ohne uneingeschränkte Aufmerksamkeit und Gegenwärtigkeit vollkommen lieben. Warum also bilden wir uns ein, Gott und den Nächsten ohne uneingeschränkte Aufmerksamkeit und Gegenwärtigkeit bei der Arbeit lieben zu können? Es ist ohnehin schon schwer genug zu verstehen, was Windeln wechseln, Arbeitsblätter entwerfen oder der Verkauf eines Produkt mit Nächstenliebe zu tun hat. Aber es ist nahezu unmöglich, wenn wir durch die Ablenkung empfindungslos durch den Arbeitstag gehen.

Gewohnheiten können helfen. Ich empfehle, das Handy während der Arbeit in einem anderen Raum zu lassen. Wenn du es für die Arbeit brauchst, kannst du die Einstellungen so ändern, dass die vorliegende Aufgabe Priorität bekommt und du vor Ablenkungen geschützt bist. Jeder wird das auf seine spezifische Tätigkeit abstimmen müssen, aber niemand sollte es ignorieren. Es ist einer der wichtigsten Wege, um Raum für die Gegenwart Gottes bei der Arbeit zu machen.

3. Schau Menschen in die Augen

Keine Angst, ich rate dir nicht, jeden Mitarbeiter anzustarren bis er deine Absichten hinterfragt. Aber die Augen eines Menschen sind sehr wichtig. Aufrichtiger Blickkontakt ist normalerweise das einfachste, um dir bewusst zu machen, dass dein Gegenüber ein reales, lebendiges Ebenbild des dreieinigen Gottes ist. Am anderen Ende jeder Telefonkonferenz, jeder Massen-E-Mail, jeder Leistungsbewertung oder Verkaufspräsentation steckt ein Mensch mit einer Geschichte, die emotionaler, komplizierter, schrecklicher und schöner ist, als du dir vorstellen kannst. Jeder ist jemandes Tochter, Vater, Bruder oder Geliebter – und das Versagen, einen Kollegen oder Abnehmer mit Würde und Respekt zu behandeln, beginnt mit einem Versagen in dieser Sache, wodurch das Gegenüber zu etwas Geringerem als einem Mensch wird. Es wird zu einem Klick, einem Erfolg, einer Verkaufsprovision, einer Ressource oder einem Leibeigenen, den du verwalten musst.

„Blickkontakt herzustellen ist eine kleine Angewohnheit, die es erleichtert, in jeder Person die man trifft, ein Ebenbild Gottes zu sehen und sie so zu behandeln.“

 

Sich dessen bewusst zu sein, dass Christus bei der Arbeit mit uns ist, bedeutet, dass wir mit ihm auf unsere Mitarbeiter schauen und sie durch seine Augen sehen. Dies verändert unsere Arbeitskultur, unsere Verkaufsethik, die Ergebnisse des Personalmanagements usw. radikal. Blickkontakt herzustellen ist eine kleine Angewohnheit, die es erleichtert, in jeder Person die man trifft, ein Ebenbild Gottes zu sehen und sie so zu behandeln.

4. Nutze die Macht deiner Worte

Worte haben Macht. Sogar göttliche Macht. Denk daran, dass Gott die Welt mit Worten gemacht hat. Und dass er sie durch das Fleisch gewordene Wort rettet.

Du musst kein Schriftsteller sein, um deine Worte als Teil deiner Berufung zu sehen. Gute Meetings kommen durch den Weitblick in den Worten eines Leiters zustande; sinnvolle Personalgespräche finden dann statt, wenn ein Abteilungsleiter gründlich nachgedacht hat, welche Worte er nutzen will, um der Person zu helfen. Eine E-Mail, die mit Bedacht geschrieben ist, macht den Unterschied zwischen Büroklatsch und Konfliktlösung aus. Jeder Beruf bietet Möglichkeiten, Worten Bedeutung zu geben. Und Nachfolger Jesu sollten besonders auf die Macht von Worten, Leben zu schaffen oder zu zerstören, bedacht sein.

Stell dir einmal folgendes kurz vor: An deinem Arbeitsplatz kommen wir verlorenen und verwirrten Menschen zusammen, um zu versuchen, zu beweisen, dass wir etwas wert sind. Jede Person, der du begegnest, kämpft einen geistlichen Kampf und hört die gleichen Stimmen wie du: Du bist wertlos. Du kriegst nicht mal das hin? Es ist ein Wunder, dass du hier noch arbeiten darfst.

Deine Worte der Ermutigung oder auch behutsamen Kritik können manchmal ein liebevoller Akt im Kampf gegen den Feind sein, der jeden an deinem Arbeitsplatz in die Irre führen möchte, dass er es nicht wert ist geliebt zu werden.

Ob du das einem Mitarbeiter das Evangelium weitersagst, deine beißende Kritik zurückhältst bis du wieder etwas abgekühlt bist oder ohne Aufforderung ein aufrichtiges Kompliments in einer angespannten Situation gibst – tue mit deinen Worten etwas Gutes am Arbeitsplatz. Um das zu einer Gewohnheit zu machen, solltest du versuchen, absichtlich einen tiefen, langen Atemzug zu holen, bevor du in einem wichtigen Moment etwas sagst. Dadurch kannst du dich darauf besinnen, dass du gleich etwas machtvolles nutzen wirst.

5. Lass den Ruhetag dein Arbeitstempo bestimmen

Ein Leben mit einer Grundgeschwindigkeit von hektischer Dringlichkeit ist grundsätzlich unvereinbar mit dem Gebot, „still zu sein und zu erkennen, dass ich Gott bin“ (Ps 46,10). Zur Erinnerung: Ich bin Anwalt, dessen Klienten ihre Geschäfte gestern abgeschlossen haben wollen. Sie werden verklagt und brauchen so schnell wie möglich eine Antwort von mir. Ich bin bestens vertraut mit der Arbeitswelt der Rund-um-die-Uhr-Notfälle. Aber auch ein Herzchirurg ist nicht immer auf Abruf verfügbar.

Der Unternehmer, der seine Firma so strukturiert, dass keine einzige Entscheidung ohne Rücksprache mit ihm getroffen werden kann, das Elternteil, das für den Haushalt zuständig ist und sich weigert, jemals einen Babysitter zu finden, oder der Anwalt, der sein Telefon nicht abschalten kann, haben alle das gleiche geistliche Problem: Sie tun so, als würde sich die Welt nicht mehr drehen können, wenn sie aufhören zu arbeiteten.

„Unsere Rettung beeinflusst alles, auch unsere Arbeit. Wir müssen uns nicht rund um die Uhr und an jedem Wochenende abrackern, als ob wir die Welt erhalten.“

 

Es gibt nur eine einzige Person, die alle Dinge erhält, und das ist Jesus. Wir können ausruhen wegen des Werks, das er vollbracht hat. Das ist das Grundprinzip unserer Rettung: wir werden nicht durch das gerettet, was wir tun, sondern durch das, was Jesus für uns getan hat. Das Werk seines Todes und der Auferstehung bedeutet, dass wir in dem ruhen können, was er an unserer Stelle getan hat.

Unsere Rettung beeinflusst alles, auch unsere Arbeit. Wir müssen uns nicht rund um die Uhr und an jedem Wochenende abrackern, als ob wir die Welt erhalten. Stattdessen sollten wir die Realität, dass wir nicht entscheidend sind, durch einen wöchentlichen Ruhetag verstärken. Wenn wir den Ruhetag feiern, rücken wir uns selbst aus dem Mittelpunkt und stellen Gott ins Zentrum. Er erinnert uns daran, dass es seine Arbeit ist, nicht unsere, und dass wir uns vielmehr durch regelmäßige Ruhetage, nicht durch pausenlose Erschöpfung, daran beteiligen.

Gott ist mit dir bei der Arbeit

Letzten Monat habe ich ein neues Regal aufgebaut und bat meinen 5-jährigen Sohn Asher, für jede Schraube den Abzug am Bohrer zu betätigen. Ihr hättet sein Gesicht sehen sollen. Ich glaube das war das beste Erlebnis des Jahres für ihn (obwohl ich viermal länger brauchte, als wenn ich es allein getan hätte!). Aber ich habe ihn nicht gebeten, mit mir zu arbeiten, weil ich die Hilfe brauchte, sondern weil ich ihn liebe.

Ebenso haben wir alle die grundlegende Sehnsucht, mit jemandem zusammenzuarbeiten, der größer ist als wir und der uns genug liebt, um uns zum Helfen einzuladen. Das ist das Schöne an der Arbeit: Gott ist mit uns. Keine dieser Gewohnheiten ändert die Realität; es sind lediglich ein paar Ansätze, sich der Realität zu nähern, die uns großzügig und gnädig gegeben wurde – Gott ist mit dir bei der Arbeit.