Die Entschlüsse des Jonathan Edwards
Er war ein junger Mann und unsicher, welchen Weg er für seine Zukunft einschlagen sollte. Da er in vielerlei Hinsicht begabt war, standen ihm eine ganze Reihe von Möglichkeiten offen. Sein Vater und sein Großvater waren Geistliche, wie auch einige Onkel und weitere Vorfahren im Familienstammbaum. Er hatte eine erstklassige Ausbildung erhalten, eine der besten seiner Zeit, daher war er gut auf eine akademische Laufbahn vorbereitet, falls er sich für diesen Weg entscheiden sollte. Zudem zeigte er eine Vorliebe für die Wissenschaft, entsprechend war es denkbar, vielleicht in diese Richtung voranzugehen. Doch zum jetzigen Zeitpunkt war er Pastor – und zwar ein sehr junger Pastor. Er war 18, wurde bald 19, und lebte weit von seiner Heimat im Conneticut River Valley entfernt, mitten im Wirrwarr einer Gemeindespaltung einer Presbyterianischen Gemeinde in New York City. Man hatte ihn gebeten, die kleinere Splittergruppe irgendwo an den Docks des städtischen Hafens als Pastor zu betreuen. Im Jahr 1722 – dem Jahr, von dem wir hier sprechen – war in New York City längst nicht so viel los wie heute. Die Einwohnerzahl lag knapp unter 10.000. Aber für einen jungen Mann aus einer Kleinstadtidylle in Neuengland war dies dennoch ein Ort, wie er ihn noch nie zuvor gesehen hatte.
Inmitten all dieser Fragen und Ungewissheiten benötigte jener junge Mann, Jonathan Edwards, zwei Dinge: festen Boden unter den Füßen und einen Kompass, der ihm half, die richtige Richtung zu finden. Und so begann er zu schreiben. Er führte ein Tagebuch und notierte dort einige Leitlinien, die er seine „Entschlüsse“ [engl. Resolutions] nannte. Diese Entschlüsse sollten für ihn der Boden werden, auf dem er stehen konnte, und der Kompass, der ihm Orientierung für seinen Weg bot.
Der Kirchengeschichtler Sean Lucas hat einmal darauf hingewiesen, dass es eine Zeit gab, in der Jonathan Edwards noch nicht Jonathan Edwards war. Damit ist gemeint, dass es eine Zeit gab, in der Edwards noch nicht der große Theologe und Pastor war, als der er heute bekannt ist. In den Jahren 1722 und 1723 – damals 19 Jahre jung – war er einfach nur Jonathan Edwards. Die Große Erweckung und sein Anteil daran, die Veröffentlichung von Religious Affections (dt. Sind religiöse Gefühle zuverlässige Anzeichen für wahren Glauben?), Life of Brainerd (dt. Das Leben von David Brainerd: Tagebuch eines Indianermissionars) und Freedom of the Will – ganz zu schweigen von den vielen anderen Büchern, Predigten und Schriften, mit denen man Regale füllen könnte –, sein missionarisches Wirken in Stockbridge und schließlich seine Präsidentschaft an der Princeton University (damals kannte man sie als College of New Jersey) – all das lag noch in der fernen Zukunft. Den Jonathan Edwards, mit dem sich heute Bücher, Dissertationen, Konferenzen und Webseiten befassen, gab es noch nicht. Damals, 19 Jahre alt, war Jonathan Edwards sozusagen erst im Begriff, Jonathan Edwards zu werden.
Aristoteles hat sich mit dem Unterschied zwischen Aktualität und Potentialität befasst, dem Unterschied zwischen dem, was ist, und dem, was werden kann. Aristoteles betrachtete das aktuale Sein als wirkliches Sein, wogegen das potentielle Sein etwas Geringeres ist. An diesem Punkt treten gerne die Selbsthilfe-Gurus auf den Plan und wollen uns sieben Geheimnisse andrehen, wie wir unser bestmögliches Ich werden können – falls wir an ihrem Seminar teilnehmen, das Arbeitsbuch kaufen und uns für sieben weitere Kurse anmelden. Doch Edwards ist meilenweit davon entfernt, ein Selbsthilfe-Guru zu sein. Ebenso haben seine Entschlüsse nichts gemein mit jenen Arbeitsbüchern, die man von einem Seminar mit nach Hause nimmt. Aber Edwards’ „Entschlüsse“ schaffen das, was all die Selbsthilfe und die Arbeitsbücher nicht schaffen. Sie leisten das, was jene nicht vermögen, weil sie von A bis Z etwas völlig anderes sind als diese Bücher, die die Selbsthilfe- und Ratgeber-Regale unserer Buchläden überschwemmen.
Man muss sich zunächst den Ausgangspunkt der „Entschlüsse“ vor Augen führen. Es war irgendwann zwischen Herbst und Winter 1722, als Edwards seine „Entschlüsse“ zu notieren begann. Er datierte den Entschluss Nr. 35 auf den 18. Dezember 1722 und den letzten, Nr. 70, auf den 17. August 1723. Wahrscheinlich begann er also mit seinen Entschlüssen einige Zeit vor dem Datum von Nr. 35, kurz nachdem er achtzehnjährig im August 1722 in New York City angekommen war. Die Entschlüsse halfen ihm, diese spannungsgeladene Zeit in seinem Leben zu bewältigen – eine Zeit der Unsicherheit und Veränderung, wie sie die neue Umgebung mit sich brachte. Doch bevor Edwards den ersten Entschluss niederschrieb, stellte er eine einleitende Bemerkung voran:
„Da ich mir bewusst bin, dass ich ohne Gottes Hilfe nichts tun kann, bitte ich ihn demütig, mich durch seine Gnade zu befähigen, diese Entschlüsse zu halten, soweit sie mit seinem Willen übereinstimmen, um Christi willen.“
Diese Vorbemerkung bildet die Grundlage für die siebzig Entschlüsse, die darauf folgen. Es ist wichtig, sich dessen bewusst zu sein. Wenn man die Entschlüsse von diesem zuvor gelegten Fundament abtrennt, dann wird man sie als eine Sache der persönlichen Einsatzbereitschaft betrachten und der Entschlossenheit, sein „besseres Ich“ zu verwirklichen. Eine solche Lesart der Entschlüsse ist nicht nur ein Missverständnis, sondern tragisch. Der sich selbst verwirklichende Mensch ist ein modernes Ideal, aber kein biblisches. Aber auch mit dieser Vorbemerkung im Hinterkopf kann man sehen, wie Edwards sich selbst zu einem Leben mit hohen Standards und großen Erwartungen herausfordert. Er ist entschlossen, ein Leben zu leben, das wirklich zählt, er will nicht nur irgendwie seine Zeit verbringen. In Entschluss Nr. 6 ruft er aus:
„Entschlossen, mein ganzes Leben mit all meiner Kraft zu leben.“
In dieser Liste von siebzig Entschlüssen, die Edwards helfen sollen, das Leben voll auszuschöpfen, erscheinen verschiedene Kategorien und Themen. Manche betreffen zwischenmenschliche Beziehungen und Interaktionen. Einige betreffen den Punkt, der auf derartigen Listen mit Vorsätzen einfach dazugehört: Essen und Trinken. Bei manchen geht es um sein geistliches Leben und dessen praktische Umsetzung. Manche spiegeln sein Verlangen wider, seine Zeit auf der Erde weise zu investieren. Diese Art von Entschlüssen ist sicherlich auf jeder Liste von guten Vorsätzen zu finden. Trotz aller Unterschiede zwischen dem 21. und dem 18. Jahrhundert sind sich die Menschen tatsächlich ziemlich ähnlich. Doch Edwards’ Liste enthält auch einige Themen, die einzigartig sind.
Ein solches einzigartiges Thema ist Leid und Bedrängnis. Gegen Ende der Liste schreibt Edwards:
„Entschlossen, nach Bedrängnissen zu überlegen, wie ich durch sie besser geworden bin, was ich durch sie Gutes empfangen habe und was ich durch sie hätte erlangen können.“
Hier zeigt sich Edwards’ außerordentlich großes Gottesbild, nach dem sowohl das Gute als auch das Übel in seinem Leben aus der Hand Gottes kommt – eine Einsicht, die auch für den reifsten Christen ein harter Brocken sein kann, ganz zu schweigen von einem Neunzehnjährigen! Er war überzeugt, dass auch die finster dreinblickende Seite der Vorsehung – wie die Puritaner Leid und Bedrängnis manchmal nannten – zu seinem Besten angeordnet war. So beschloss Edwards, sich dem Willen und den Wegen Gottes zu fügen.
„Hier zeigt sich Edwards’ außerordentlich großes Gottesbild, nach dem sowohl das Gute als auch das Übel in seinem Leben aus der Hand Gottes kommt.“
Ein weiteres einzigartiges Thema betrifft sein tiefes Bewusstsein für die Sterblichkeit und Zerbrechlichkeit des Menschen. Man sagt den Puritanern manchmal nach, dass sie zu stark auf den Tod fixiert waren. Das Y im New England Primer [einer weit verbreiteten Leselernfibel] wird mit der Zeile präsentiert: „While Youth do cheer, death may be near“ [dt. „Auch wenn die Jugend lacht, kann der Tod nahe sein“]. Aber man muss tiefer sehen als nur auf die Oberfläche, wenn man die Puritaner und Edwards richtig verstehen will. Im 18. Jahrhundert war das Leben stets gefährdet und fragil. Und die Wahrheit ist, dass das Leben auch heute noch gefährdet und fragil ist; wir überdecken das nur mit unseren medizinischen und technischen Fortschritten. Es ist allzu leicht, das Bewusstsein unserer Zerbrechlichkeit zu verdrängen. Edwards wusste das nur zu gut. Daher blickt er in einigen Entschlüssen über dieses Leben hinaus auf das zukünftige. Er nimmt die Überlegung ernst, wie er sein Leben wohl dann beurteilen wird, wenn es zu Ende geht – er ist nicht so naiv, zu meinen, dass er davon verschont bliebe. Die verschiedenen Entschlüsse, in denen es um den Tod und das zukünftige Leben geht, erinnern uns im 21. Jahrhundert daran, wie kurz das Leben ist – etwas, das wir gerne vergessen oder ignorieren.
Dieses Bewusstsein für die eigene Sterblichkeit gab Edwards eine einzigartige Perspektive auf das Leben. Er dachte langfristig, nicht kurzfristig. Im Entschluss Nr. 52 gibt er sich selbst den weisen Rat:
„Ich höre regelmäßig alte Menschen davon reden, wie sie ihr Leben leben würden, wenn sie es nochmal leben könnten. Entschlossen, so zu leben, wie ich denke, dass ich mir später einmal wünschen werde, gelebt zu haben – vorausgesetzt, ich erreiche ein hohes Alter.“
Die Dringlichkeit oder – wie manche es nennen – die Tyrannei der Gegenwart hält uns oft von solch langfristigem Denken ab. Entsprechend fühlt sich unser Leben so ähnlich an wie das von jenem Mann, den Bill Murray in dem Film Und täglich grüßt das Murmeltier spielt. Wir stecken im Trott eines scheinbar ziellosen Kreislaufs fest. Wir sagen uns: Wenn wir es nur schaffen, diesen Tag heute zu bewältigen, dann wird morgen alles anders. Doch dann kommt morgen, und nichts ist anders. Aber es gibt einen Ausweg aus diesem ziellosen Kreislauf, einen Weg in die Freiheit. Im langfristigen Denken – tatsächlich im sehr langfristigen Denken, nämlich in der Ewigkeitsperspektive – finden wir diesen Weg. In Nr. 55 schreibt Edwards:
„Entschlossen, mich nach Kräften zu bemühen, so zu handeln wie ich denke, dass ich es tun würde, wenn ich bereits die Glückseligkeit des Himmels und die Qualen der Hölle gesehen hätte.“
„Er nimmt die Überlegung ernst, wie er sein Leben wohl dann beurteilen wird, wenn es zu Ende geht – er ist nicht so naiv, zu meinen, dass er davon verschont bliebe.“
Aber Edwards beginnt nicht nur ganz anders, als man es von Selbsthilfe-Gurus kennt, er verfolgt auch eine andere Absicht. Sein Ziel, das er vor Augen hat, als er die Entschlüsse fasst und dann hält, ist nicht Selbstverwirklichung, sondern Gottes Ehre. Es liegt eine Ironie darin, dass den Worten Christi zufolge gerade derjenige, der nach Selbstverwirklichung strebt, sein Leben verliert (Mt 10,39). Doch der, der die Ehre Gottes sucht, wird Leben im Überfluss finden. Das drückt Edwards in seinem allerersten Entschluss aus, der direkt auf die Vorbemerkung folgt:
„Entschlossen, das zu tun, was mir am meisten zu Gottes Ehre zu dienen scheint sowie zu meinem eigenen Besten, Nutzen und meiner Freude, so lange ich lebe.“
Der kürzere Westminster-Katechismus weist schon lange richtigerweise darauf hin: Die Verherrlichung Gottes und die Freude an ihm folgen mit notwendiger Konsequenz aufeinander. Edwards erweitert das nur. Die Verherrlichung Gottes und die Freude am Leben folgen mit notwendiger Konsequenz aufeinander. Ein Leben, das zu Gottes Ehre gelebt wird, ist zugleich ein Leben der Freude, ein gutes Leben. George Marsden beobachtet in seiner großartigen Edwards-Biografie: „Jonathan richtete seine ‚Entschlüsse‘ darauf aus, durch sie jede Lücke zu schließen, die zur Ablenkung von dem führen könnte, was er als das einzig bedeutsame Tun betrachtete: Gott zu verherrlichen“ (Jonathan Edwards: A Life, New Haven: Yale University Press, 2003, S. 50). In Edwards’ Leben sollte alles, sein Handeln und sein Streben, schlussendlich diesem Ziel dienen.
Schon allein das macht Edwards’ Entschlüsse außergewöhnlich. Auch sein Zeitgenosse Benjamin Franklin, der ebenfalls in der Kolonialzeit lebte, verfasste Entschlüsse. Nach seinem ersten Besuch in Frankreich 1726, auf der langen Heimreise nach Philadelphia, ging er daran, „einige Entschlüsse zu fassen, und einen Handlungsplan zu entwickeln“. Er fügte lebenslang Entschlüsse hinzu und überarbeitete sie immer wieder. In der ersten Version betrifft der dritte Entschluss sein Ziel: „Mich mit Fleiß jeglichem Geschäft zu widmen, das ich in die Hand nehme, und meinen Geist nicht von meinem Geschäft ablenken zu lassen durch irgendein törichtes Projekt, das schnellen Reichtum verspricht; denn Fleiß und Geduld sind die sichersten Mittel, um Überfluss zu erlangen". Seine Zielstrebigkeit und Geduld sind vorbildlich, aber letztendlich war es Franklins Ziel, „Überfluss zu erlangen“, also reich zu werden. Edwards steckte seine Ziele deutlich höher.
„Die Verherrlichung Gottes und die Freude am Leben folgen mit notwendiger Konsequenz aufeinander.“
Wie also Edwards seine Entschlüsse beginnt und wo sie hinführen, grenzt sie deutlich von jener Flut an Selbsthilferatgebern ab. Edwards hatte ein klares, anders geartetes Fundament und Ziel. Doch auch die Punkte dazwischen zeigen, dass er etwas Einzigartiges zu sagen hat. Eines davon betrifft das Lesen der Bibel. In der modernen und inzwischen postmodernen Welt wird sie von vielen als altes Buch abgetan, das weder glaubwürdig noch bedeutsam ist. Im Gegensatz zu einer solchen Auffassung verpflichtete sich Edwards zur Hingabe an die Schrift, wie der Entschluss Nr. 28 zeigt:
„Entschlossen, die Schrift so beständig, andauernd und häufig zu studieren, dass ich sehe und deutlich an mir wahrnehme, wie ich in ihrer Erkenntnis wachse.“
Auch über Gebet hat Edwards etwas zu sagen, nämlich in Entschluss Nr. 29:
„Entschlossen, niemals etwas als Gebet zu betrachten oder als Gebet oder Bitte durchgehen zu lassen, das so gestaltet ist, dass ich nicht hoffen kann, dass Gott es erhört; ebenso kein Sündenbekenntnis, von dem ich nicht hoffen kann, dass Gott es annimmt.“
Vielleicht hatte Edwards gerade deswegen, weil er so gut mit Worten umgehen konnte, einen großen und gesunden Respekt vor ihnen. Es lag ihm fern, einfach Worte herunterzurasseln. Edwards wollte, dass das, was er im Gebet sagte, Gewicht hatte – keine schnell dahingesagten Worte, sondern Worte, die ernsthaftem Glauben entspringen. Man sollte hier übrigens auch Edwards’ Hinweis auf das Sündenbekenntnis nicht übersehen.
Die „Entschlüsse“ sind ein Ausdruck von Edwards’ tiefem Verlangen, in den geistlichen Disziplinen des Bibelstudiums und des Gebets treu zu sein. Viele Jahre, nachdem er New York verlassen hatte, während er Religious Affections schrieb, erinnerte er sich an seinen jüdischen Nachbarn von damals. Edwards erinnert sich lebhaft an diesen Mann, „der mir der frömmste Mensch zu sein schien, den ich jemals in meinem Leben gesehen hatte; einen Großteil seiner Zeit widmete er der Frömmigkeit“. Mit dem Verweis auf die Hingabe dieses Mannes forderte Edwards in Religious Affections (1746) die Christen zu größerer Hingabe heraus. Jahre zuvor, als er 1722 seine „Entschlüsse“ verfasste, hatte der Mann Edwards selbst im Hinblick auf seine Hingabe herausgefordert.
Aber nicht nur über Bibellesen und Gebet hatte Edwards sich selbst etwas zu sagen, sondern auch über Gemeinschaft. Viele, wenn nicht sogar der Großteil der Entschlüsse betreffen zwischenmenschliche Beziehungen. Und davon wiederum geht es in den meisten um das Reden. Im Entschluss Nr. 34 verpflichtet er sich:
„Entschlossen, in Schilderungen niemals etwas anderes als die reine und schlichte Wahrheit zu sagen.“
Er wollte aber nicht nur wahr, sondern auch freundlich reden. So schreibt er in Entschluss Nr. 31: „Entschlossen, niemals irgendetwas gegen irgendjemanden zu sagen, außer es befindet sich in vollkommenem Einklang mit dem höchsten Anspruch der christlichen Ehre und der Liebe zu den Menschen“, und fügt hinzu: „im Einklang mit der tiefsten Demut und dem Wissen um meine eigenen Fehler und Schwächen“. Edwards erkannte, wie kritisch er anderen gegenüber sein konnte, wenn es um die gleichen herben Fehler ging, die er doch auch in seinem eigenen Leben hatte. Ein Bewusstsein dafür zu haben, ist von großer Tragweite im Umgang mit unseren Ehepartnern, Kindern und sonstigen Familienmitgliedern, mit unseren Glaubensgeschwistern, mit unseren Kollegen, Chefs und Nachbarn.
Zudem ließ sich Edwards nicht zu einer naiven Sicht auf zwischenmenschliche Beziehungen hinreißen. Das wird im Entschluss Nr. 33 klar, wo er schreibt:
„Entschlossen, stets alles zu tun, was in meiner Macht steht, um Frieden zu stiften, zu fördern und zu bewahren, so weit es ohne anderweitigen, großen Schaden geschehen kann.“
Man bedenke, dass Edwards damals, als er das schrieb, der Pastor einer Splittergruppe nach einer Gemeindespaltung war. Er wusste um die Schwierigkeiten, mit denen man im zwischenmenschlichen Miteinander irgendwie umgehen musste.
Der letzte dieser durchnummerierten Entschlüsse, Nr. 70, besagt:
„Es möge in allem, was ich sage, etwas Wohlwollendes liegen.“
Allein dieser Entschluss wäre genug, um ein Leben lang an seiner Umsetzung zu arbeiten. Edwards hatte noch 69 weitere, die genauso herausfordernd sind.
Wenn man einige dieser Entschlüsse liest, könnte man den Eindruck gewinnen, dass Edwards nahezu ein Übermensch war. Aber in Entschluss Nr. 36 kommt zum Vorschein, wie er doch einfach nur Mensch ist. Im ersten Teil schreibt er: „Entschlossen, niemals über irgendjemanden etwas Schlechtes zu sagen“, und fügt dann hinzu: „außer, ich habe einen wirklich guten Grund dafür“. Es ist erfrischend, wie menschlich Edwards ist. Das zeigt sich auch in Entschluss Nr. 56, in dem er sich aufrichtig mit seiner Sünde befasst, mit seinen „Verderbtheiten“. Er schreibt:
„Entschlossen, in meinem Kampf gegen meine Verderbtheiten niemals aufzugeben, auch nicht im Geringsten darin nachzulassen, wie erfolglos ich dabei auch sein mag.“
Es ist ermutigend, unsere „Helden“ als Menschen zu sehen. Und genau so sollen wir sie sehen. Eine ordentliche Portion Demut und ein beständiges Bewusstsein dafür, dass wir Menschen sind, zerbrechlich und fehlerhaft, werden uns zu einer gesunden Perspektive verhelfen – sowohl auf die Entschlüsse des Jonathan Edwards als auch auf unsere eigenen, die wir uns vornehmen und zu halten versuchen. Wir müssen im Gedächtnis behalten, dass es eine Zeit gab, in der Jonathan Edwards noch nicht Jonathan Edwards war. Und noch wichtiger, wir müssen uns daran erinnern, dass es nicht Jonathan Edwards war, der aus Jonathan Edwards Jonathan Edwards machte – so gut er auch darin gewesen sein mag, Entschlüsse zu fassen und zu halten. Gott machte Jonathan Edwards zu dem, der er später war, und zwar durch das Wirken Jesu Christi, der Gott und Mensch zugleich war. Christus fasste den ultimativen Entschluss, und er hielt ihn vollständig und vollkommen. Christus entschloss sich, sein gefallenes und sündiges Volk zu retten, damit diese neue Gemeinschaft mit dem Vater versöhnt werden und nach einem heiligen Leben streben kann.
Viele Jahre später – in der ereignisreichen Zeit der Großen Erweckung – schrieb ein Teenager namens Deborah Hatheway einen Brief an Edwards und bat um Rat, wie man als Christ leben soll. Sie lebte in Suffield (Conneticut), einer Stadt, die damals keinen Pastor hatte. Weil Suffield nicht weit von Northampton entfernt lag, predigte Edwards dort hin und wieder. Edwards antwortete ihr – mitten in der wahrscheinlich hektischsten Zeit seines Lebens – mit einem Brief, der 19 Punkte umfasste. Im Prinzip handelte es sich bei diesem Brief um eine Reihe von Entschlüssen für sie und ihre Freunde (Edwards ermutigte sie, den Brief mit ihren Freunden gemeinsam zu lesen). Er geht darin auf das Thema „geistliche Gewohnheiten“ ein, auf das Bewusstsein für Sünde, und darauf, sich noch viel mehr der Gnade bewusst zu sein. Doch der vielleicht beste Rat kommt gegen Ende, wo er schreibt:
„Was auch immer du tust, geh mit Gott und folge Christus nach als ein kleines, armes, hilfloses Kind, das Christi Hand ergreift und stets die Wundmale an seiner Hand und an seiner Seite vor Augen behält.“
Entschlossen – dank dieser Erinnerung von Jonathan Edwards –, unsere Augen stets fest auf Christus zu richten.