Seele, nähre dich gesund!

Rezension von Thomas Wohler
9. Juni 2021 — 9 Min Lesedauer

Wir leben in einer Zeit, in der jeder Einzelne mit so vielen Informationen konfrontiert wird, dass es nicht mehr möglich ist, jede noch so interessante oder wichtige Information gesund zu verdauen. In Krisen, wie sie derzeit die Welt aufgrund der Corona-Thematik erlebt, überborden insbesondere das Internet und die sozialen Medien. Zudem sind viele dieser Informationen für Herz und Geist nicht nur schwer verdaulich, sondern haben für unsere Seele häufig schädliche Folgen. „Unser Wissen wächst, doch unsere Weisheit schrumpft“ (S. 11) lautet die ernüchternde Einschätzung des Autors Brett McCracken. Doch ist gerade Weisheit nötig in einer westlichen Gesellschaft, die mehr und mehr orientierungslos oder gar verunsichert durch das Leben irrt.

In Anlehnung an die „Ernährungspyramide“, die eine ausgewogene und gesunde leibliche Ernährung fördern möchte, hat McCracken in seinem Buch eine „Weisheitspyramide“ entwickelt, die uns helfen soll, unsere Seele gesund zu ernähren, um ein geeignetes Immunsystem gegen ideologische Viren aufzubauen.

Aufbau des Buches

In der Einleitung geht der Autor der rhetorischen Frage nach, ob schon der weise sei, der viel wisse. Er zeichnet dazu das gesellschaftliche Bild der Postmoderne, in der die Wahrheit nicht mehr allgemeingültig objektiv, sondern individuell subjektiv definiert wird. Außerdem weiß er aus eigener Erfahrung, wie stark uns gerade die sozialen Medien und das Internet in ihren Bann ziehen bis hin zur Sucht. McCracken sieht vor allem drei Gewohnheiten, die uns krank machen. Die „Nahrung des Intellekts“, wie er es nennt, kann durchaus gesund sein, aber eben auch sehr schädlich, zur Verdummung führen und uns für Lügen anfälliger machen. Im „zu viel“ und „zu schnell“ und „zu sehr auf sich selbst konzentriert“ erkennt er den krankmachenden Einfluss von Informationen. Das führt zu geistigen Verdauungsproblemen und unausgewogener Ernährung, die nicht nur das eigene Leben zerstören, sondern auch die zwischenmenschlichen Beziehungen entfremden und spalten.

In „Teil 1: Was uns krank macht“ geht er dann näher auf diese krankmachenden Gewohnheiten ein: „Informationsüberflutung“ (Kapitel 1), „Immer etwas Neues“ (Kapitel 2) „Informationsautonomie – glaube nur dir selber“ (Kapitel 3).

„Ohne die Bibel und die feste Überzeugung, dass wir es mit dem heiligen und lebendigen Wort Gottes zu tun haben, ist jede weitere Ebene unbrauchbar.“
 

Ab „Teil 2: Was uns weise macht“ kommt McCracken zu seinem eigentlichen Anliegen und erläutert die „Weisheitspyramide“, die konkret aus sechs Elementen besteht. Gemäß einer Pyramide, die unten die breiteste Ausdehnung erfährt und daher auch am meisten Raum einnimmt, stellt er in Kapitel 4 „die Weisheit der Bibel“ vor. Diese Ebene ist nicht nur die erste, sondern diskussionslos die wichtigste und entscheidende. Ohne die Bibel und die feste Überzeugung, dass wir es mit dem heiligen und lebendigen Wort Gottes zu tun haben, ist jede weitere Ebene unbrauchbar. Entsprechend betont McCracken die uneingeschränkte Autorität der Heiligen Schrift. Dann steigt er in Kapitel 5 auf die nächsthöhere Ebene, auf der es um „Die Weisheit der Gemeinde“ geht. In allen zwischenmenschlichen Herausforderungen, oder auch gerade deshalb, ist die Ortsgemeinde angesichts der zunehmenden Digitalisierung als gelebte physische Gemeinschaft unverzichtbar und wichtig. In Kapitel 6 („Die Weisheit der Natur“) wird der Blick auf der dritten Ebene auf die gesamte Schöpfung gelenkt. Wer über das Universum oder auch das menschliche Wesen nachdenkt und es erforscht, wird von Gottes Weisheit überwältigt. Auf der vierten Ebene („Die Weisheit der Bücher“) macht sich der Autor, der selber ein Vielleser ist, in Kapitel 7 dafür stark, ein möglichst breites Spektrum an Literatur zu nutzen, um in der Weisheit zu wachsen. Dazu gehören nicht nur theologische Fachbücher, sondern ebenso Biographien, Romane oder poetische Werke.

„Gerade die andere Meinung schärft das eigene Denken und fordert mich heraus, meine eigene Position gut zu durchdenken und begründen.“
 

Allerdings sollten es nicht nur Bücher sein, die meine eigene Sicht der Dinge bestätigen, auch gegenteilige Ansichten sollten berücksichtigt werden. Gerade die andere Meinung schärft das eigene Denken und fordert mich heraus, meine eigene Position gut zu durchdenken und begründen. Mit Kapitel 8 („Die Weisheit der Schönheit“) erklimmen wir die fünfte Ebene. Die Schönheit findet sich im Kreativen wie es uns z.B. in der Kunst begegnet. Es geht um Genuss mit allen Sinnen, der zum Staunen, Ausruhen und schließlich auch in die Anbetung Gottes führt. Zuletzt kommt die sechste Ebene mit dem Kapitel 9 „Internet, soziale Medien und die Weisheit“. Die Spitze ist jedoch nicht unbedingt das Beste, stellt McCracken fest. Obwohl in der Pyramide die Spitze am wenigstens Raum zur Verfügung hat, stellen wir die Pyramide häufig zu unserem eigenen Nachteil auf den Kopf und schenken dieser Ebene über Gebühr Beachtung. Das Ziel besteht jedoch nicht zwingend darin, sich vom Internet und den sozialen Medien völlig zu verabschieden. Daher verweist der Autor zuerst auf die Vorteile, bevor er „Fünf Gewohnheiten für den weisen Umgang mit dem Internet“ aufzeigt. Abschließend macht McCracken mit Kapitel 10 („Wie die Weisheit aussieht“) nochmals deutlich, worauf es im Umgang mit Informationen und dem Aneignen von Weisheit geht. Im Bewusstsein, dass Weisheit in seiner reinen Form allein in Jesus Christus zu finden ist, soll daher alles Forschen nach Weisheit und Wahrheit an ihmgemessen werden und dem höchsten Ziel dienen: Gott zu verherrlichen. McCracken: „Der Prozess, weise zu werden, dient nicht nur zu unserer, sondern zu Gottes Ehre“ (S. 151).

Nutzen und Gewinn des Buches

Das Buch von McCracken ist sinnvoll aufgebaut und gut lesbar. Die Gedankengänge sind nicht kompliziert, sondern durchwegs stets nachvollziehbar. Eine Stärke des Buches besteht darin, dass der Autor mit Hilfe der „Weisheitspyramide“ eine äußerst anschauliche Entfaltung des Themas und seines Anliegens schafft. Dass er nicht nur über das Problem der Informationsflut schreibt, sondern sich selber auch in einem ständigen Kampf sieht, die Ausgewogenheit der Informationsernährung zu halten, macht seine Ausführungen zusätzlich glaubwürdig. Gerade die Betonung der Ausgewogenheit im Umgang mit den digitalen Medien und die Lösung eben nicht im „Entweder-Oder“-Prinzip zu suchen, liefern einen Ansatz, der umsetzbar und nicht weltfremd ist.

Die Analyse in seiner Einleitung über die postmoderne Lebensphilosophie und die Diagnose im Teil 1, wo es um die „Krankheitserreger“ des Informationszeitalters geht, sind hilfreich. Dies bietet den idealen Boden, um dann im Teil 2 aufzuzeigen, was uns weise macht und vor allem, wie wir die unterschiedlichen „Wahrheitsquellen für ein Leben in Weisheit“ nutzen können.

In diesem zweiten Teil, der etwa zwei Drittel des rund 150-seitigen Buches ausmacht, bleibt es teilweise jedoch etwas zu allgemein. Da würde man sich wünschen, dass das eine oder andere praktische Beispiel etwas klarer formuliert wird, wie auf entsprechender Ebene die Weisheit genutzt bzw. für den Alltag angewendet werden kann.

„Die Lösung nicht im ‚Entweder-Oder‘-Prinzip zu suchen, liefert einen Ansatz, der umsetzbar und nicht weltfremd ist.“
 

Am stärksten fällt das im Blick auf die erste Ebene auf. McCracken betont natürlich zu Recht die Wichtigkeit, Bedeutung und Autorität der Bibel. Dies mündet in allgemeinen Prinzipien zum Umgang mit der Heiligen Schrift. Doch wenn die Bibel als die Quelle der Weisheit gilt, im Bild der Pyramide das Fundament ausmacht und am meisten Raum einnimmt, dann hätte m.E. dieses Kapitel einige konkrete Beispiele für die Anwendung berücksichtigen dürfen, die aufzeigen, wie biblische Weisheit mit dem Alltag verknüpft wird.

Das gelingt ihm in den weiteren Kapiteln besser, wenn er z.B. bei der zweiten Ebene darauf verweist, welche Vorteile die physische Gemeinschaft gegenüber der digitalen hat. Vielleicht am besten kommt es im Kapitel 7 zum Vorschein, wo es um die „Weisheit der Bücher“ geht, was vielleicht wiederum damit zusammenhängt, dass er selber viel und gerne liest. Seine Anregungen, wie und welche Bücher man lesen sollte, können gut beherzigt und umgesetzt werden. Hierbei denkt er weniger an Bibelkommentare. Diese dienen der direkten Unterstützung auf Ebene 1, wo wir es mit der Bibel selbst zu tun haben. Allerdings könnte für Lesemuffel dieses Kapitel entmutigend wirken, weil für manche nur schon das regelmäßige Lesen der Bibel eine große Herausforderung darstellt. Nicht jeder ist, wie der Autor, mit dem Lesen seit Kindheit in positiver Weise verbunden. Hier könnte vielleicht noch eine Hilfestellung ergänzt werden, wie man Zugang zur Literatur findet. Hörbücher oder auch gemeinsames Lesen könnten den Appetit wecken. Dass eben gerade das digitale Zeitalter zu einer Verarmung des aufnahmefähigen Lesens und korrekten Schreibens geführt hat, ist eine bittere Realität.

Etwas zwiespältig habe ich das Kapitel 10 empfunden. Dies mag auch damit zusammenhängen, dass ich selber noch in einer Zeit aufgewachsen bin, wo es weder Internet noch Handys gab. Vor allem dort, wo der Autor dem Internet die positiven Seiten abgewinnt, bin ich hin und her gerissen. So schreibt McCracken z.B. über „eine Art ‚kollektive Weisheit’, die durch Wikipedia-Artikel, Amazon-Rezensionen, Yelp-Rankings und YouTube-Likes gesammelt wird“ (S. 134). Und mit Bezug auf die Bewegung #MeToo sieht er ein positives Beispiel dafür, wie Ungerechtigkeit aufgedeckt werden kann. Und so schlussfolgert er: „Im Zeitalter des Internets bleibt sehr wenig verborgen. Lügen werden unweigerlich aufgedeckt. Die Wahrheit kommt ans Licht.“ Diese Einschätzung mutet m.E. doch etwas gar optimistisch an. Könnte man nicht auch zum umgekehrten Schluss kommen, dass im Internet viel Unwahrheit und Lügen als Propaganda unsere Meinung formt und unmerklich beeinflusst oder Menschen allzu schnell verleumdet werden? Hier fehlt mir doch etwas die kritische Sicht zu Medien wie YouTube, die sich gerade im aktuellen Thema zu Corona mit viel scheinheiliger Zensur üben und dadurch eben nicht das fördern, was dem Autor ein großes Anliegen ist: Weisheit durch die Abwägung von sachlicher Information und unterschiedlicher Überzeugungen.

Fazit

Die Aufmachung des Buches ist insgesamt gut gelungen. Indem die „Weisheitspyramide“ auch immer wieder als Grafik erscheint, bleibt der rote Faden gut erkennbar. Vereinzelt hat man bei den Fußnoten zwar den englischen Text nicht auf Deutsch übersetzt, was aber nicht wirklich relevant ist. Dass es am Ende jedes Kapitels noch Fragen zur Diskussion gibt, macht es für Kleingruppen zusätzlich geeignet.

Das Anliegen von Brett McCracken wird von ihm gut dargelegt. Aufgrund der Quellenverweise wird auch offenbar, dass er eben nicht lediglich im Internet seine Weisheit erworben, sondern viel Wissen und Informationen aus der Bibel und aus der Literatur verarbeitet hat. Das Buch ist für alle hilfreich, die sich nicht nur mit digitalem Fastfood begnügen wollen, sondern einen Weg suchen, um ihre Weisheit durch eine verhältnismäßige, ausgewogene und gesunde Informationsernährung fördern zu wollen.

Buch

Brett McCracken, Seele, nähre dich gesund! – Der Weg zur Weisheit im Zeitalter der Information, Bielefeld: CMV 2021, 160 Seiten, 7,90 Euro.