Ihr werdet meine Zeugen sein
Vor seiner Himmelfahrt wandte sich Jesus ein letztes Mal seinen Jüngern zu (Apg 1,4–8). Er war ihnen nach seiner Auferstehung mehrfach erschienen und sagte nun, dass sie nach Jerusalem zurückkehren und dort warten sollten, bis sie mit Heiligem Geist getauft sind.
Die Jünger waren irritiert, denn sie hatten noch nicht verstanden, welches Ziel die Mission Jesu wirklich hatte. Daher fragten sie: „Herr, stellst du in dieser Zeit für Israel die Königsherrschaft wieder her?“ (Apg 1,6). Sie glaubten immer noch, dass Jesus gekommen war, um das nationale Königreich Israel wiederherzustellen. Sie hatten ihre Nation im Blick, aber erkannten nicht, dass das Reich Gottes für Menschen aus allen Völkern und größer als das Land Israel ist.
Ein schlichter Auftrag
Die Jünger brauchten Zeit, um das zu verstehen. Unser Herr war geduldig mit ihnen. Immer wieder erklärte er ihnen die Prinzipien des Reiches Gottes. Und hier nun antwortete er: „Es ist nicht eure Sache, die Zeiten oder Zeitpunkte zu kennen, die der Vater in seiner eigenen Vollmacht festgesetzt hat“ (Apg 1,7). So sehr sich die Jünger Antworten auf ihre Fragen wünschten: Jesus holte sie auf den Boden der gesunden Tatsachen zurück.
Die Jünger beschäftigte die Frage nach dem „Wann“. Dies ist bis heute eine weitverbreitete Frage. Immer wieder stehen selbsternannte Propheten auf und behaupten zu wissen, wann Jesus wiederkommt. Über Jahre und Jahrzehnte wurden viele Bücher darüber geschrieben, doch heute sind sie wie Zeitungen von gestern – nicht mehr aktuell, längst überholt. Sie haben sich sogar als falsch erwiesen.
Doch Jesus sagt hier, dass es Dinge gibt, die uns nichts angehen. Vergessen wir nicht, was er selbst im Markusevangelium sagt:
„Um jenen Tag aber und die Stunde weiß niemand, auch die Engel im Himmel nicht, auch nicht der Sohn, sondern nur der Vater.“ (Mk 13,32)
Wir Christen neigen dazu, uns mehr für spekulative Zukunftsfragen zu interessieren als für den schlichten Auftrag, den Jesus uns gegeben hat. Er hat uns nicht berufen, Endzeitforscher oder Eschatologie-Experten zu werden, sondern Zeugnis abzulegen von dem, was er im Evangelium für uns getan hat. Nur dadurch können wir fruchtbar sein und Seelen gewinnen. Jesus fordert auf, den Spekulationen ein Ende zu machen, denn er sagt weiter: „Sondern ihr werdet Kraft empfangen, wenn der Heilige Geist auf euch gekommen ist, und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samaria und bis an das Ende der Erde!“ (Apg 1,8). Wir sehen hier die Aufgabe, die Kraft und den Umfang der Mission Gottes.
Die Aufgabe
Zunächst macht Jesus die Aufgabe deutlich: Wir sollen Zeugen sein. An dem großen Missionsplan Gottes, der alle Völker und Nationen im Blick hat, dürfen wir beteiligt sein. Obwohl dieser Plan Gottes letztlich nicht von Personen abhängig ist, ruft Jesus uns doch zum Mitwirken auf. Wir sollen nicht nur Zuschauer am Rand, sondern Teil der Mission sein. Deswegen sagt Jesus: „Ihr werdet meine Zeugen sein.“
„Wir Christen neigen dazu, uns mehr für spekulative Zukunftsfragen zu interessieren als für den schlichten Auftrag, den Jesus uns gegeben hat. Er hat uns nicht berufen, Endzeitforscher oder Eschatologie-Experten zu werden, sondern Zeugnis abzulegen von dem, was er im Evangelium für uns getan hat.“
An dieser Stelle werden manche Christen nervös. Sie sagen: „Wie, was, ich? Ich kann das nicht. Das ist nicht meine Gabe. Bitte fordere mich nicht auf, jemanden von Jesus zu erzählen.“ Wir denken, uns fehlt alles Mögliche, um diese Mission zu erfüllen. Es fehlen Kurse, Bücher, Schulungen und Zertifikate. Weil wir all das nicht haben, sagen wir: „Es tut mir leid, ich kann das nicht.“
Dabei übersehen wir, was Jesus sagt: „Ihr werdet meine Zeugen sein.“ Er hat nicht gesagt: „Ihr werdet immer die passenden Worte haben“ oder „Ihr werdet Experten sein“ oder „Ihr werdet schlauer sein als die Person, mit der ihr sprecht“. Nein, er sagt einfach nur: „Ihr werdet meine Zeugen sein.“ Ein Zeuge ist jemand, der etwas gesehen, gehört und erlebt hat und darüber dann ein Zeugnis ablegt. Ein Zeuge Jesu Christi zu sein, bedeutet schlichtweg, zu erzählen, was Gott an dir getan hat. Es bedeutet, einen Bericht davon abzugeben, wie das Leben Jesu, sein Tod und seine Auferstehung, dich verändert haben.
In Johannes 9 wird von einem Blindgeborenen berichtet, den Jesus am Sabbat heilte. Die religiösen Führer übten daraufhin Druck auf den Geheilten aus. Sie gingen auf den Mann zu und nahmen ihn ins Verhör: „Warum hat er das getan? Wie hat er das getan? Wann hat er das getan? Wer ist es, der es getan hat?“ Doch der Mann antwortete schlicht: „Eins weiß ich: dass ich blind war und jetzt sehend bin!“ (Joh 9,25). Das war seine Antwort. Ganz einfach! Er war ein Zeuge Jesu und berichtete, was der Sohn Gottes in seinem Leben getan hat.
Genau das ist auch unser Auftrag. Wir verkomplizieren die Dinge häufig und machen es uns so schwer. Am Ende meinen wir, wir seien vom Zeugendienst disqualifiziert und das nur, weil wir die Latte zu hoch gehängt haben. Wozu wir jedoch gerufen sind, ist ganz einfach dies: zu erzählen, wie wir einst ohne Gott waren und wie er uns verändert hat.
Ein Zeuge weiß, wovon er spricht
Jesus sagt: „Ihr sollt meine Zeugen sein.“ Wir sollen uns also nicht wie Zeugen verhalten, sondern Zeugen sein. Ein Zeuge weiß, wovon er spricht. Manche Menschen reden viel über Gott, aber Genaues und Konkretes können sie nicht sagen. Sie haben das Evangelium an sich selbst gar nicht wirken sehen.
Ich kann mich nicht mehr an vieles aus meiner Grundschulzeit erinnern. Aber eines weiß ich noch sehr genau: Eines Tages kam ein Verkehrspolizist in unsere Klasse, der uns die Straßenverkehrsregeln beibrachte. Er erklärte uns, wie wir die Straße zu überqueren haben, nämlich auf dem kürzesten Weg. Und dann sprach er davon, was einen echten Zeugen eines Verkehrsunfalls ausmacht. Es sind nicht die, die es nur knallen hören, dann hinschauen und sich später als die ausgeben, die den Hergang des Unfalls kennen. Der Polizist nannte solche Menschen Knallzeugen. Echte Zeugen hingegen sind die, die gesehen, gehört und erlebt haben, was bei dem Unfall geschehen ist. Den Knall haben viele gehört, aber nicht alle können sagen, wie es zu dem Knall kam. Bist du ein „Knallzeuge“ oder hast du persönlich die verändernde Kraft Gottes in deinem Leben erfahren?
Jesus sagt, dass wir Teil des Missionsplans Gottes sind. Du bist ein Zeuge – nicht, weil du etwas über Jesus ahnst oder über Dritte von ihm gehört hast, sondern weil du selbst erlebt hast, wie Gott dein Leben verändert hat. Die Apostel hatten das bis dahin noch nicht verstanden. Sie fragten: „Wann wirst du das Königreich wiederherstellen?“ Sie hielten nach Sicherheit, einem geografischen Königreich und vielleicht auch einem guten Posten Ausschau. Aber Jesus sagte ihnen: „Nein, darum geht es nicht. Mein Königreich wird sich durch einfache Menschen verbreiten – nicht durch Menschen, die besondere Autorität haben, sondern durch solche, die Geschichten darüber erzählen können, was ich an ihnen getan habe. Es sind Menschen, die etwas gesehen und gehört und vor allem erlebt haben und die nun bereit sind, ihren Mund zu öffnen und davon zu erzählen.“
Du denkst: Das ist zu einfach, das ist zu schlicht. Doch genau das ist der Plan Gottes. Er baut sein Reich durch Zeugen seiner Kraft. Möchtest du dich heute nicht ganz neu diesem Zeugnisdienst weihen?
Die Kraft
Wo kommt die Kraft her, um den gewaltigen Missionsplan Gottes mit wenigen und noch dazu sehr einfachen Jüngern umzusetzen? Aus eigener Kraft konnte diese Gruppe schwacher Männer unmöglich die ganze Welt mit dem Evangelium erreichen. Sie brauchten Hilfe von außen. Tatsächlich ist die Kraft zur Mission nicht in ihnen zu finden, sondern Jesus sagt, sie werden sie empfangen! Gott ist es, der sie und auch uns mit der Kraft des Heiligen Geistes versorgt! Denn Jesus sagt
„Aber ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird, und werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an das Ende der Erde.“ (Apg 1,8)
Diese Kraftausrüstung hat einen spezifischen Zweck, denn „Ihr werdet Kraft empfangen ... und ihr werdet meine Zeugen sein“. Die Kraft ist also für das Zeugnis da. Sie kommt auf die Jünger, um sie zum Zeugendienst zu befähigen.
„Der Heilige Geist ist also nicht eine Kraft, die uns allein für unseren persönlichen Vorteil gegeben ist. Er ist nicht Kraft, damit wir begeistert sind, dass wir Kraft haben.“
In der Apostelgeschichte begegnen uns viele Zeichen und Wunder, doch sollten wir bei aller Begeisterung nicht den wesentlichen Zweck der Ausgießung des Heiligen Geistes vergessen: Er kam, um uns Kraft zu geben, Zeugen für Jesus Christus zu sein. Die Kraft ist da, damit wir freudig erzählen und mutig proklamieren, wer Jesus ist und was er für uns getan hat. Der Heilige Geist ist also nicht eine Kraft, die uns allein für unseren persönlichen Vorteil gegeben ist. Er ist nicht Kraft, damit wir begeistert sind, dass wir Kraft haben. Nein, er ist Kraft, damit wir von der rettenden Macht des Evangeliums mit Kühnheit Zeugnis ablegen können.
Brauchst du diese Kraft und neuen Mut, um deinem Nachbarn, vor dem du dich heute noch fürchtest, das Evangelium zu sagen? Vergessen wir nicht: Die Kraft kommt nicht zu den Jüngern oder zu uns, weil wir so beeindruckend sind. Sie kommt nicht zu uns, weil wir stark und intelligent sind. Gottes Plan der Weltmission wird nicht wegen der Jünger, sondern trotz der Jünger erfüllt. Sie waren ein elender Haufen voller Furcht und Schwäche. Und genauso fühlen wir uns doch oft auch. Daher bekennen wir, das auch wir diese Kraft des Heiligen Geistes so sehr nötig haben.
Die Jünger waren gehorsam. Sie taten, was Jesus ihnen als Letztes mit auf den Weg gab. Sie gingen zurück nach Jerusalem. Dort angekommen sagten sie nicht: „Wir brauchen jetzt dringend eine Strategie und einen ausgeklügelten Plan, um die Mission voranzutreiben.“ Nein, sie gingen zurück und gaben sich dem Gebet hin (Apg 1,14). Das Gebet ist die Haltung, mit der wir anerkennen, dass wir die Kraft Gottes nötig haben. Im Gebet bejahen wir, dass wir nur dann Zeugen Jesu Christi sein können, wenn er uns hilft. Daher lasst uns um die Kraft des Heiligen Geistes bitten, damit die Welt durch schwache Menschen wie uns das Evangelium Jesu Christi hört und gerettet wird.
Der Umfang
Zuletzt stellt Jesus seinen erstaunten Jüngern auch noch den Umfang des großen Missionsplanes vor. Er nimmt sie beiseite und sagt: „Schaut, das ist der Plan. Und so wird er durchgeführt werden. Ich werde für die Kraft sorgen.“ Dann zieht er eine Landkarte heraus und erklärt ihnen, wohin sie gehen sollen. „Ihr werdet meine Zeugen sein: in Jerusalem, in Judäa, in Samaria und bis an das Ende der Erde.“ Jerusalem klang noch machbar, Judäa schon schwieriger. Aber Samaria war vermutlich gar nicht auf der Agenda der Jünger. Und spätestens als Jesus das Ende der Erde erwähnte, dämmerte es den Zwölfen. Dies war in der Tat ein gewaltiger Plan.
In der Apostelgeschichte sehen wir dann, wie dieses großartige Projekt Gottes umgesetzt wird. Erst kam Jerusalem, dann Judäa, dann Samaria und schließlich Rom, das Ende der Erde. Was heißt das für uns? Auch wir sollen verstehen, dass die Landkarte von Gottes rettendem Plan die ganze Welt beinhaltet.
Einige Christen haben Karten, bei denen Teile herausgeschnitten sind. Manch einer hat eine Karte, die zerrissen ist. Einige Christen schneiden ihre Heimatstadt heraus. Sie sind nur um andere Orte auf der Welt bemüht. Für sie ist es sehr reizvoll, darüber nachzudenken, wie das Evangelium irgendwo in anderen Nationen verkündigt wird. Alles, womit sie sich beschäftigen, ist die Welt, und dabei vernachlässigen sie einen treuen Dienst in ihrer Ortsgemeinde. Sie vernachlässigen es, ein Zeuge in ihrer Nachbarschaft und auf der Arbeit zu sein. Sie meinen, es sei einzig und allein spannend, woanders hinzugehen, um dort ein Zeuge Jesu zu sein. Doch Gottes rettender Plan beginnt genau dort, wo wir sind, denn was hat Jesus zu den Jüngern gesagt? „Mein Plan beginnt in Jerusalem. Es beginnt durch euer Zeugnis als Gemeinschaft in eurer Heimat.“
Andere Christen haben Karten, die nur ihre Stadt zeigen. Für sie ist ihre Heimat nicht nur ihr liebster Ort, sondern auch der einzige Ort auf Erden. Aber Gottes rettender Plan beginnt nicht nur, wo wir sind, sondern er breitet sich weltweit aus. Auch wenn wir nicht persönlich berufen sind, in ein anderes Land zu gehen oder woanders hinzureisen, geht doch Gottes Absicht weit über die Grenzen Jerusalems hinaus. Daher sollten auch wir die weltweite Mission auf dem Herzen tragen, für sie beten und ein Verlangen spüren, dass Gottes globaler Plan in Erfüllung geht.