Vivit!

Jesus lebt – und das verändert alles!

Artikel von Rudi Tissen
4. April 2021 — 8 Min Lesedauer

Man kann wohl behaupten, dass das Leben des Reformators Martin Luther alles andere als einfach war. Er stand immer wieder unter großem Druck. Er wurde verurteilt, für vogelfrei erklärt und verspottet. Er musste sich vor den Mächtigen verteidigen und um sein Leben fürchten. Luther hatte es sich irgendwann zur Gewohnheit gemacht, gerade in den herausfordernden Momenten seines Lebens und Dienstes den lateinischen Ausruf „Vivit“ („Er lebt!“) auszusprechen. Manchmal schrieb er dieses Wort mit Kreide auf einen Tisch oder sogar an Türen und Wände. Als man ihn fragte, warum er das mache: „Jesus lebt! Und lebte er nicht, würde ich auch keine Stunde länger mehr leben wollen. Allein weil Jesus lebt, werden wir mit ihm leben, wie er es auch verheißen hat!“

„Jesus lebt! Und lebte er nicht, würde ich auch keine Stunde länger mehr leben wollen. Allein weil Jesus lebt, werden wir mit ihm leben, wie er es auch verheißen hat!“
 

Für Luther war der Glaube an die Auferstehung Jesu nicht einfach ein weiterer Artikel seines Bekenntnisses als christlicher Theologe. Die Auferstehung Jesu änderte alles für ihn. Sie war der Grund für seine Hoffnung und seinen Mut. Sie trieb ihn an, nicht aufzugeben und sich nicht zu fürchten. So formulierte er es selbst: „Wenn mein Erlöser lebt, dann habe ich Grund zu hoffen, dann habe ich Grund zu glauben, dann habe ich Grund zu jubeln, dann habe ich Grund alle Angst und Furcht hinter mir zu lassen.“

Die leibhaftige Auferstehung unseres Erlösers verändert alles. Das sehen wir auch in dem Bericht, den uns der Jünger Johannes von der Auferstehung Jesu gibt (Joh 20). Ich finde dieses Kapitel deshalb so spannend, weil es uns die Relevanz des Auferstehungsglaubens auf mindestens zwei Ebenen deutlich macht: für unser persönliches Leben und für die Heilsgeschichte.

Ein Neuanfang für Zweifler, Trauernde & Ängstliche

In Johannes 20 begegnen uns Nachfolger Jesu, die zweifeln, trauern und voller Angst sind. Wir treffen auf Petrus und Johannes, die dem Wort ihres Herrn skeptisch sind und erst sehen müssen, um der Botschaft der Frauen glauben zu können (Joh 20,4–10). Wir treffen auf Maria, die verzweifelt trauert, weil mit ihrem Meister auch all ihre Hoffnung gestorben scheint (20,11). Wir sehen die versammelten Jünger, die sich voller Angst hinter verschlossenen Türen verstecken (20,19). Und wir begegnen einem ganz besonders hartnäckigen Zweifler namens Thomas, der erst glauben will, wenn er den Auferstandenen mit den eigenen Augen gesehen und mit den eigenen Händen betastet hat (20,25).

„Die Menschen, die  voller Zweifel, Trauer und Ängste waren, wurden zu Nachfolgern, die bereit waren, für ihren Glauben an Christus zu sterben. Und der Grund dafür war ihr fester Glaube daran, dass Jesus lebte.“
 

Diesen Menschen begegnet Jesus nach seiner Auferstehung. Wir sehen, wie der Auferstandene diese Menschen persönlich anspricht (20,16.19.21.26) und damit Veränderung bringt: Aus der Trauer und Verzweiflung Marias wird Staunen und Gehorsam. Sie läuft los und verkündet den Jüngern, dass sie den Herrn gesehen hat (20,18). Aus der bedrückenden Furcht und Angst der Jünger wird Freude (20,20). Aus dem hartnäckigen Zweifel des Thomas wird ein leidenschaftliches Bekenntnis: „Mein Herr und mein Gott!“ (20,28)

Spätestens aus den Berichten der Apostelgeschichte und der Kirchengeschichte können wir schließen, dass aus dieser zweifelnden und aufgeschreckten Truppe eine Gruppe von Männern und Frauen geworden ist, die von der Tatsache der leibhaftigen Auferstehung ihres Königs angetrieben wurde. Diese Menschen, die vor einiger Zeit noch voller Zweifel, Trauer und Ängste waren, wurden zu Nachfolgern, die bereit waren, für ihren Glauben an Christus zu sterben. Und der Grund dafür war ihr fester Glaube daran, dass Jesus lebte. Wie für Luther war die Tatsache der Auferstehung für sie Grund genug, alle Angst und Furcht hinter sich zu lassen.

Ein Neuanfang für unsere Welt

Aber Johannes möchte uns durch seinen Bericht noch mehr sagen. Er will uns klarmachen, dass in der Auferstehung Jesu etwas ganz Neues – ja, eine neue Schöpfung – begonnen hat. Viele Ausleger haben deshalb richtigerweise auf die auffälligen Parallelen zu den ersten Seiten der Bibel (1Mo 1–2) hingewiesen. Da ist zum einen Johannes’ wiederholter Hinweis auf den „ersten Tag der Woche“ (Joh 20,1.19) und darauf, dass „es noch finster war“ (20,1), als Maria zum Grab kommt. Da ist zum anderen die Szene im späteren Verlauf des Textes: Jesus kommt zu seinen Jüngern, spricht sie an und sendet sie aus. Und dann tut er etwas ganz Besonderes: „Und als er dies gesagt hatte, hauchte er sie an und spricht zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist!“ (20,21–22)

Sofort werden wir an die ersten Verse der Bibel erinnert, wo der Schöpfer am ersten Schöpfungstag die Finsternis durch das Licht vertreibt. Wir werden aber auch an 1. Mose 2,7 erinnert, wo Gott Adam anhaucht und damit zum Leben erweckt. In Johannes 20 sendet Jesus seine Jünger aus, haucht sie an und kennzeichnet sie damit gewissermaßen als neue messianische Gemeinschaft mit einem klaren Auftrag: Den Anbruch der neuen Schöpfung zu verkünden.

„Jesu Auferstehung ist nicht einfach das Happy End nach seinem tragischen Tod. Sie ist der unglaublich fröhliche Anfang von Gottes neuer Schöpfung.“
 

Wir sehen schon im Alten Testament, dass Gott eine neue Schöpfung verheißt, die durch das Kommen des Messias anbrechen wird. Und auch das Neue Testament betont diesen Gedanken immer wieder: Er ist der zweite Adam, der die neue Schöpfung einläutet. In der Offenbarung wird Jesus der „Anfang der Schöpfung Gottes“ genannt (Offb 3,1). Jesus ist das Wort Gottes, durch das diese Welt geschaffen wurde (Joh 1,1–3). Und Jesus ist der Christus, durch dessen Tod und Auferstehung die Neue Schöpfung anbricht (Joh 20).

Jesus lebt – und das verändert alles! Seine Auferstehung stellt einen radikalen Einschnitt in der Geschichte der Menschheit dar. Sie ist ein kosmisches Erdbeben, das die alte Welt in ihren Grundfesten erschüttert hat: Dem Teufel wurde der Kopf zertreten und der Sieg über den letzten Feind, den Tod, ist besiegelt. Jesu Auferstehung ist nicht einfach das Happy End nach seinem tragischen Tod. Sie ist der unglaublich fröhliche Anfang von Gottes neuer Schöpfung. Luther hatte das begriffen, weshalb er sich immer wieder an die Auferstehung seines Herrn klammerte. Das brachte ihm Trost und Hoffnung. Das erfüllte sein Herz mit neuem Mut.

Die Apostel vertrösten uns in ihren Briefen deshalb nicht einfach auf den Himmel, sondern zeigen uns, dass der Glaube an die Auferstehung Jesu große Bedeutung für unser Leben als Kinder Gottes im Hier und Jetzt hat. Von Paulus erfahren wir, dass in jedem, der an Christus glaubt, die neue Schöpfung angebrochen ist (2Kor 5,17) und dass Gottes Auferstehungskraft in uns lebt (Eph 1,19–20). Wir sind also weder auf unsere eigene Kraft noch auf die Stärke unseres Glaubens geworfen, sondern dürfen aus der Kraft leben, die Christus aus den Toten auferweckt hat. Mit Hinweis auf die Auferstehung Jesu ermutigt Paulus uns dann auch zum Dienst im Reich Gottes: Weil Jesus wirklich auferstanden ist und lebt, ist keine unserer Bemühungen für sein Reich vergeblich (1Kor 15,58).

Bei Petrus lesen wir, dass wir jetzt schon die Freude erleben können, welche die Jünger erlebt haben, als sie dem auferstandenen Jesus leibhaftig begegneten. Warum? Weil wir ihm auch begegnet sind – und zwar in seinem Wort: „Bisher habt ihr ihn nicht mit eigenen Augen gesehen, und trotzdem liebt ihr ihn. Ihr vertraut ihm, auch wenn ihn jetzt noch nicht sehen könnt. Daher erfüllt euch schon jetzt eine überwältigende, jubelnde Freude, eine Freude, die die künftige Herrlichkeit widerspiegelt“ (1Pet 1,8).

Im letzten Buch der Bibel steht der altgewordene und durch Leiden gezeichnete Johannes dem auferstanden, verherrlichten Jesus gegenüber, der ihn mit folgenden Worten anspricht: „Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige, und ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und des Hades“ (Offb 1,17–18).

Was für ein gewaltiges Bild! Und was für eine Hoffnung, die Gott dir und mir dadurch schenkt! Denn dieser allmächtige, verherrlichte König Jesus lebt nicht nur. Er lebt für dich – jetzt und in alle Ewigkeit. Er erhält und trägt uns mit seiner Gegenwart. Er führt und leitet uns durch seinen Geist. Er schützt und verteidigt uns durch ein Wort. Das ist die Realität, die wir im Glauben ergreifen dürfen – wenn wir uns ausgeliefert und verloren vorkommen, wenn wir uns in einer scheinbar aussichtslosen Situation befinden, wenn es sich so anfühlt, als hätten Krankheit, Verletzungen und Tod das letzte Wort, wenn unser Herz von Ängsten und Sorgen geplagt ist. Gerade in diesen Momenten brauchen wir den Blick auf den Auferstandenen, der für uns lebt und regiert, der für uns eintritt und betet und dessen Wort feststeht: „Siehe, ich mache alles neu!“ (Offb 21,5).

Alles ist anders, weil er lebt!