Wie man zu Weihnachten mit Trauernden umgehen sollte

Artikel von Nancy Guthrie
22. Dezember 2021 — 6 Min Lesedauer

„Eine schöne Adventszeit!“, „Frohe Weihnachten!”, „Frohes neues Jahr!”. Sobald sich das Jahr seinem Ende zuneigt, wird uns von allen Seiten zu verstehen gegeben, dass wir glücklich sein sollen.

„Für diejenigen, die kürzlich jemanden verloren haben, erscheinen die Feiertage wie etwas, was man überleben muss und nicht genießen kann.“
 

Aber für diejenigen, die kürzlich jemanden verloren haben, erscheinen die Feiertage wie etwas, was man überleben muss und nicht genießen kann. Die Traditionen und Aktivitäten, die dieser Jahreszeit Freude und Bedeutung geben, sind mit schmerzhaften Erinnerungen an die geliebte Person gespickt, die nicht mehr bei uns ist, um all das zu teilen. Viele mögen sich einen ruhigen Ort wünschen, an dem sie sich bis zum 2. Januar verstecken können.

Wir, die wir trauernde Menschen umgeben, können den Schmerz des Verlustes zwar nicht heilen, aber wir können Trost spenden, indem wir den Trauernden mit besonderer Sensibilität während der Feiertage zur Seite stehen. Trauernde würden sich wünschen, wir wüssten diese fünf Wahrheiten zur Weihnachtszeit:

1. Auch die schönsten Momente sind von dem Bewusstsein geprägt, dass jemand fehlt.

Ich erinnere mich an eine Unterhaltung mit einer Freundin. Wir bereiteten uns für eine kurze Urlaubsreise vor, kurz nachdem unsere Tochter Hope gestorben war. „Das wird ein Spaß!“, sagte sie. Ich hatte den Eindruck, dass ich ihr aus ganzem Herzen zustimmen sollte.

Ich wusste nicht, wie ich ihr erklären kann, dass nach dem Verlust eines Familienmitglieds auch die besten Momente schmerzhaft unvollständig sind. Es fehlt jemand. Auch die besten Tage und fröhlichsten Momente sind von Traurigkeit geprägt. Wohin auch immer du gehst, die Trauer folgt dir.

2. Soziale Situationen sind schwierig.

Ich habe nie herausgefunden, warum Menschenmengen in der Trauer so schwer zu ertragen sind, aber es ist so. Nachdem etwas so Einschneidendes geschehen ist, kann Small Talk unerträglich sein. Das Kennenlernen neuer Leute führt zu Fragen über deine Familie. Das Betreten eines Raumes voller Paare, nachdem dein Partner verstorben ist, oder eines mit Kindern überlaufenen Events, wenn dein Kind nicht mehr da ist, kann dich innerlich zerreißen.

Hast du eine trauernde Person zu einem Feiertag eingeladen, dann teile ihr mit, dass du es verstehst, wenn sie kurzfristig absagt, weil es doch zu schwer ist. Vielleicht möchte sie auch nur für eine kurze Zeit kommen.

Besuchst du eine Veranstaltung, ruf die trauernde Person an und frag, ob du sie mitnehmen kannst und dort die Zeit gemeinsam mit ihr verbringen sollst. Begegnest du bei so einer Veranstaltung jemandem in Trauer, lass ihn wissen, dass du auch noch an die geliebte Person denkst, und lade ihn ein, über Erinnerungen zu sprechen. Hab keine Angst, den Namen des Verstorbenen auszusprechen. Für den Trauernden ist das Balsam für die Seele.

3. Die Verwandtschaft kann unangenehm und schwierig sein.

Trauer ist häufig unangenehm – auch und gerade mit denen, die uns am nächsten stehen.

Mein Ehemann und ich veranstalten Wochenenden des Rückzugs für Paare, die Kinder verloren haben. Dort ist immer wieder Thema, wie schwierig die Feiertage mit der Familie sind. Die Paare wissen, dass einige Familienmitglieder finden, sie hätten genug getrauert und sollten nach vorne schauen. Andere würden gerne über die verstorbene Person sprechen, wissen aber nicht, wie. Oft wird der Name des Verstorbenen gar nicht erwähnt. Das fühlt sich für Trauernde an, als hätte man den Verstorbenen aus der Familie gelöscht.

Kennst du eine Person in Trauer, die sich bald auf den Weg zu einer Familienfeier macht? Du könntest sie nach ihren Erwartungen an das Treffen mit der Familie fragen. Wenn sie den großen Wunsch hat, dass man sich auf eine bestimmte Art an die geliebte Person erinnern soll, aber befürchtet, dass dies nicht stattfinden wird, ermutige sie, im Voraus einen Brief an die Familie zu verfassen. In dem Brief kann deutlich formuliert werden, was Trost spenden könnte, anstatt zu erwarten, dass die Familie dies instinktiv weiß.

4. Tränen sind kein Problem.

Für die meisten von uns drückt sich Trauer in Tränen aus. Tränen, die auch zu ganz unerwarteten Momenten kommen. Manchmal spüren Trauernde, dass andere ihre Tränen als Problem wahrnehmen, das gelöst werden muss und dass Tränen bedeuten, dass sie mit der Trauer nicht zurecht kommen. Aber es ist doch nachvollziehbar, dass sich der tiefe Schmerz, einen geliebten Menschen zu verlieren, in Tränen ausdrückt. Tränen sind kein Feind. Tränen sind kein Zeichen für einen schwachen Glauben. Tränen sind ein Geschenk Gottes. Sie helfen, den tiefen Schmerz des Verlustes wegzuwaschen.

Es ist ein großes Geschenk, Trauernde wissen zu lassen, dass sie sich für ihre Tränen nicht schämen müssen – dass sie bei dir weinen dürfen. Es ist ein noch größeres Geschenk, wenn auch du Tränen über den Verlust dieser geliebten Person vergießt. Deine Tränen reflektieren den Wert des Verstorbenen, und versichern, dass nicht nur der Trauernde diesen Menschen vermisst.

5. Es ist schwierig, sich daran zu erinnern, weshalb Weihnachten so fröhlich sein soll.

In dem Weihnachtlied „Heilige Nacht, der Heiland ist geboren“ singen wir: „A thrill of hope, the weary soul rejoices“ (dt. „Ein Hoffnungsschimmer, die müde Seele frohlockt“). Das Leben und der Tod in dieser Welt machen Trauernde müde und sie fragen sich, wie jemand frohlocken kann. Sie brauchen dringend die Realität Christi, die ihre Einsamkeit und Verzweiflung durchbricht. Wir wollen ihnen keine Predigt halten, sondern nach Möglichkeiten Ausschau halten, wie wir mit ihnen den Trost und die Freude teilen können, die sich darin zeigt, dass Gott selber zu unserer Rettung auf die Erde gekommen ist.

„Trauernde brauchen dringend die Realität Christi, die ihre Einsamkeit und Verzweiflung durchbricht.“
 

Das Leben Jesu, das in einer hölzernen Krippe begann, wird mit dem Tod an einem hölzernen Kreuz enden. Aber es wird kein sinnloser, bedeutungsloser Tod sein. Es wird ein den Tod überwindender Tod sein, gefolgt von neuem Auferstehungsleben. Der Schreiber des Hebräerbriefes erklärt: „Weil nun aber alle diese Kinder Geschöpfe aus Fleisch und Blut sind, ist auch er ein Mensch aus Fleisch und Blut geworden. So konnte er durch den Tod den entmachten, der mit Hilfe des Todes seine Macht ausübt, nämlich den Teufel“ (Hebr 2,14, NGÜ). Die jetzige Macht des Todes, die uns so viel Leid bringt, wird nicht für immer bestehen. Das, was Christus mit dem Sieg über den Tod bei seinem ersten Kommen in Bewegung gesetzt hat, wird bei seinem Wiederkommen die volle Entfaltung zeigen.

Das ist zu Weihnachten unsere große Hoffnung. Die Hoffnung, die wir mit denen teilen, die zu Weihnachten trauern – „Denn in der Ferne bricht ein neuer Morgen an.“ Der Christus, der als kleines Baby zur Welt kam und an unserer Stelle starb, wird eines Tages wiederkommen und sein Königreich aufrichten. Und wenn er das tut, wird Gott „abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, weder Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.“ (Offb 21,4)