Ezer als Pastorenfrau leben?!

Zweiter Teil der Interviewreihe: Verena Wegert

Interview mit Ezer und Verena Wegert
5. Juni 2021 — 6 Min Lesedauer

Ezer, hebräisch „Hilfe“, nennt sich der Frauenarbeitszweig von Evangelium21.

In 1. Mose 2,18 lesen wir: „Dann sprach Gott, der HERR: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein bleibt. Ich will ihm eine Hilfe (hebr. „Ezer“) machen, die ihm entspricht“.

Die Frau als Hilfe bzw. Gehilfin ist ihrem Mann weder unterlegen noch ist sie minderwertig. Sie ergänzt ihn, passt zu ihm, ist für ihn unentbehrlich und befindet sich mit ihm auf Augenhöhe. Eva war für Adam die perfekte Ergänzung, die er brauchte, um das von Gott gegebene Schöpfungsmandat auszuführen. Auch Gott ist ein Helfer. Im Alten Testament bezeichnet Er sich selbst als Ezer und im Neuen Testament befähigt Jesus seine Braut, die Gemeinde, den Missionsauftrag zu erfüllen, indem er ihr seinen Geist als Helfer sendet.

In unserer Interview-Reihe „Wie lebe ich Ezer praktisch?!“ möchten wir einen Einblick in das Leben verschiedener Frauen gewähren und fragen, wie sie im Alltag als Helferin leben.


Heute stellen wir Verena Greta Wegert vor. Sie ist 46 Jahre alt, lebt bei Hamburg, ist Erzieherin, Sozialpädagogin und Diakonin. Sie ist verheiratet mit Christian, dem Leiter des Gemeinde- und Missionswerkes Arche in Hamburg. Gemeinsam haben sie drei Kinder. Sie gehört zur E21-Ezer-Gruppe und unterstützt die Frauenorganisation „Belebe unsere Herzen“. Außerdem leitete sie jahrelang den Frauenzweig in der Arche-Gemeinde.

Ezer: Verena, wie nimmst du die Stellung der Frau in der kirchlichen Gemeindelandschaft wahr?

Verena: Zwei Dinge fallen besonders auf: Zum einen nimmt die Ordination von Frauen zum Pastorendienst weiter zu. Sie werden als Lehrerinnen, Hirtinnen und Leiterinnen eingesetzt. Besonders in den Freikirchen war dies vor einigen Jahren noch nicht denkbar. Zum anderen beobachte ich, dass es in immer mehr Freikirchen nicht mehr allein einen leitenden Pastor gibt, sondern dass er diese Aufgabe zusammen mit seiner Frau wahrnimmt. Somit leitet das Pastorenehepaar die Gemeinde und nicht mehr der Pastor und die Ältesten. Doch dieses Konzept finden wir in der Bibel nicht. In 1. Timotheus 3 zum Beispiel werden die Qualifikationen für einen Gemeindeleiter genannt. Hier lese ich nichts von einer Frau an seiner Seite, die ebenso leiten, predigen und Verantwortung übernehmen soll. Das hat Gott meinem Mann aufgetragen – nicht mir. Ich denke, dass es auch ein ziemlicher Druck für manche Ehefrau sein muss, ständig an der Seite des Pastors in der Verantwortung zu stehen.

Ezer: Wie lebst du das Ezer-Konzept in deiner Gemeinde an der Seite eines Pastors?

Verena: Diese Frage stelle ich mir immer wieder neu. In den verschiedenen Lebenslagen, in denen eine Frau steht, bekommt sie immer wieder eine andere Gewichtung. Habe ich beispielsweise kleine Kinder, so sind diese natürlich in erster Linie mein Wirkungskreis. Habe ich keine Kinder oder sind sie bereits selbständiger, so eröffnen sich ganz andere Möglichkeiten, an der Seite meines Mannes in der Kirche zu dienen. Ich kann das Haus mehr öffnen (wenn Corona dies zulässt), habe Kapazitäten, Abendveranstaltungen zu besuchen oder mitzugestalten und kann intensiver in Beziehungen investieren. Das bringt durchaus Freude!

„Ich bin die Frau vom Pastor – nicht die Frau Pastor!“
 

Bin ich dagegen berufstätig, so muss ich wieder abwägen, welche Prioritäten ich setze. In erster Linie bin ich für meinen Mann da und nicht für die Gemeinde. Mir hilft die banale Weisheit: Ich bin die Frau vom Pastor – nicht die Frau Pastor!

Ezer: Zweifelst du manchmal an deiner persönlichen Umsetzung, Helferin deines Mannes zu sein?

Verena: Ja, schon. Immer wieder versuche ich anhand der Bibel zu prüfen, ob ich menschlich oder biblisch denke und handle. Als Pastorenfrau scheine ich mehr im Fokus der Gemeinde zu stehen. Man achtet bei der Frau des Pastors eher darauf, wie sie sich verhält, kleidet und redet. Dies ist einerseits eine große Chance und Möglichkeit, durch mein Vorbild prägend auf andere zu wirken, andererseits kann es anstrengend werden, wenn ich Menschen gefallen möchte und nicht Gott.

Wichtig dabei ist der Austausch mit meinem Mann, der mich ermutigt, so zu sein, wie Gott mich gemacht hat, ohne mich zu verbiegen. Das dient tatsächlich meinem Mann selbst. Denn wenn ich zu Hause ermüdet und gestresst von der Gemeindearbeit bin, bleibt keine Kapazität für die Familie übrig. Meinem Mann dient es, in der Familie aufzutanken und sie als einen Rückzugsort zu erleben. Darin kann ich ihn unterstützen, wenn ich ihn und die Kinder priorisiere.

So möchte ich nicht Menschen in der Gemeinde, sondern in erster Linie Gott gefallen, er sieht mein Herz. Das klappt mal mehr, mal weniger gut. (lacht)

„Meinem Mann dient es, in der Familie aufzutanken und sie als einen Rückzugsort zu erleben. Darin kann ich ihn unterstützen, wenn ich ihn und die Kinder priorisiere.“
 

Ezer: Wie lebt ihr als Ehepaar die biblische Rollenverteilung ganz praktisch?

Verena: Eva wurde als helfendes Gegenüber geschaffen. Ein ultimatives Pendant zum Mann. Gemeinsam sind wir als Ehepaar komplett. Mein Mann hilft mir genauso wie ich ihm, aber in verschiedenen Rollen. Leitende Tätigkeit führt er aus, dazu helfe ich ihm. Familiäre Dinge besprechen wir gemeinsam, bevor ich ihn entscheiden lasse. Mich entspannt dieses biblische Konzept sehr. Im Laufe unserer 25jährigen Ehe habe ich lernen dürfen, dass es nicht auf meine Performance ankommt, sondern dass wir ein Team sind und Christian mein Teamleader ist, den ich nach allen Kräften und mit großer Freude und Gewinn unterstütze. Wir spielen gemeinsam, haben ein und dasselbe Ziel.

Ezer: Was siehst du in deiner Ehe, Familie und Gemeinde als dein Aufgabengebiet an?

Verena: Ich finde es bemerkenswert, dass die Rolle der Pastorenfrau sich in den letzten Jahrzehnten sehr verändert hat. Meine Schwiegermutter war auch ihr ganzes Leben lang die Frau vom Pastor und damals war es selbstverständlich, dass sie sehr präsent mitgearbeitet hat, Frauentreffen gehalten, Kranke besucht, Kuchen gebacken und viele Gäste beherbergt hat. Die Liste ist endlos. Ihr Tun stand im Vordergrund. Heute wird in der Gemeinde eher darauf Wert gelegt, dass die Pastorenfrau nahbar ist. Die Beziehungsebene und das Sein scheint in den Fokus geraten zu sein. Ob ich einen Kuchen gebacken habe oder nicht, spielt weniger eine Rolle, als dass ich aufmerksame Gespräche führe, mich in das Leben jüngerer Frauen investiere und in der Seelsorge aktiv mitarbeite.

Wie gesagt, sehe ich mich primär als Ehefrau und Mutter, die zunächst unsere Familie als Hauptaugenmerk hat. Wenn darüber hinaus Kapazitäten frei sind, habe ich große Freude daran, das Gemeindeleben mitzugestalten. Bis vor einigen Wochen habe ich beispielsweise die Frauenarbeit in der Gemeinde geleitet. Doch werden an der Seite vom Pastor ohnehin so viele Dinge an mich herangetragen, dass ich ohne leitende Funktion eine bessere Möglichkeit habe, Menschen zu ermutigen, zu inspirieren und zu begleiten. Da kann ich natürlich nur von mir sprechen, denn jede Frau wurde individuell geschaffen und es gibt hier keinen absoluten Weg.

Ezer: Hast du Vorbilder aus der Bibel, die dich ermutigen, den „Ezer-Weg“ zu gehen?

Verena: Maria! Eine junge Frau, die sich sowohl Gott als auch Josef unterstellt, und die trotz ungewisser und erschreckender Zukunftsaussichten vertrauensvoll und demütig sagt: „Siehe, ich bin des Herrn Magd, mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (Lk 1,38). Von ihrem Glauben an Gottes gute Führung hätte ich gerne mehr.

Wenn ich zu Hause, im Himmel, bin, freue ich mich auch schon darauf, Katharina von Bora zu treffen – eine starke Persönlichkeit, die ihrem Mann den Rücken frei gehalten hat. Für mich sehr inspirierend!

Ezer: Vielen Dank für das Interview. Gott segne dich!