Fünf Fragen zur Homosexualität

Artikel von Kevin DeYoung
19. März 2021 — 7 Min Lesedauer

Frage: Wenn die Bibel doch so wenig über Homosexualität sagt, warum sprechen dann Christen immer und immer wieder darüber?

Antwort: Die Bibel spricht deshalb verhältnismäßig wenig über Homosexualität, weil es unter Juden und Christen der Antike eine weniger kontroverse Sünde war. Es besteht kein Nachweis dafür, dass das antike Judentum oder das frühe Christentum irgendeine Art homosexueller Lebensweise toleriert hätten. Hingegen sagt die Bibel sehr viel über Götzendienst, religiöse Heuchelei, wirtschaftliche Ungerechtigkeit und heidnischen Götzendienst, weil diese in beiden Testamenten zu den häufigsten Sünden von Gottes Volk gehörten.

Die Propheten prangerten Homosexualität nicht an, da diese zwar offenkundig verwerfliche Praxis im Bundesvolk viel weniger häufig vorkam. Über Sodomie spricht die Bibel sogar noch weniger als über Homosexualität, ohne sie in irgendwelcher Form zu bagatellisieren. Das gilt sinngemäß für weitere Verfehlungen wie Inzest, Kindesmissbrauch oder fünfzig andere Sünden, welche die Bibel kaum anspricht. Allerdings ist die Anzahl Bibelverse pro Thema kein zuverlässiger Gradmesser zur Bewertung der Schwere einer bestimmten Sünde.

Kurz gesagt: Die Bibel schweigt absolut nicht zum Thema Homosexualität. Das mosaische Gesetz verbietet im Buch 3. Mose solche Praktiken klipp und klar. Und Paulus zitiert sie in seinem wichtigstem Brief – dem an die Römer – als deutliches Beispiel für die menschliche Auflehnung gegen Gott. Homosexualität wird ferner in 1. Korinther und 1. Timotheus unter zahlreichen andern Lastern mitgelistet. Homosexuelle Praktiken gehörten zu den Gründen, weshalb Gott mit Sodom und Gomorrah die dekadentesten Städte der Bibel auslöschte.

Dabei haben wir noch gar nicht all die Textstellen über die Ehe erwähnt, wie etwa in den Büchern Genesis, Sprüche, Hohelied, Maleachi, Matthäus-Evangelium oder im Epheser-Brief. Wenn die Bibel in einem Einzelvers, gewissermaßen nebenbei und ohne historisch übereinstimmende Interpretation etwas erklärt – so wie bei der Taufe für die Toten (1 Kor 15,29) –, gehen wir zu Recht davon aus, dass wir uns nicht zu lange mit diesem Thema aufhalten oder zu dogmatisch damit umgehen sollten. Nicht so bei homosexuellem Verhalten: Dieses ist weder ein unklares noch ein Randthema.

Frage: Weshalb sprach Jesus nie über Homosexualität?

Antwort: Man kann nicht schlüssig behaupten, Jesus habe nie über Homosexualität gesprochen. Denn er hat einerseits die eheliche Ein-Fleisch-Verbindung von Mann und Frau aus dem Schöpfungsbericht voll und ganz bestätigt (Mt 19,4–6; Mk 10,6–9), und andererseits hat Jesus alle Arten sexueller Sünden verurteilt, wie der Begriff „porneia“ diese zusammenfasst (Mk 7,21). Das im englischen Sprachraum führende Neutestament-Lexikon definiert porneia als „unrechtmäßigen Geschlechtsverkehr, Prostitution, Unkeuschheit, Unzucht“. Auf den Sammelbegriff weist auch der Neutestamentwissenschaftler James Edwards hin: „Porneia bezeichnet in der griechischen Literatur unterschiedlichste sexuelle Vergehen wie etwa Ehebruch, Unzucht, Hurerei oder Homosexualität. Auch das Alte Testament verwendet einen Überbegriff für jegliche sexuellen Handlungen außerhalb der Ehe zwischen einem Mann und einer Frau, welche die Torah verbietet.“ Jesus musste nicht spezifisch über Homosexualität predigen, weil seiner Hörerschaft klar war, dass gleichgeschlechtlicher Sex im Pentateuch verboten und wie andere sexuelle Sünden für Juden tabu war. Unabhängig davon gibt es ohnehin keinen Grund, die Worte von Jesus Christus (die alle von jemand anderem als ihm dokumentiert wurden) als „gültiger“ als den Rest der Bibel einzustufen. Er bestätigte die ungebrochene Gültigkeit des Alten Testaments (Mt 5,17–18) und wusste, dass seine Jünger die wahre Bedeutung seiner Person und seines Auftrages verdeutlichen würden (Joh 14,25–26; 16,12–15; cf. Lk 24,48–49; Apg 1,1–2).

Frage: Warum werden andere Sünden (wie z.B. Völlerei) nicht so ernst genommen wie sexuelle Vergehen?

Antwort: Soll damit tatsächlich suggeriert werden, dass eine bestimmte Sünde kein Beinbruch ist, nur weil wir bei der Bewertung einer anderen Sünde nicht konsequent genug waren? Wenn Christen unbereute Völlerei fälschlicherweise tolerieren, ist dies sehr wohl eine äußerst ernsthafte Angelegenheit. Denn Sünde trennt uns immer von Gott. Wenn wir uns der Sünde öffnen, ihr hingeben und davon nicht umkehren, dann distanzieren wir uns von Gott und vom Himmel.

Frage: Sollte die Kirche denn nicht ein Ort für zerbrochene Menschen sein?

Antwort: Ja und Amen! Wir alle brauchen Vergebung und Gnade. Daher muss die Kirche voller Sünder sein. Aber der Punkt liegt darin, dass unsere Abendmahlsgemeinschaft – wie die Gemeinschaft im Himmel – aus wiedergeborenen umkehrwilligen Sündern besteht. Wenn wir die Frohe Botschaft ohne Aufruf zur Umkehr weitergeben, dann predigen wir etwas anderes als das apostolische Evangelium. Wenn wir wissentlich gleichgültige, unbußfertige Sünder als Mitglieder und in den Dienst unserer Gemeinden aufnehmen, machen wir ihnen etwas vor und gehen selber auch Risiken ein. Gehen wir davon aus, dass Menschen einen Retter finden, ohne sich von ihren Sünden abkehren zu müssen, dann verkennen wir Jesus Christus als Retter. „Und solche sind etliche von euch gewesen“, lautet der hoffnungsvolle Ruf zur Heiligkeit für jegliche Sünder – im sexuellen wie allen andern Bereichen (1 Kor 6,11).

„Wenn wir die Frohe Botschaft ohne Aufruf zur Umkehr weitergeben, dann predigen wir etwas anderes als das apostolische Evangelium.“
 

Wenige Dinge im Leben sind wichtiger als unser Wille zur Umkehr. Dermaßen wichtig ist diese Herzenshaltung, dass die Evangelien, die Briefe und das Alte Testament sie deutlich als Bedingung für uns deklarieren, um in den Himmel zu kommen. Der Prophet Hesekiel sagt es so: „Kehrt um und wendet euch ab von allen euren Übertretungen“ (Ez 18,30). Johannes der Täufer rief: „Tut Buße, denn das Reich der Himmel ist nahe herbeigekommen!“ (Mt 3,2). „Tut Buße und glaubt an das Evangelium“, sprach Jesus Christus (Mk 1,15). Petrus antwortete seinen Hörern: „Tut Buße, und jeder von euch lasse sich taufen.“ (Apg 2,38).

Und Paulus sagt von Gott in Apostelgeschichte 17,30: „Jetzt aber gebietet er allen Menschen überall, Buße zu tun.“ Es steht außer Frage: Die Kirche ist für gebrochene und unvollkommene Menschen da – gebrochene Menschen, die das Zerbrochene in sich hassen und für unvollkommene Menschen, die ihrer sündhaften Unvollkommenheit entsagt haben. Wenn wir jetzt Menschen mit gleichgeschlechtlicher Anziehung auf Umkehr ansprechen, lautet die Lösung nicht etwa, das Element der Sünde aus der Evangeliumsformel zu streichen. Die Lösung liegt vielmehr darin, Kirche als Gemeinschaft unter Christen aufzubauen, die als Jünger täglich in der Buße leben.

Frage: Weshalb sollte es Sünde sein, wenn jemand mit homosexuellem Verlangen geboren wurde?

Antwort: Wir alle sind das Produkt unserer Natur und Kultur. Wir alle kämpfen mit Wünschen, die besser unerfüllt bleiben und mit Sehnsüchten nach dem Verbotenen. Als Christen wissen wir, dass das menschliche Herz überaus trügerisch und bösartig ist (Jer 17,9). Wir sind samt und sonders gefallene Geschöpfe mit einer Neigung zur Sünde und zum Selbstbetrug. Wir können keine Tugenden aus dem ableiten, was ist. Unser eigenes Empfinden von Lust und Freude oder von Vergnügen und Schmerz ist nicht selbstbestätigend. Menschen können ohne eigene bewusste Entscheidung zum Sich-Betrinken, zur Promiskuität, zur Wut, zum Selbstmitleid oder zu irgendeinem anderen sündigen Verhalten hingezogen werden.

„Als Geschöpfe nach dem Ebenbild Gottes sind wir moralische Wesen mit Verantwortung für unsere Handlungen und Begierden des Fleisches.“
 

Wenn alleine persönliche Erfahrung und das Vorkommen des Begehrens die allgemeine Norm definieren, gibt es keinen logischen Grund, weshalb andere sexuelle „Ausrichtungen“ (z. B. nach Kindern, Tieren oder Promiskuität, Bisexualität oder mehreren Partnern) stigmatisiert werden sollten. Als Geschöpfe nach dem Ebenbild Gottes sind wir moralische Wesen mit Verantwortung für unsere Handlungen und Begierden des Fleisches. Simpel ausgedrückt: Manchmal wollen wir die falschen Dinge. Egal in welcher Art wir uns geboren sehen, besteht Jesus Christus darauf, dass wir auf (s)eine andere Art wiedergeboren werden müssen (Joh 3,3–7; Eph 2,1–10).