Die Quelle der Glückseligkeit

Wie wir göttliche Freude erfahren (können)

Artikel von Mark Jones
1. August 2020 — 8 Min Lesedauer

In 1. Timotheus 6,15 wird Gott als „der Glückselige und allein Gewaltige, der König der Könige und der Herr der Herrschenden“ beschrieben. Warum ist Gott „glückselig“ und was genau bedeutet das? Finden wir die Antwort auf diese Frage, dann öffnet sich uns eine Quelle von christlichem Glück und Geborgenheit.

In seiner unendlichen Vollkommenheit ist Gott in sich selbst so glücklich und zufrieden, wie er nur sein könnte. Er ist sogar so unabänderlich zufrieden in sich selbst, dass sogar ein kleinstes Staubkorn Unzufriedenheit ein völliges Anathema in Gottes Selbstverständnis ist. Gottes Glückseligkeit (sein Glück, seine Freude und die Zufriedenheit mit seinem eigenen Charakter) ist eine Folge der Vollkommenheit seines Wesens. Unvollständigkeit – in jeglicher Form – mindert hingegen das eigene Empfinden von Glückseligkeit und Zufriedenheit. Auf menschlicher Ebene ist uns das klar: Leiden wir beispielsweise an einem Virus und mit unserem Körper stimmt etwas nicht, so empfinden wir nur sehr wenig Zufriedenheit. Aber Gott in seiner Vollkommenheit ist niemals unzufrieden mit sich selbst.

Glückselig vor der Schöpfung

In seinem Wesen war Gott bereits glückselig, bevor es eine Welt gab (2Mose 3,14). Und die Schöpfung hat Gott weder glücklicher noch unglücklicher gemacht. Gott ist immer gleich glücklich, weil er in seinem Wesen unendlich und ewig unveränderlich ist (Jak 1,17). „Die Glückseligkeit Gottes“, so der Puritaner John Owen,

„besteht in der unaussprechlichen [d.h. unbeschreiblichen, überwältigenden] Einheit der drei heiligen Personen der Gottheit in derselben Natur, mit dem gegenseitigen Wirken des Vaters und des Sohnes und der ewigen Liebe und dem Wohlgefallens des Geistes. […] So handelt Gott in der vollkommenen Liebe seiner eigenen Vollkommenheit“ (Works of John Owen, Bd. 1, S. 368).

In seinem Wesen war Gott bereits glückselig, bevor es eine Welt gab (2Mose 3,14). Und die Schöpfung hat Gott weder glücklicher noch unglücklicher gemacht.
 

Die drei Personen der Dreieinigkeit Gottes befinden sich in einer ewig liebenden Gemeinschaft, die durch Vollkommenheit und Freude geprägt ist. So ist zum Beispiel der Sohn ebenso glückselig wie der Vater und der Geist, weil er – selber Gott – nichts vermisst, was eine andere Person in der glückseligen Dreifaltigkeit besitzen könnte.

Gott hat die höchste Freude an seinem Wesen. (Unter „die höchste“ verstehen wir ewig, unbegrenzt, unergründlich und unveränderlich.) Er hat die völlige Erkenntnis über sich selbst und seine Vollkommenheit. Auch wir freuen uns an unseren „Vollkommenheiten“. Man denke nur an eine Frau, die gerne singt, weil sie weiß, dass ihre Stimme schön klingt. Oder Profisportler, die Freude daran haben, ihre Fähigkeit im Laufen oder Schießen auszuleben. Doch diese Form der „Vollkommenheit“ ist nur ein schwacher Schatten, verglichen mit der Vollkommenheit Gottes. Gott muss seine Vollkommenheit lieben, weil er sich selbst kennt. Er weiß nämlich, dass er vollkommen ist. Er ist ewig glückselig, weil er unmöglich seine eigene Wesensart nicht lieben kann. Gott ist auch zwangsläufig immun gegen alles Böse, jegliche Veränderung und auch gegen Verletzungen oder Enttäuschungen jeder Art. Gott liebt nicht nur sein eigenes Wesen, sondern er liebt auch die Tatsache, dass er immer sein wird, wie er ist.

Mit Gott in Herrlichkeit glückselig

Wenn wir uns von Gott die Erklärung und Veranschaulichung einer seiner Eigenschaften wünschen dürften, dann müsste die Eigenschaft der Glückseligkeit Gottes ganz oben auf die Liste. Warum? Je glückseliger ein Lebewesen ist, desto mehr besteht eine vollkommene Einheit in all den guten Dingen, die dieses Lebewesen ausmacht. Unsere ewige Glückseligkeit resultiert aus der Tatsache, dass unsere irdischen Körper in Auferstehungskörper verwandelt werden. Dieser Auferstehungskörper ermöglicht die Harmonie aller guten Dinge, die wir empfangen können, da wir Teilhaber der göttlichen Natur werden (Phil 3,20–21; 2Petr 1,4).

Wir werden in der Herrlichkeit keinen Frust empfinden, denn wir werden glückselig sein. Unsere Glückseligkeit im Himmel, welche die vollkommene Harmonie aller guten Dinge in unserem Wesen bedeutet, ist mit Frust oder Traurigkeit nicht vereinbar, da wir jederzeit dazu in der Lage sein werden, das zu tun, was wir tun wollen. Unsere eigenen Wünsche werden dabei nie von Gottes Willen getrennt sein. Deshalb werden wir schon hier auf Erden Glückseligkeit in dem Maß erfahren, in dem unser Verlangen mit dem Willen Gottes identisch ist. Aber im Himmel werden wir dann endgültig mit uns zufrieden sein. Darum werden wir dann auch die Gesegneten des Herrn heißen.

Gott ist völlig verwirklicht und er hat keine offenen Wünsche, denn seine Eigenschaften harmonieren alle herrlich miteinander. Sein Leben ist ein wahrhaftig glückliches Leben: Er braucht nichts und besitzt alles. Er ist nicht nur frei vom Bösen, sondern besitzt auch alles Gute. Es gibt nichts, was Gott neidisch oder eifersüchtig machen kann. Es gibt auch nichts, das ihn noch besser machen könnte als er schon ist. Uns hingegen fehlt in diesem Leben diese Harmonie aller guten Dinge. Deswegen sind wir auch anfällig für Neid und Eifersucht. Wir sind anfällig für Traurigkeit und Depression. Wir sind anfällig für das, was der Glückseligkeit entgegensteht, weil wir nicht nur Menschen sind, sondern Menschen mit innewohnender Sünde. Als solche ist unsere Glückseligkeit in diesem Leben nur ein kleiner Vorgeschmack dessen, was wir eines Tages erleben werden. Aber Teil der christlichen Hoffnung ist die (freudige) Besinnung auf die Güte, die uns in der Herrlichkeit erfüllen wird. Das ist wahre Glückseligkeit.

Wie das Sonnenlicht und der Ozean

Aufgrund der Glückseligkeit Gottes können auch wir uns unserer ewigen Glückseligkeit sicher sein. So schreibt Stephen Charnock (1628–1680):

„Wäre er nicht zuerst unendlich glückselig und in sich erfüllt, so könnte er nicht so unendlich gut und bereichernd uns gegenüber sein. Hätte er nicht eine unendliche Fülle in seiner eigenen Natur, so könnte diese nicht auf seine Geschöpfe überströmen. Hätte nicht die Sonne eine Fülle von Licht in sich und das Meer schier unendliche Wassermassen, so könnte weder die Eine die Welt mit Lichtstrahlen bereichern noch das Andere jeden Bach mit seinen Wassern füllen.“ (Works of Stephen Charnock, Bd. 2, S. 288)

Dass Gott uns seine Glückseligkeit anbietet, ist in etwa so, wie wenn der Ozean anbieten würde, ein Schlagloch zu füllen.

Demnach sind wir nur so glücklich oder unglücklich wie die ‚Gottheit‘, der wir dienen.
 

Wenn Gott selbst die Quelle unserer Glückseligkeit ist, dann hängt unser Glück in diesem Leben gänzlich von der Wahrheit ab, dass Gott nicht nur unser Gott ist, sondern der Gott, der seinen Geschöpfen von sich selbst gibt. Demnach sind wir nur so glücklich oder unglücklich wie die „Gottheit“, der wir dienen. Eine Sache kann uns nur so viel Glück geben, wie sie rechtmäßig besitzt. Gottes Quelle der Glückseligkeit ist unendlich. Und so schenkt er Freude und Zufriedenheit zunächst (und zuvorderst) an seinen Sohn und somit auch, kraft unserer Vereinigung mit dem Sohn und dem innewohnenden Geist, auch uns.

Gottes größtes Geschenk

Bevor Gott uns mit seiner Glückseligkeit ausstatten konnte, musste noch etwas anderes geschehen. Unser Vater, vollkommen in Glückseligkeit, hat seinen Sohn, ebenfalls vollkommen in Glückseligkeit, in diese Welt gesandt, damit dieser für eine Zeit lang „ein Mann der Schmerzen“ werden sollte, „mit Leiden vertraut“ (Jes 53,3). Der Sohn, in dem die vollkommene Güte innewohnte und der nichts weiter brauchte, entschied sich bereitwillig, „nichts“ zu werden, damit er uns alles geben konnte, was er uns geben kann (Phil 2,6–8).

Das größte und beste Geschenk, das Gott uns geben kann, ist nicht Reichtum, Prestige, Leben – noch nicht einmal die Errettung. Nein, das größte Geschenk ist er selbst. Ein größeres Geschenk gibt es nicht. Der glückselige dreieinige Gott ist unser, weil er uns sich selbst gab. Jede Person der Dreieinigkeit gibt – Vater, Sohn und Heiliger Geist. Der Sohn hat sich leibhaftig für uns hingegeben: „Ich bin der gute Hirte; der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe“ (Joh 10,11).

Wenn wir also an die guten Gaben denken, die Gott uns aus seiner überreichen Glückseligkeit gibt, dann können wir in der Tat mit dem Psalmisten sagen:

„Der HERR ist mein Erbteil und das [Teil] meines Bechers; du sicherst mir mein Los. Die Messschnüre sind mir in einer lieblichen Gegend gefallen, ja, mir wurde ein schönes Erbe zuteil.“ (Psalm 16,5–6)

Das ist Glückseligkeit: zu wissen, dass Gott unser ist und wir wahrhaftig ein Leben im Überfluss besitzen werden. Während wir auf dieser Welt unser Kreuz tragen, schauen wir nicht nur auf die Verheißungen, die vor uns liegen, sondern wir erinnern uns auch an Jesus. Wir denken an seine Glückseligkeit und beanspruchen diese für uns. Denn in ihm und durch den Geist wird seine Glückseligkeit wirklich unser Teil.