Mein zwiespältiges Verhältnis zum Stichwort „unterordnen“

Artikel von Rebecca McLaughlin
17. September 2021 — 8 Min Lesedauer

Ich war gerade Studentin an der Cambridge University, als ich mich zum ersten Mal mit Epheser 5,22 auseinandersetzte. Zuvor hatte ich eine akademisch geprägte Mädchenschule mit Schwerpunkt Gleichberechtigung besucht. Als ich besagten Vers las, war ich schockiert. „Ihr Frauen, ordnet euch euren eigenen Männern unter wie dem Herrn.“ Das sollte ja wohl ein Witz sein.

Zunächst einmal hatte ich drei Hauptprobleme mit diesem Vers.

Das erste Problem war die Vorgabe, dass Ehefrauen sich unterordnen sollen. Ich wusste, dass Frauen ganz genauso kompetent sind wie Männer – nicht selten sogar kompetenter. Wenn es in einer Ehe klug ist, bei Entscheidungen mehr Gewicht auf das Votum eines Partners zu legen, dann sollte man das doch wohl davon abhängig machen, wer auf dem jeweiligen Gebiet besser bewandert ist: also manchmal der Mann, manchmal die Frau. Dachte ich.

Das zweite Problem war der Gedanke, dass sich Frauen ihren Männern unterordnen sollten „wie dem Herrn“. Es ist eine Sache, sich Jesus Christus unterzuordnen, dem König des Universums, der sich selbst für uns geopfert hat. Es ist etwas ganz anderes, sich einem fehlbaren, sündigen Mann unterzuordnen – selbst wenn das ein Baustein im Gebäude der viel umfassenderen Unterordnung unter Christus ist.

Und das dritte – das mir wohl das größte Kopfzerbrechen bereitete – war, wie schädlich sich dieser Vers auf meine Evangelisationsbemühungen auswirken musste. Ich verkündete meinen ungläubigen Freunden ein radikales Narrativ der Machtumkehr, in dem der Schöpfergott sein Leben gab, in dem Arme den Reichen überlegen sind und Ausgegrenzte Teil der Familie werden. Das Evangelium ist ein verzehrendes Feuer der Liebe, über alle Unterschiede hinweg. Es hat die Kraft, Rassenungerechtigkeit und sozioökonomische Ausbeutung zu überwinden.

Doch da war dieser schreckliche Vers, der die Unterdrückung von Frauen zu propagieren schien. Jesus hatte Frauen auf die gleiche Ebene wie Männer gehoben. Und es sah für mich so aus, als hätte Paulus sie wieder heruntergestoßen. Ich befürchtete, dass dieser Vers mein ganzes Zeugnis zunichtemachen würde.

Ein Bild für Christus und die Gemeinde

In meinem Frust versuchte ich, Epheser 5,22 wegzuerklären. Im griechischen Urtext findet sich das Wort, das hier mit „unterordnen“ übersetzt wird, auch im vorherigen Vers: „Ordnet euch einander unter in der Furcht Christi“ (Eph 5,21; ELB). Daher versuchte ich zu argumentieren, dass der restliche Abschnitt die Unterordnung ebenso auf Ehemänner wie auf Ehefrauen bezieht. Aber das funktionierte nicht: Die folgenden Verse präsentieren unterschiedliche Rollen für Männer und Frauen.

Also wandte ich meine Aufmerksamkeit dem Gebot für die Ehemänner zu: „Ihr Männer, liebt eure Frauen, gleichwie auch der Christus die Gemeinde geliebt und sich selbst für sie hingegeben hat“ (Eph 5,25). Wie liebte Christus die Gemeinde? Indem er am Kreuz starb; indem er sich selbst gab, nackt und blutend, um für sie zu leiden; indem er ihre Bedürfnisse über seine eigenen stellte; und indem er alles für sie gab.

Ich fragte mich, wie es mir wohl gehen würde, wenn dies das Gebot für die Frauen wäre: Ihr Frauen, liebt eure Männer so sehr, dass ihr für sie sterben würdet, dabei ihre Bedürfnisse über eure eigenen stellt und euch selbst für sie hingebt.

Wenn das Evangelium wahr ist, kann sich niemand unter Berufung auf seine Rechte an den Verhandlungstisch setzen. Der einzige Weg, um überhaupt in den Raum hineinzukommen, ist unsere vollständige Kapitulation. Wenn ich an meinem Grundrecht auf Selbstbestimmung festhalten möchte, muss ich die Botschaft Jesu ablehnen. Denn er ruft mich dazu auf, mich ihm völlig unterzuordnen: Ich soll mich selbst verleugnen, mein Kreuz auf mich nehmen und ihm nachfolgen (Lk 9,23).

„Weil unsere Ehen auf eine größere Ehe hinweisen, sind die Rollen nicht austauschbar: Jesus gab sich selbst für uns; wir ordnen uns ihm unter.“
 

Und dann fiel der Groschen endlich. Frauen, ordnet euch euren eigenen Männern unter wie dem Herrn. Männer, liebt eure Frauen, gleichwie auch Christus die Gemeinde geliebt hat. Das eigentliche Thema, das in diesem Modell seine Abbildung findet, ist nicht das individuelle Ehepaar. Es ist Jesus und die Gemeinde. Gott erschuf Sex und Ehe, um uns einen kleinen Eindruck von seiner Vertrautheit mit uns zu vermitteln.

Weil unsere Ehen auf eine größere Ehe hinweisen, sind die Rollen nicht austauschbar: Jesus gab sich selbst für uns; wir ordnen uns ihm unter.

Drei Bedenken

So lösten sich zu meiner Überraschung die drei Probleme, die ich mit Epheser 5,22 gehabt hatte, als ich zum ersten Mal darauf stieß. Doch heute drängen sich mir drei Bedenken darüber auf, wie diese Komplementarität in der Ehe häufig vermittelt wird.

1. Die Kurzformel

Die komplementäre Ehe wird oft wie folgt beschrieben: „Frauen ordnen sich unter, Männer leiten“. Aber diese Simplifizierung gibt nicht die biblischen Gebote wieder. Ehefrauen sind sehr wohl dazu aufgerufen, sich unterzuordnen (Eph 5,22; Kol 3,18; 1Petr 3,1). Aber die primäre Aufforderung an die Männer lautet, zu lieben (Eph 5,25.28.33; Kol 3,19), und die zusätzlichen Gebote verlangen Einfühlsamkeit und Achtung (1Petr 3,7). Gewiss impliziert das Gebot des Epheserbriefes an die Frauen, dass Männer mit der selbstaufopfernden Liebe Christi leiten sollen. Aber wenn wir die Aussage der Schrift auf den Punkt bringen wollen, so würde eine präzisere Wiedergabe lauten: „Frauen ordnen sich unter, Männer lieben“.

2. Die psychologischen Begründungen

Christen möchten gerne zeigen, dass Gottes Gebote gut sind. Deshalb wird manchmal versucht, die komplementäre Ehe mit geschlechterspezifischen psychologischen Merkmalen zu untermauern: Frauen seien von Natur aus anpassungsbereit, Männer seien geborene Leiter; Männer brauchen Respekt, Frauen brauchen Liebe; usw. Allerdings: Die Behauptung, Frauen seien natürlicherweise nachgiebiger, ist mir schon begegnet, aber mir ist noch nie das Argument zu Ohren gekommen, dass Männer von Natur aus liebevoller sind.

Ich habe ebenfalls schon gehört, dass wir diese Gebote deshalb bekommen hätten, weil sie uns auf die Bereiche ansprächen, die uns natürlicherweise schwerfallen: Frauen gelten als liebevoll, Männer als respektvoll; und die Aufforderungen seien dem Naturell genau entgegengesetzt. Aber wenn wir wirklich behaupten wollen, die Menschheitsgeschichte zeige, dass Männer natürlicherweise Frauen respektieren, dann müssen wir schon den Kopf in den Sand stecken und sicherheitshalber zuvor die Augen verbinden und Ohrstöpsel verwenden.

„Epheser 5 begründet nämlich unsere Rollen in der Ehe nicht mit geschlechtsspezifischer Psychologie, sondern mit Christus–zentrierter Theologie.“
 

Solche Aussagen über die Geschlechter sind bestenfalls Verallgemeinerungen, ähnlich der Behauptung, Männer seien größer als Frauen – allerdings weit schwieriger zu überprüfen. Schlimmstenfalls sind sie ein unnötiger Anstoß für eine Generation, die die Aussagen der Bibel über die Geschlechter ohnehin bereits missversteht und verdreht. Und sie bereiten den Boden für Ausnahmen: Wenn diese Gebote ihren Grund darin haben, dass Frauen sich von Natur aus leichter unterordnen, ich aber merke, dass ich von Natur aus eine stärkere Leiterfigur bin als mein Mann – heißt das dann, dass wir die vorgegebenen Rollen tauschen können?

Wenn wir näher hinsehen, werden wir entdecken, dass diese Aussagen nirgendwo im Text zu finden sind. Epheser 5 begründet nämlich unsere Rollen in der Ehe nicht mit geschlechtsspezifischer Psychologie, sondern mit Christus–zentrierter Theologie.

3. Die Rechtfertigung „traditioneller“ Geschlechterrollen

Für unsere westlichen, im 21. Jhdt. beheimateten Ohren klingt Epheser 5 wie ein Überbleibsel aus längst vergangener Zeit. Aber wir sollten den Text nicht missverstehen, so als würde er „traditionelle“ Geschlechterrollen verteidigen. Es wird nicht gesagt, dass der Mann derjenige sei, dessen Bedürfnisse an erster Stelle stehen und dessen Wohlbefinden vorrangig ist.

Tatsächlich ist Epheser 5 eine deutliche Kritik an den traditionellen Geschlechterrollen, sowohl in seinem damaligen Kontext als auch heute. In der Thematisierung der Ehe stehen die Bedürfnisse der Frau stets an erster Stelle, wohingegen die Tendenz des Ehemannes, sich selbst in den Vordergrund zu stellen, vom Evangelium wie mit einer Axt in Stücke gehauen wird.

Die Herausforderung

Aber mein größtes Problem, wenn ich Botschaften über Epheser 5 höre, ist mein Versagen, dieser Vorgabe gerecht zu werden. Ich bin seit einem Jahrzehnt verheiratet, und es ist eine tägliche Herausforderung, mich daran zu erinnern, was meine Berufung in dieser Abbildung des Evangeliums ist, und die Gelegenheiten wahrzunehmen, mich meinem Ehemann wie dem Herrn unterzuordnen. Nicht, weil ich von Natur aus mehr oder weniger zur Unterordnung neigen würde, oder weil er von Natur aus mehr oder weniger liebevoll wäre, sondern weil Jesus sich für mich dem Kreuz unterwarf.

In meiner Ehe geht es letztendlich nicht um mich und meinen Mann, zumindest nicht mehr, als es in Romeo und Julia um die Schauspieler geht, die die Hauptrollen verkörpern. In meiner Ehe geht es darum, Jesus und seine Gemeinde widerzuspiegeln.

Früher fühlte ich mich durch Epheser 5,22 zurückgewiesen. Jetzt überführt mich dieser Vers und lädt mich ein zu Jesus, dem wahren Ehemann, der es versteht, unsere Bedürfnisse zu stillen, sowie dem einen Mann, der unsere völlige Unterordnung verdient.