Friedensfest oder Zerstörungsparty?

Artikel von Larry Norman
17. Dezember 2021 — 7 Min Lesedauer

„Wir alle brauchen Jack Reacher, den gerechten Rächer für unsere aufgewühlte Welt.“ So steht’s auf dem Buchumschlag eines der letzten Jack Reacher-Bücher. Jack Reacher ist ein ehemaliger US-Militärpolizist, der immer wieder in ungerechten Situationen landet, die er mit Gewalt löst. Mittlerweile sind über 100 Millionen Jack Reacher-Bücher weltweit verkauft worden.

In März 2022 kommt der neue Batman Film ins Kino; der Trailer ist schon online. Der Film sieht düster, episch, fast apokalyptisch aus. Der Höhepunkt des Trailers kommt in einer kurzen Frage und Antwort. „Wer bist du?“ fragt irgendein Bösewicht. Batman antwortet: „Ich bin Vergeltung“.

Wieso sind Batman und Reacher so beliebt? Sie sind Teil einer Protestbewegung gegen die ungerechte Welt, in der wir leben. Es schmerzt uns, dass diese Welt so ist, wie sie ist. Ein Freund von mir hat neulich gesagt, „Wie kann man eigentlich in dieser Welt leben und nicht protestieren?“ Dabei müssen wir befürchten, dass wir mittels Gesetzen und Gerichtshöfen nie eine gerechtere Welt bekommen werden. Also suchen wir nach Helden, die nicht bloß reden, sondern auch handeln.

Allerdings können Batman und Reacher unseren Hunger nach Gerechtigkeit nicht sättigen. Indem sie das Böse bekämpfen, fangen sie an, es widerzuspiegeln. Sie werden das, wovon sogar Nietzsche geschrieben hat: „Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehen, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.”[1]

Unser Hunger ist auch nicht das, was er von sich selbst behauptet.

Die Aussage, „wir alle brauchen Jack Reacher, den gerechten Rächer”, geht davon aus, dass wir von diesem Rächer nichts zu fürchten haben. Wir sind lediglich Opfer, nicht Täter. Doch hierdurch verkennen wir unsere Rolle im Roman. Unsere Gedanken und Worte – und erst recht unsere Taten – identifizieren uns nicht allein als Opfer, sondern sehr wohl auch als Täter.

„Gerade zu Weihnachten haben wir Christen eine bessere Story. Keine Fantasie, kein Roman, sondern der historische Bericht von der Geburt Jesu Christi. Jesus ist der gerechte Rächer für unsere aufgewühlte Welt.“
 

Meine Vergeltungslust gehorcht keinem geistlichen Reinheitsgebot. Es schwimmt auch ein gutes Stück Selbstgerechtigkeit und willige Blindheit mit.

Man kann an dieser Stelle vielleicht eine gewisse traurige Hoffnungslosigkeit erkennen. Wir feiern die Retter der Fiktion, weil wir nicht mehr daran glauben, dass Gerechtigkeit Realität wird.

Gerade zu Weihnachten haben wir Christen eine bessere Story. Keine Fantasie, kein Roman, sondern der historische Bericht von der Geburt Jesu Christi. Jesus ist der gerechte Rächer für unsere aufgewühlte Welt.

Friede oder Krieg?

Auf den ersten Blick haben Batman, Reacher und das Weihnachtskind nicht so viel gemeinsam. Der holde Knabe im lockigen Haar aus Stille Nacht scheint zu einer anderen Welt zu gehören, als der gepanzerte Batman oder der 1,95-Meter-Riese Reacher.

„Weihnachten ist also sowohl Friedensfest wie auch Zerstörungsparty.“
 

Aber Johannes zeigt uns eine überraschende Verbindung: „Dazu ist der Sohn Gottes erschienen, dass er die Werke des Teufels zerstöre” (1Joh 3,8). Weihnachten ist also sowohl Friedensfest wie auch Zerstörungsparty.

Das hört sich erstmal wie eine schlechte Nachricht an. Wer will einem gewalttätigen, zerstörerischen Sohn Gottes näher kommen? Aber Johannes schreibt dies als Trost. Es ist gut für uns, dass Jesus so gekommen ist – und hier sind zwei Gründe dafür:

1. Nicht gleichgültig, sondern liebevoll

Was wäre, wenn Gott nur einen Propheten auf diese Welt gesandt hätte? Oder nur einen Engel? Klar, Gott hätte dadurch gezeigt, dass Er weiß, was hier abgeht. Er hätte gezeigt, dass Er eine Kursänderung sehen wollte. Aber, wie hätten wir jemals die Frage beseitigt: „Interessiert sich Gott wirklich für mich? Oder bin ich so weit unten auf seiner Prioritätenliste, dass er mich einfach an einen Boten abgibt?“

Doch schreibt Johannes: „dazu ist der Sohn Gottes erschienen”. Gott selbst! Kein himmlischer Kurier wird gesandt, sondern Gott kommt selbst in der Person des Sohnes. Es ist unmöglich, dass die Ungerechtigkeit dieser Welt Gott egal ist – dass ich ihm egal bin –, wenn Gott selbst auf diese Welt kommt! Ja, wenn Er nicht einmal in vollkommener Pracht und Herrlichkeit erscheint, sondern als Kind, als Mensch.

Gott hätte sehr wohl die Welt einfach auslöschen können. Er braucht keinen Todestern dazu[2]; ein Wort aus seinem Mund hätte gereicht. Doch das tut er nicht. Er kommt selbst.

„Es ist unmöglich, dass die Ungerechtigkeit dieser Welt Gott egal ist – dass ich ihm egal bin –, wenn Gott selbst auf diese Welt kommt!“
 

Das kann nicht die Tat eines gleichgültigen Gottes sein. So handelt nur ein Gott der Liebe. Jesu Zerstörungswerk muss von Liebe getrieben sein, sonst wäre er nicht als Mensch erschienen.

Und Jesus verfällt nicht wie Nietzsche es schreibt. Jesus ist „rein“, und „in ihm ist keine Sünde“ (1Joh 3,3.8). Er kämpft gegen Ungerechtigkeit und bleibt gerecht. Er ist kompromisslos; und so bleibt er gerecht und liebevoll in seinem Kampf gegen die Werke des Teufels. Gegen alle Werke des Teufels, die sichtbaren und die verborgenen, die vergessenen und die gefeierten. Jesus weiß um alle und Er will sie alle ausnahmslos zerstören.

2. Nicht uns, sondern unsere Sünden

Johannes lässt uns nicht drüber spekulieren, was „die Werke des Teufels” sind. Schon im selben Vers schreibt er: „Wer die Sünde tut, der ist aus dem Teufel, denn der Teufel sündigt von Anfang an.” Was macht der Teufel? Er tut die Sünde! Das ist seine Werke. Sowohl seine eigenen Sünden, als auch die Sünden, die Menschen begehen.

Somit wird wieder klar, dass wir in Gottes Augen nicht unschuldig sind. Wir sind Teil des Problems. Denn als  gefallene und zerfallene Menschen sündigen wir gegen Gott. Doch hier sehen wir die unfassbare Liebe Gottes: Er hat seinen Sohn nicht gesandt, um uns zu zerstören, sondern Jesus „ist erschienen, um unsere Sünden hinwegzunehmen” (1Joh 3,5).

Jesus zerstört die Werke des Teufels nicht indem er uns verhaftet, verurteilt und vor einer Mauer hinstellt, um uns dort hinzurichten. Er zerstört sie, indem er unsere Sünden von uns nimmt, sie sich zu eigen macht und für sie sein eigenes kostbares Blut vergießt (1Joh 1,7).

Dadurch besiegt Jesus den Teufel ein für alle Mal. Er entwaffnet ihn und vernichtet seine Macht über alle, die Jesus vertrauen.

Geht die Sonne auf, ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Kälte verschwindet und der Schnee schmilzt. Ähnlich ist es hier. Jesus hat die Werke des Teufels am Kreuz zerstört und ist als siegreicher Herr aus den Toten auferstanden. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Werke des Teufels von der Erde verschwinden und Jesus aller Ungerechtigkeit ein Ende setzt.

Dann wird es nichts mehr in der Welt zu protestieren geben. Dann wird diese Welt hell glänzen im Licht der Herrlichkeit der Kinder Gottes (1Joh 3,2). Dann wird Gerechtigkeit und Frieden herrschen.

Diese Art von Vergeltung ist es, die wir brauchen! Wir brauchen jemanden, dem die Ungerechtigkeit dieser Welt nicht egal ist. Jemanden, der wirklich gerecht ist, indem keine Sünde ist. Jemanden, der gekommen ist, um alles Zerstörende zu zerstören. Jemanden, der dies jedoch so vollbringt, dass schuldige Menschen Vergebung bekommen können und dadurch zu Gottes neuer, gerechter Welt gehören können. Dieser Jemand ist Jesus, der Sohn Gottes der dazu erschienen ist, die Werke des Teufels zu zerstören.


[1] Friedrich Nietzsche, Jenseits von Gut und Böse, Nr. 146 (1886), in: Werke in drei Bänden, Bd. 2, S. 636 (K. Schlechta ed. 1973)

[2] Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Todesstern