Was das Buch Richter die Gemeinde lehrt

Artikel von Robert Godfrey
8. September 2020 — 5 Min Lesedauer
Und als auch jene ganze Generation zu ihren Vätern versammelt war, kam eine andere Generation nach ihnen auf, die den HERRN nicht kannte, noch die Werke, die er an Israel getan hatte. (Ri 2,10)

Unglaublich, dass das passieren konnte. Nur eine Generation nach Josua kannte Israel den Herrn schon nicht mehr. Wie hatte es soweit kommen können?

Diese Frage ist sehr wichtig. Nicht nur für die Israeliten von damals, sondern ebenso für uns. Auch Gemeinden beobachten plötzliche Rückgänge von einer Generation zur nächsten. Wie können wir solche Übel verstehen und verhindern?

Das Buch der Richter bietet eine klare Antwort auf unsere Fragen. Diese Antwort enthält nicht alles, was es allgemein zu diesem Thema zu sagen gäbe, aber sie gibt Auskunft über wesentliche Dinge, über die wir nachdenken müssen, um sowohl Israels Situation als auch unsere eigene Verwundbarkeit zu begreifen.

Zunächst sehen wir in Richter, dass Israel ins Unheil stürzt, als es sich vom Glauben an Gottes Wort entfernt – hin zum Schauen auf die Weisheit der Welt und auf deren Werte. Wir können in Richter 2–3 beobachten, wie Israel in große Sünde und Ungehorsam fällt, als es anfängt, den Baals-Statuen und -Altären zu dienen und Mischehen mit denen eingeht, die den Herrn nicht anbeten. Götzendienst und Mischehen sind die großen Sünden, vor denen Josua die Israeliten immer und immer wieder gewarnt hatte (Jos 23,6–13). Zu Recht, denn diese beiden Sünden sind eng miteinander verbunden. Die eine führt zur anderen und verstärkt diese.

„Der Abfall in Götzendienst und in Mischehen ist allerdings nicht einfach so passiert.“
 

Der Abfall in Götzendienst und in Mischehen ist allerdings nicht einfach so passiert. Diese großen Sünden waren das Ergebnis zahlreicher Kompromisse, die Israel schon zuvor eingegangen war. Israel hatte Gott am Anfang des Richterbuches noch treu gedient, doch in Richter 1,19 beginnt sich das zu ändern. Hier lesen wir: „Und der HERR war mit Juda, sodass er das Bergland eroberte; aber die Bewohner der Ebene vertrieb er nicht aus ihrem Besitz, denn sie hatten eiserne Streitwagen.“ Es ist keine Rede davon, dass die Israeliten tatsächlich gegen die eisernen Streitwagen gekämpft hätten und besiegt worden wären. Vielmehr scheint es, als hätten sie die eisernen Wagen gesehen und sich dazu entschieden, nicht zu kämpfen. Diese Entscheidung scheint sehr vernünftig und angemessen – für ein Volk, das im Schauen wandelt. Eiserne Streitwagen waren die schlagkräftigste militärische Waffe jener Zeit.

Israel war jedoch dazu berufen, im Glauben an das Wort Gottes zu wandeln. Das Wort Gottes hatte sie durch Josua erreicht, der gesagt hatte: „Du sollst die Kanaaniter vertreiben, auch wenn sie eiserne Streitwagen haben und mächtig sind!“ (Jos 17,18). Später sehen wir im Buch der Richter, wie Gott sein Versprechen gehalten hat, als Debora und Barak es schafften, Jabin, den König der Kanaaniter, zu besiegen, obwohl dieser neunhundert eiserne Wagen hatte (Ri 4,3). Das Wort Gottes erinnert Gottes Volk an Folgendes: „Er [der HERR] hat keine Freude an der Stärke des Rosses, noch Gefallen an der Kraft des Mannes; der HERR hat Gefallen an denen, die ihn fürchten, die auf seine Gnade hoffen“ (Ps 147,10–11).

Es wird deutlich, was falsch lief: das Wandeln im Schauen anstatt im Glauben. Aber das erklärt nicht, warum die Dinge falsch liefen. Dafür müssen wir nochmal zu Josuas Worten zurückkehren:

„Josua aber sprach zum Volk: Ihr könnt dem HERRN nicht dienen; denn er ist ein heiliger Gott, ein eifersüchtiger Gott, der eure Übertretungen und Sünden nicht dulden wird. Wenn ihr den HERRN verlasst und fremden Göttern dient, so wird er sich von euch abwenden und euch Schlimmes antun und euch aufreiben, nachdem er euch Gutes getan hat.“ (Jos 24,19–20)

Moment mal, denkst du jetzt vielleicht. Wenn Israel nicht dazu fähig war, wie konnten sie dann dafür zur Rechenschaft gezogen werden? Inwiefern waren sie nicht fähig? Was meinte Josua, als er das sagte? Er war nicht der Meinung, dass die einzelnen Personen nicht wiedergeboren und daher nicht fähig waren. Er meinte auch nicht, dass sie das Gesetz nicht perfekt halten würden und daher unfähig waren. Es scheint ihm vielmehr darum gegangen zu sein, dass sie führerlos sein werden – ohne Mose, ohne Josua und ohne die Ältesten, die das Volk kannten – und deshalb nicht zur Treue gegen Gottes Wort angeleitet und darin bewahrt werden.

Josua erkannte, dass Gott ihnen keinen zweiten Mose oder Josua schenken wird. Er wird ihnen stattdessen Richter geben, die ihre Retter sein werden (Ri 2,16). Doch diese Richter werden nur regionale und vorübergehende Anführer sein. Was Gott Israel – und uns – auf verschiedene Weise im Buch der Richter lehrt, ist, dass das Volk einen guten und treuen König braucht. Israels Problem war klar: „Zu jener Zeit gab es keinen König in Israel; jeder tat, was recht war in seinen Augen“ (Ri 17,6).

„Was Gott Israel – und uns – auf verschiedene Weise im Buch der Richter lehrt, ist, dass das Volk einen guten und treuen König braucht.“
 

Israel musste begreifen, dass es einen König brauchte und dass es an ihnen lag, nach diesem zu verlangen – keinen König wie die der anderen Völker, etwa wie Saul, sondern einen Mann nach Gottes eigenem Herzen, nämlich David. Dennoch konnte letztlich nicht einmal David Gottes Volk schützen und anführen. Er sündigte, sein Haus wurde gespalten und er starb. Wer also ist dieser perfekte, treue und unsterbliche Anführer für Gottes Volk? Natürlich ist nur Jesus solch ein König.

Was ist demnach das Gegenmittel für die Gemeinde und ihre Probleme? Wie kann ein „rettendes Wissen“ über Gott von einer Generation zur nächsten erhalten bleiben? Wenn wir unserem König Jesus gemäß seinem Wort nachfolgen. Wenn die Gemeinde hierbei scheitert, wird es ihr wie Israel ergehen, das unfähig war, im Glauben zu wandeln, und stattdessen im Schauen lebte. Doch dort, wo die Gemeinde sich Jesus zukehrt und Gemeindeverantwortlichen folgt, die treu sein Wort predigen, wird sie vor Ihm leben. Das Buch der Richter ist ein Spiegel, der der Gemeinde vorgehalten wird, damit wir gezwungen werden, uns folgende Frage zu stellen: „Ist Jesus unser König und leben wir im Glauben an sein Wort?“ Wenn wir diese Frage bejahen, wird die Gemeinde von Generation zu Generation den HERRN kennen.