Wer ist Gott?

Artikel von David Kenyon
15. September 2020 — 4 Min Lesedauer

Mose sagte zum Herrn: „So lass mich doch deine Herrlichkeit sehen!“ (2Mo 33,18) Im Grunde fragte er: „Wer bist du, Gott?“ Gott antwortete mit diesen Worten: „Ich will alle meine Güte vor deinem Angesicht vorüberziehen lassen und will den Namen des HERRN vor dir ausrufen. Und wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig, und über wen ich mich erbarme, über den erbarme ich mich“ (Vers 19). Er versprach, sich selbst zu offenbaren.

Barmherzig und gerecht

Allerdings kann kein Mensch Gott sehen und am Leben bleiben. Das ist zu viel für jeden Menschen – insbesondere wenn man an die Sündhaftigkeit des Menschen denkt. Gott befahl Mose, auf dem Fels zu stehen und sagte: „Wenn dann meine Herrlichkeit vorübergeht, so stelle ich dich in die Felsenkluft und will dich mit meiner Hand solange bedecken, bis ich vorübergegangen bin. Wenn ich dann meine Hand zurückziehe, so darfst du hinter mir hersehen; aber mein Angesicht soll nicht gesehen werden!“ (Verse 22-23) Mose tat recht daran zu fragen, wer Gott ist, statt Gott zu sagen, wie er zu sein hat. Daraufhin offenbarte Gott sich Mose teilweise. Er würde vorübergehen, ihn mit seiner eigenen Hand beschützen und seinen eigenen Namen ausrufen. Das bedeutete weit mehr, als einfach den Namen Jahwe – „HERR“ in unseren Übersetzungen – in der Hörweite von Mose auszusprechen. Er würde sein Wesen verkünden:

„Kein Mensch kann Gott sehen und am Leben bleiben. Das ist zu viel für jeden Menschen – insbesondere wenn man an die Sündhaftigkeit des Menschen denkt.“
 

Und der HERR ging vor seinem Angesicht vorüber und rief: Der HERR, der HERR, der starke Gott, der barmherzig und gnädig ist, langsam zum Zorn und von großer Gnade und Treue; der Tausenden Gnade bewahrt und Schuld, Übertretung und Sünde vergibt, aber keineswegs ungestraft lässt, sondern die Schuld der Väter heimsucht an den Kindern und Kindeskindern bis in das dritte und vierte Glied! (2Mo 34,6–7)

„Der HERR, der HERR“ – hier offenbarte Gott sich Mose durch seinen persönlichen Namen Jahwe. Er ist der große Ich bin. Er ist der selbstexistierende, unveränderliche Gott, durch den alle Dinge bestehen, und er ist barmherzig, gnädig, langsam zum Zorn und von großer Güte und Wahrheit.

Die Vergebung ist so wichtig, dass sie mit drei ähnlichen Begriffen ausgedrückt wird: „…der […] Schuld, Übertretung und Sünde vergibt“. Er ist reich an Vergebung und Barmherzigkeit. Aber unser Gott, entsprechend seiner Selbstoffenbarung, ist auch gerecht. Unser Text sagt aus, dass er keineswegs ungestraft lässt. Es würde seinem Wesen widersprechen, Sünde einfach zu übersehen. Gerechtigkeit muss geübt werden, weil Gott so ist, wie er ist. Unser Gott muss dem entsprechen, wer er ist. Aber wie kann er gleichzeitig barmherzig und gerecht sein? Wie kann er auf eine Weise handeln, die beiden Merkmalen entspricht? Wenn er nur Barmherzigkeit zeigen würde, wäre seine Gerechtigkeit außer Kraft gesetzt. Wenn nur der Gerechtigkeit entsprochen wird, gibt es keine Gnade.

Das Kreuz verbindet beides

Die Antwort ist die Menschwerdung und das Kreuz. Der Vater, weil er sowohl barmherzig als auch gerecht ist, sandte den Sohn, um all diejenigen zu retten, die der Vater ihm gegeben hatte (Joh 17,18–23; Eph 5,25–32). Ohne dabei aufzuhören, Gott zu sein, nahm der Sohn eine menschliche Natur an. Und nachdem er durch den Heiligen Geist empfangen und von der Jungfrau Maria geboren wurde, lebte er vollkommen unter dem Gesetz Gottes und hielt das Gesetz, das Adam gebrochen hatte. Er ging bereitwillig zum Kreuz und machte seine Erwählten, als ihr Bundesoberhaupt (Repräsentant), eins mit sich selbst, einschließlich ihrer Sünde. Dann trug er den Zorn des Vaters und bezahlte die Schuld, die wir nicht begleichen können.

Paulus sagt in 2. Korinther 5,21: „Denn er hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm [zur] Gerechtigkeit Gottes würden.“ Indem er uns einsmachte mit Jesus, war es dem Vater möglich, seinen Zorn auf den Sohn fallen zu lassen. Gerechtigkeit wurde bewirkt und unsere Schuld weggenommen. Am Kreuz Jesu finden wir sowohl die erstaunliche Barmherzigkeit als auch die vollkommene Gerechtigkeit Gottes zur Schau gestellt.

„Unser Gott verbirgt uns in der Felskluft. Er verbirgt uns in Jesus. In ihm sind unsere Sünden vergeben.“
 

Lasst uns auf Mose zurückkommen. Er wusste, dass kein Mensch Gott sehen und am Leben bleiben könnte, aber Gott sagte, dass er, während seine Herrlichkeit vorbeizog, Mose in die Felskluft stellen und mit seiner Hand bedecken würde. David kannte dieses Bild gut und sprach deshalb: „Der HERR ist mein Fels, meine Burg und mein Retter; mein Gott ist mein Fels, in dem ich mich berge, mein Schild und das Horn meines Heils, meine sichere Festung“ (Ps 18,3). Und Paulus macht deutlich, dass Jesus der Fels unseres Heils ist (1Kor 10,1–4). Unser Gott tut für diejenigen, die auf Christus vertrauen, das, was er für Mose getan hatte: Er verbirgt uns in der Felskluft. Er verbirgt uns in Jesus. In ihm sind unsere Sünden vergeben. In ihm sind wir gerettet vor dem Zorn Gottes. In ihm erfahren wir sowohl Gerechtigkeit als auch Barmherzigkeit.