Ist es gerecht, dass in Adam alle sterben?

Artikel von R.C. Sproul
23. Juni 2020 — 3 Min Lesedauer

Ich glaube, dass das Neue Testament in der Tat lehrt, dass die ganze Welt mit den Folgen einer gefallenen Natur geboren wird, weil Adam und Eva gesündigt haben. Das Neue Testament wiederholt diesen Gedanken oft – „dass durch den Ungehorsam des Einen der Tod in die Welt kam“. Das ist Anlass zu großem theologischen Protest geworden. Was für ein Gott würde alle Menschen für die Sünde eines Einzelnen bestrafen? Es scheint sogar der Lehre des Propheten Hesekiel zu widersprechen. Dieser tadelte das Volk Israels für ihre Schlussfolgerung, die von den Vätern gegessenen sauren Trauben wären für die schlechten Zähne der Kinder ursächlich. Der Prophet erläuterte, dass Gott jeden Menschen nach seiner eigenen Sünde behandelt. Er bestraft mich nicht für das, was mein Vater getan hat, noch meinen Sohn für das, was ich getan habe, auch wenn die Konsequenzen sich über drei oder vier Generationen hinstrecken mögen. Dass die Schuld nicht von einem Menschen auf den anderen übertragen wird, scheint die Botschaft von Hesekiel zu sein.

Das macht die Frage noch verwirrender. Wir mögen protestieren und sagen: „Keine Verdammnis ohne eigene Sünde“. Wir wollen nicht gern zur Rechenschaft gezogen werden für etwas, dass jemand anderes verbrochen hat. Allerdings gibt es in unserem Rechtssystem durchaus den Fall, dass jemand als (mit-)schuldig gilt, selbst wenn er nicht der Handelnde ist.

Ich könnte dich zum Beispiel beauftragen, jemanden zu töten. Auch wenn ich weit vom Tatort entfernt bin und nicht den Abzug drücke, kann man mich wegen vorsätzlichen Mordes vor Gericht stellen. Alles, was du getan hast, war, meinen Wunsch zu erfüllen. Auch wenn ich nicht den Abzug gedrückt habe, bin ich trotzdem schuldig.

Man könnte sagen, dass das kein guter Vergleich ist, weil beim Sündenfall ja niemand Adam angeheuert hat, in seinem Namen gegen Gott zu sündigen. Natürlich haben wir das nicht. Er wurde als Stellvertreter der ganzen Menschheit eingesetzt. Uns fällt das schwer zu akzeptieren, weil wir nicht gern zur Rechenschaft gezogen werden für einen Stellvertreter, den wir uns nicht selbst ausgesucht haben. Ich habe nicht dafür gestimmt, dass Adam mich vertritt. Das ist einer der Gründe, warum wir gern das Recht haben, unsere Vertreter in der Regierung selbst zu bestimmen: Die Handlungen, die sie in der Politik unternehmen, haben enorme Konsequenzen für unser Leben. Wir können nicht alle in Berlin sein und Politik machen. Wir wollen unsere Repräsentanten in der Hoffnung wählen, dass sie unsere Wünsche und unseren Willen angemessen vertreten.

Es gab keine Zeit in der Menschheitsgeschichte, als du besser vertreten wurdest als im Garten Eden, weil dein Vertreter unfehlbar von einem vollkommen heiligen, gerechten und allwissenden Gott bestimmt wurde. Ich kann also nicht sagen, dass ich anders gehandelt hätte als Adam.

„Unsere ganze Erlösung ruht auf dem Prinzip, dass wir durch die Handlungen Christi erlöst wurden.“

 

Ein letzter Punkt: Wenn wir das Prinzip ablehnen, dass Gott zulässt, das ein Mensch für einen anderen handelt, dann wäre das das Ende unseres christlichen Glaubens. Unsere ganze Erlösung ruht auf dem Prinzip, dass wir durch die Handlungen Christi erlöst wurden.