
Das Buch Ruth: Mehr als nur eine Liebesgeschichte
Wir tun der Heiligen Schrift großes Unrecht an, indem wir uns mit idyllischen Geschichten und Lebenslektionen begnügen, als wären sie die Hauptsache bei unserem Bibelstudium. Das Buch Ruth wurde in dieser Hinsicht zweifellos zu Genüge unter Wert verkauft. Beispielsweise nimmt das Thema Ehe zwar einen großen Teil dieser Geschichte ein, aber wenn man sie als idealisierte Romanze zwischen der treuen Ruth und dem gottesfürchtigen Boas betrachtet, wird die an sich vorhandene reiche Theologie von den meisten Bewunderern übersehen. Bevor es im Buch Ruth um ein Paar geht, geht es um Gott. Er hält seine Versprechen, indem er die Ankunft unseres Erlösers, des Herrn Jesus Christus, sicherstellt.
Das Buch Ruth ist ein Hinweis auf das Evangelium
Es wird gesagt, dass die ersten sieben Verse als Zusammenfassung des ganzen Buches betrachtet werden können. Es handelt sich um eine Entwicklung von der Leere zur Vollendung, so wie das Buch Ruth mit dem Tod beginnt – dem Tod Elimelechs und seiner Söhne (1,3–5) - und mit dem Leben in der Geburt Obeds endet (4,13). In diesem Sinne ist es ein Beispiel für die Erlösung, da es eine Verlagerung von der Betonung der menschlichen Armut hin zu Gottes erlösender Vorsorge beinhaltet. Wenn wir bereit sind zu sehen, wie die Ereignisse dieses Buches sich entwickeln, um Israels Not zu stillen, können wir einen größeren Hunger nach dem theologischen Reichtum dieses alttestamentlichen Textes entwickeln.
„Bevor es im Buch Ruth um ein Paar geht, geht es um Gott.“
Die „Tage, als die Richter regierten“ (Ruth 1,1) waren gekennzeichnet durch die umfassende Abkehr des Volkes Israel vom Herrn. Der häufige Refrain: "Zu jener Zeit gab es keinen König in Israel; jeder tat, was recht war in seinen Augen.” (Ri 17,6), fasst den ethischen Morast der damaligen Zeit zusammen. Dieser Satz liefert zwei wichtige literarische Signale im Zusammenhang mit dem Königtum in Israel: Er informiert uns über Israels Bedürfnis nach einem König, und er weckt zugleich Erwartungen an einen König. Mit anderen Worten: Er weist auf einen Übergang in der Geschichte Israels hin.
Israel wartete noch immer auf einen gerechten Befreier, jemanden, der es aus dem Götzendienst heraus und in die Bundestreue führte. Wenn wir die Hungersnot in Ruth 1,1 als ein Zeichen des Gerichts verstehen, dann hatte Israel nicht nur seinen Bundessegen verwirkt, sondern erlebte auch den Bundesfluch (5Mo 28,15–24). Ein rechtschaffener Führer würde die Treue in Israel wiederherstellen und damit die Gründe für das Gericht beseitigen und die Erfüllung der Verheißungen des Bundes würde folgen.
Gott sorgt für einen Befreier in Israel und darüber hinaus
Interessanterweise gibt es nur zwei Dinge, die der Herr in der Erzählung explizit ausführt und die jeweils direkt mit den beiden Problemen der Hungersnot und Israels Bedürfnis nach einem König übereinstimmen. Er besucht sein Volk, gibt ihm Nahrung (1,6) und ermöglicht Ruth die Empfängnis (4,13). Ersterem ist es zu verdanken, dass Ruth ihrem Erlöser Boas in Bethlehem begegnet (2,1–2), und Letzterem ist es zu verdanken, dass sie erfolgreich einen Erben zeugen (nämlich Obed, den Großvater des König Davids). Die Hungersnot wird eingedämmt und ein Erbe wird geboren. Hier müssen wir unbedingt beachten, wie die wiederholte Erwähnung Davids am Ende der Erzählung als Verbindung Ruths mit dem anderen Ende ihres kanonischen Kontextes - der Zeit der Könige - fungiert. Indem Gott damals für sein Volk sorgte, sorgte er auch für einen zukünftigen Befreier.
Der Kommentator Robert Hubbard hat angemerkt, dass die Geschichte von Ruth in der Geschichte des Alten Testaments „zu einem hellen, strahlenden Faden wird, der in den Stoff der größeren nationalen Geschichte Israels eingewoben ist“, wenn wir verstehen, welche Funktion sie im Alten Testament übernimmt. Der Reichtum dieses Buches lädt den Studenten zu einem nachdenklichen Studium der Erzählung im Licht ihres Kontextes innerhalb des Kanons der Heiligen Schrift ein. Wenn man sich dem Buch Ruth unter ehrlicher Berücksichtigung seiner Theologie und Botschaft nähert, offenbart es sich auf wunderbare Weise als ein Hinweis auf die wirkliche Erlösung, die durch den eigentlichen Mittelpunkt der Handlung erreicht werden soll: Jesus Christus, den Sohn Davids.
„Wenn man sich dem Buch Ruth unter ehrlicher Berücksichtigung seiner Theologie und Botschaft nähert, offenbart es sich auf wunderbare Weise als ein Hinweis auf die wirkliche Erlösung, die durch den eigentlichen Mittelpunkt der Handlung erreicht werden soll: Jesus Christus, den Sohn Davids.“
Als Ganzes betrachtet, stellt die Erzählung gewaltige Akte der Vorsehung, des Segens, der Bündnistreue, der liebevollen Güte und der Treue dar, wie sie sich im Leben des Volkes Gottes und durch den Herrn selbst zeigen. Die Geschichte von Ruth ist jedoch nicht nur eine Geschichte des Erfolgs und der Freude, denn sie trägt ihre schönen Früchte aus den entmutigenden und beklagenswerten Realitäten von Hungersnot, Tod, unfruchtbaren Frauen und Witwenschaft; den harten Realitäten der harten Welt, in der wir leben. Aber dies ist die Welt, in der der Herr am Werk ist und die düsteren Anfänge, die zu Beginn Ruths aufgezeichnet wurden, wichen einer Hoffnung und einer Zukunft, als Gott seine Verheißungen des Bundes einlöste, die letztlich sowohl dem Haus Israel als auch allen, die unter seinen Flügeln Zuflucht suchen, zugutekommen (2,12).