
Die Himmelfahrt Christi
Die Himmelfahrt als Dreh- und Angelpunkt des Werkes Christi
Es ist geradezu Pflicht, jedes Werk über die Himmelfahrt mit der gegenwärtigen Vernachlässigung des Themas in der Gemeinde anzufangen. Trotz zahlreicher Bücher und der Bedeutung, die dieser Lehre in den Bekenntnissen eingeräumt wurde, ist diese Strategie wohl immer noch berechtigt. Christi Aufstieg von der irdischen Sphäre, um seinen Platz zur Rechten Gottes einzunehmen, und alle dazugehörigen Nachwirkungen ergreifen die dadurch gegründete Gemeinde immer noch nicht. Die Himmelfahrt ist keineswegs eine theologische Belanglosigkeit, sondern der Dreh- und Angelpunkt des Werks des fleischgewordenen Christus und eine Voraussetzung für das Leben und die Treue der Gemeinde. Patrick Schreiners Beitrag zur „Lexham Press Snapshots“-Reihe handelt von der Himmelfahrt Christi, um unsere Sicht auf Jesus in der Fülle seines anhaltenden Dienstes umzugestalten.
„Die Himmelfahrt ist keineswegs belanglos, sondern eine Voraussetzung für das Leben und die Treue der Gemeinde.“
Warum ist ein klares Verständnis der Himmelfahrt so notwendig? Ohne Nachdenken über die Himmelfahrt bleibt Christus eine Persönlichkeit der Vergangenheit, ohne Wirkung und Amt in der Gegenwart. Als bloße Geschichtsfigur kann Christus nach den Launen des Zeitalters geformt werden und hat nichts zu melden. Die Himmelfahrt Christi unterbindet einen solchen Götzendienst. Der ewige Sohn, der Fleisch wurde, beendet seinen Dienst nicht mit dem Kreuz und der Auferstehung, sondern stellt uns verherrlicht vor Gott, den Vater, und sendet den Heiligen Geist, um den Plan des dreieinigen Gottes zur Wiederherstellung der Schöpfung zu vollenden. Der aufgefahrene Christus vertritt uns gegenwärtig im Himmel (in Gottes Raum und Zeit), um unsere Erlösung fortzusetzen und über die Erde zu herrschen (unseren Raum und Zeit), bis er wiederkommt, um beide Sphären im neuen Himmel und der neuen Erde zu vereinigen. Christus spricht, tritt für uns ein und regiert nicht nur in der Vergangenheit oder der eschatologischen Zukunft, sondern jetzt als der aufgefahrene Herr.
Orientierung am dreifachen Dienst Christi
Das Ziel des Buches ist es, die Himmelfahrt Christi „erzählerisch und theologisch besser zu platzieren", um der Vernachlässigung in der Kirche entgegenzuwirken. Schreiner gelingt dies, indem er über die Himmelfahrt in Bezug auf die Ämter Christi als König, Priester und Prophet nachdenkt. Das Werk schließt mit einem Kapitel, das die theologische Bedeutung der Himmelfahrt für andere theologische Themen beschreibt. Schreiners kurze Arbeit führt das Beste aus Exegese und Biblischer Theologie zusammen und behält dogmatische Anliegen im Blick, vor allem im abschließenden Kapitel.
Für jedes Amt Christi bietet Schreiner eine biblisch-theologische Übersicht von Christi irdischer Erfüllung des Amtes, die er durch Studien der alttestamentlichen Vorgänger und typologischen Muster unterstützt. So zeigt er auf, dass die Himmelfahrt „Christi dreifaches Amt in eine neue Epoche erhebt" (S. 115). Die Himmelfahrt und die anschließenden Ereignisse und Taten Christi – Pfingsten, Fürbitte und Mitregierung – werden in diesem Kontext untersucht, um Christi fortdauernden Auftrag in der Zeit zwischen seinem ersten und zweiten Kommen zu beleuchten. Diese Ereignisse begründen die Kraft für die Existenz und den Auftrag der Gemeinde und leiten daraus ihre Berufung ab, die Ämter Christi als König, Priester und Prophet auszuleben. Diese ekklesiologischen Anwendungen sind in besonderer Weise hilfreich, um die Bedeutung der Himmelfahrt für den Auftrag der Gemeinde zu etablieren.
Jedes Kapitel beinhaltet eine kurze, aber aufschlussreiche Darstellung der nicht verminderbaren Auswirkungen der Himmelfahrt und der nachfolgenden Werke Christi mit Einblicken in weitere theologische Themen. Christus als aufgefahrener Prophet und Auftraggeber des Heiligen Geistes bietet die Grundlage für die Lehre der Schrift dar. Christus als aufgefahrener Priester bietet seinem Vater das Blut seines einmaligen Opfers an, sein kontinuierliches Eintreten für sein Volk bildet die Grundlage der Heilsgewissheit. Christus als aufgefahrener König regiert als Herr der Gemeinde und weitet den Sieg des Kreuzes über alle Macht der Dunkelheit und des Satans aus. Diese Erklärungen der Ämter Christi sind durchaus angebracht, um eine schlüssige Darstellung des erhöhten Dienstes Christi zu vermitteln, haben jedoch einige Mängel. Die Werke und Taten des erhöhten Christus passen nicht immer in dieses Schema, was dazu führen kann, dass wichtige Bestandteile des Werkes Christi übersehen oder zu wenig beachtet werden.
So wird z.B. Pfingsten vor allem im Hinblick auf den prophetischen Dienst behandelt, doch Schreiner muss es ohne vollständige Behandlung auch mit Bezügen zu den anderen Ämtern Christi versehen. Der aufgefahrene Christus sendet den Geist als König, Christus als Herr hat die Autorität dazu und als Priester ist der Heilige Geist als Tröster gesandt und wendet das Opferblut Christi an der Gemeinde an. Pfingsten und die Himmelfahrt als grundlegende offenbarende Taten des dreieinigen Gottes wären exakter als gemeinsam unter jedem Amt Christi dargestellt. Doch solche geringfügigen Mängel sind vor allem wegen der Kürze des Werkes verständlich und werden von der Nützlichkeit der Darstellung als munus triplex aufgefangen.
„Der Rest von Christi Werk kann ohne die Himmelfahrt nicht angemessen bedacht werden.“
Eine große Stärke von Schreiners Werk ist seine Darstellung der alttestamentlichen Typologie, die der Bedeutung von Christi Himmelfahrt zugrunde liegt. Die Himmelfahrt kommt nicht aus dem Nichts, sondern wurde im Alten Testament als Höhepunkt des messianischen Erscheinens vorgesehen. Schreiner greift auf die Klassiker unter den alttestamentlichen Vorgängern zurück: Die Entrückung Elias, Moses Aufstieg auf den Sinai, die Inthronisierung des messianischen Königs in den Psalmen (vor allem Psalm 2 und 110). Er zieht auch eine typologische Verbindung zu eher übersehenen Aspekten, die der Ausarbeitung eine konturenreiche Sicht auf die alttestamentlichen Erwartungen gewährt. Schreiner greift dabei sowohl auf Aufstiegs- und Abstiegsthemen in den Schöpfungs- und Sündenfallerzählungen als auch auf die symbolische Architektur der Stiftshütte und des Tempels zurück. All das ermöglicht ein abgeschlossenes Bild.
In seinem abschließenden Kapitel stellt Schreiner die Himmelfahrt in ihre theologische Position, bedenkt die ineinander verwobene Beziehung der Dreieinigkeit, die Fleischwerdung, das Kreuz und die Endzeit. Er zeigt eindrücklich auf, dass die Himmelfahrt nicht isoliert betrachtet werden kann, dass aber auch der Rest von Christi Werk nicht angemessen bedacht werden kann, ohne die Himmelfahrt miteinzubeziehen. Wie Schreiner bemerkt, „bereichert eine gesunde Betonung der Himmelfahrt" (S. 101) andere Lehren, statt sie zu überschatten.
Leseempfehlung
Schreiner hat eine Einführung verfasst, die eine reiche Auslegung der Himmelfahrt für das alltägliche christliche Publikum bietet. Das Buch bietet einen durchgehend biblischen und theologischen Einblick in die Bedeutung dieses vernachlässigten Werkes Christi und seiner Bedeutung für die Gemeinde heute. Der große Vorteil gegenüber den vielen anderen Werken, die sich mit diesem Thema befassen, liegt in seiner Prägnanz und Zugänglichkeit, die die ständigen Warnungen vor einer Vernachlässigung der Himmelfahrt durch die Kirche überflüssig machen könnten.
Buch
Patrick Schreiner, The Ascension of Christ: Recovering a Neglected Doctrine, Bellingham: Lexham 2020, 127 Seiten, ca. 15,00 Euro.