Im Zweifel für Gott

Rezension von Jochen Klautke
27. November 2020 — 4 Min Lesedauer

Als ich vor ein paar Monaten auf das Buch aufmerksam wurde und man mich fragte, ob ich mir vorstellen könne, eine Rezension zu schreiben, war mein erster Gedanke: „Sehr schön, ein Buch über Apologetik – also über die Verteidigung des christlichen Glaubens – und das von einem deutschen Autor, das gibt es nicht oft.“

Jetzt, nach der Lektüre des Buches, habe ich festgestellt, dass das Buch tatsächlich ein apologetisches Buch ist. Und doch ist es ganz anders, als ich es erwartet hatte. Beim ersten Lesen des Titels war ich noch davon ausgegangen, dass es sich an Menschen mit intellektuellen Zweifeln oder Vorbehalten richte. Der Autor, Dr. Malte Detje, ein junger landeskirchlicher Pastor aus Hamburg, setzt jedoch einen anderen Schwerpunkt: Er ermutigt gerade solche Christen, die ausgerechnet die gelebte Praxis des Christentums ins Zweifeln gebracht hat, ihren Glauben nicht über Bord zu werfen.

Worum geht es konkret?

Die Kernthese des Buches lautet: Viele Menschen hadern mit ihrem christlichen Glauben, weil ihnen für ihr Christsein Dinge versprochen wurden, die das Christentum gar nicht (unbedingt) bereithält. Stattdessen befreie uns die Botschaft des gekreuzigten und auferstandenen Christus davon, Gott erleben, spüren oder fühlen zu müssen. Denn: Es gehe im christlichen Glauben nicht in erster Linie darum, was in unserem Herzen ist, sondern um das, was in Gottes Herzen ist.

„Viele Menschen hadern mit ihrem christlichen Glauben, weil ihnen für ihr Christsein Dinge versprochen wurden, die das Christentum gar nicht (unbedingt) bereithält.“
 

Detje schreibt über sechs Bereiche unseres (geistlichen) Lebens, in denen im heutigen evangelikalen Christentum häufig mehr versprochen wird, als Gott uns tatsächlich verheißen hat. Konkret geht es ihm um unsere Gefühle, den Gottesdienst, Gottes Wort, Lebensveränderung, Gemeinde und unsere Berufung im Alltag. Sehr schnell würden Christen heute den Anschein erwecken, als drehe sich in unserem christlichen Glauben alles um unsere Gefühle Gott gegenüber – gerade im Gottesdienst beim Singen. Vielmehr gehe es aber um die Barmherzigkeit, die Gott uns gegenüber empfindet. Auch sei es sehr problematisch, wenn man das, was Gott von uns fordert (das Gesetz), an die Stelle des Evangeliums (das, was Gott für uns getan hat) rückt. Genauso falsch findet es Detje, wenn man das Evangelium nur als etwas sehe, das am Beginn des christlichen Lebens steht, anstatt es das gesamte Leben als Christ prägen zu lassen.

Schließlich sei Jesus nicht einfach unser Fitnesstrainer, der uns bei der Selbstoptimierung hilft, sondern in erster Linie unser Erlöser. Auch bei den Themen des Gemeindelebens oder des Alltagslebens komme es nicht so sehr darauf an, was ich als Christ leiste, sondern was Gott mir durch die Gemeinde schenkt und wozu er mich im Alltag berufen hat. In jedem Kapitel stellt Detje auf faszinierende Weise gewissen falschen Erwartungen an das christliche Leben die befreiende Wahrheit des Evangeliums gegenüber.

Eine klare Empfehlung mit einem kleinen Aber

Da Detje aus einer klar lutherischen Perspektive schreibt, sind manche Dinge für mich als Leser aus reformiertem Hintergrund – und noch mehr für Leser aus freikirchlich-baptistischen Hintergründen – sicherlich gewöhnungsbedürftig. So macht er wiederholt deutlich, dass die Wiedergeburt durch die Taufe geschehe. Auch wirkt es an einigen Stellen so, als würde er die gerechtsprechende Gnade des Evangeliums etwas zugunsten der heiligenden, verändernden Gnade überbetonen – wobei man ihm zugutehalten muss, dass das sicherlich auch mit der Zielsetzung seines Buches zu tun hat.

„In jedem Kapitel stellt Detje auf faszinierende Weise gewissen falschen Erwartungen an das christliche Leben die befreiende Wahrheit des Evangeliums gegenüber.“
 

Diese Punkte sind aber Kleinigkeiten im Vergleich zu Detjes Hauptanliegen, das Christentum aus der Ecke unserer Erlebniskultur und der inneren Emotionen herauszuholen und wieder auf die reformatorische Grundlage von Christi vollbrachtem Werk und seinen mächtigen Gnadenmitteln zu stellen. Nicht zuletzt überzeugt der Autor auch durch seinen hervorragenden Schreibstil. Einmal begonnen fiel es mir sehr schwer, das Buch wieder aus der Hand zu legen. Die gut 200 Seiten sind von daher schnell gelesen und setzen keine theologischen Vorkenntnisse voraus.

Ein sehr empfehlenswertes Buch – nicht nur für Menschen, die von vielen leeren Versprechungen enttäuscht sind, sondern auch für alle anderen, die danach streben, ihr ganzes Leben auf die Verheißungen des treuen Gottes zu stellen – des Gottes, der gerade dann da ist, wenn wir schwach sind.

Buch

Malte Detje, Im Zweifel für Gott. Wie wir an Gott dranbleiben, wenn der Glaube nicht trägt, Holzgerlingen: SCM, 2020, 208 S., 16,99 Euro.