Der beste Jahreswechsel

Artikel von Bianca Hopcraft
29. Dezember 2021 — 9 Min Lesedauer

In zwei Tagen fängt das neue Jahr an und das alte geht zu Ende. Die perfekte Zeit, um in sich zu gehen und das Jahr Revue passieren zu lassen. Mit welchen Gedanken schließt du dieses Jahr ab? Mit welchen Gedanken gehst du in das neue? Wie sieht für dich der perfekte Jahreswechsel aus?

Als ich vor einigen Monaten gefragt wurde, ob ich einen Artikel passend zum Jahresende schreiben würde, sagte ich fröhlich und zuversichtlich: „Ja, gern!“

Eine gute Freundin von mir hatte die Angewohnheit, bis zum Jahresende möglichst alles irgendwie zu Ende zu bringen: Arbeiten und Projekte abschließen, Beziehungen bereinigen, Schulden begleichen, Geliehenes zurückgeben, das Jahr Gott „zurückgeben“ und ihm danken etc.

Ich finde diese Haltung erstrebenswert. Es ist gut, frisch und frei mit Gott ins neue Jahr zu gehen. Mein Plan war, irgendwas in diese Richtung in meinem Artikel zu behandeln.

Aber dann kamen einige Dinge auf einmal ganz anders. Was, wenn man das alte Jahr nicht so einfach abschließen kann? Was, wenn es da Dinge gibt, die einfach noch ungeklärt bleiben?

Während ich diesen Artikel schreibe, ist Corona wieder DAS Thema in den Medien und im Alltag geworden. Keiner weiß genau, wie lange sich das noch hinziehen wird und wie wir diesbezüglich ins neue Jahr starten werden. Aber das ist nicht alles.

Vor kurzem haben sich auch ganz persönlich bei uns in der Familie einige große Fragen über unsere Zukunft aufgetan, bei denen wir nicht wissen, wie sie sich entwickeln werden. Ich weiß nicht, ob es bis zum Jahresende noch zu einem guten Abschluss kommen wird. So wie es momentan aussieht, werden wir das alte Jahr in Ungewissheit über diese Fragen beenden und das neue in Ungewissheit starten.

Wie sieht es bei dir gerade aus? Gibt es bei dir auch noch ein paar lose Enden, die du ungewollt mit ins neue Jahr nehmen wirst?

Vielleicht kämpfst du oder jemand, den du liebst, mit einer schweren Krankheit und eine Heilung ist ungewiss? Oder deine Arbeitssituation ist unsicher und du weißt nicht, wie du weiter über die Runden kommst? Gibt es Beziehungen, die auch noch im neuen Jahr schwierig sein werden? Oder hast du vielleicht einen Herzenswunsch, bei dem du einfach nicht weißt, ob und wann Gott ihn erfüllen wird?

Gewissheit in der Ungewissheit

Was hilft dir in Zeiten der Ungewissheit, ruhig zu bleiben?

Als kleines Kind rannte ich bei Angst und Unsicherheit immer als allererstes zu meinen Eltern. Wann immer ich nicht weiter wusste, konnte ich mich an meine Eltern wenden. Irgendwie wussten sie immer Rat und fanden eine Lösung für das Problem.

Doch jetzt bin ich eine erwachsene Frau. Meine Eltern sind schon lange nicht mehr für mich verantwortlich, wenngleich sie immer noch an mich denken und mich lieben. Die Sorgen und Probleme, mit denen ich mich inzwischen aber herumschlage, liegen längst außerhalb ihrer Verantwortung.

Manchmal fühle ich mich überfordert und ich wünschte mir, ich könnte wieder wie ein kleines Kind einfach zu meinen Eltern rennen und ihnen mein Problem hinhalten, damit sie es in die Hand nehmen und für mich lösen. Leider geht das nicht. Gott hat nicht vorgesehen, dass wir Menschen für immer von unseren Eltern abhängen. Doch er gibt uns eine viel größere und schönere Perspektive:

„Wenn auch mein Vater und meine Mutter mich verlassen, so nimmt doch der HERR mich auf.“ (Psalm 27,10)

und

„Kann auch eine Frau ihr Kindlein vergessen, dass sie sich nicht erbarmt über ihren leiblichen Sohn? Selbst wenn sie ihn vergessen sollte — ich will dich nicht vergessen! Siehe, in meine Hände habe ich dich eingezeichnet; deine Mauern sind allezeit vor mir.“ (Jesaja 49,15–16)

Ich weiß nicht, was für eine Mutter du hattest oder was für eine Mutter du vielleicht selbst bist. Ich selbst bin inzwischen Mutter von drei Kindern und liebe sie innig. Es gibt wenig, das ich nicht für ihr Wohlsein tun würde – und dennoch gibt es Situationen, wo ich nicht an sie denke oder sie regelrecht vergesse.

„Es gibt kein Problem, das ihm zu groß wäre. Wenn du Gottes Kind bist, dann sind alle deine Probleme eigentlich seine Probleme – und er weiß die Lösung.“
 

Aber nicht nur das. Es gibt auch Momente, in denen ich an meine Grenzen komme. Manchmal bringen sie mich so auf die Palme, dass mir der Geduldsfaden reißt.

Doch selbst wenn ich die beste Mutter der Welt wäre, wird auch meine Verantwortung und meine Handlungsmöglichkeit für meine Kinder eines Tages aufhören. Das ist der normale Lauf der Dinge.

Kein Mensch wird uns jemals vollkommen und für immer behüten und sich um uns sorgen können. Doch hierin besteht die unglaublich frohe Botschaft für alle, die in Jesus Christus Teil von Gottes Familie geworden sind:

Gottes Gedächtnis und seine Fürsorge, seine Liebe und Macht für seine Kinder versagen niemals. Wenn du sein Kind bist, bist du jede Sekunde deines Lebens absolut sicher bei ihm. Er hütet dich wie seinen eigenen Augapfel. Er hat dich in seine Hände gezeichnet. Es gibt kein Problem, das ihm zu groß wäre. Wenn du Gottes Kind bist, dann sind alle deine Probleme eigentlich seine Probleme – und er weiß die Lösung.

Auf diese Tatsache können wir uns selbst in Zeiten der Ungewissheit verlassen. Darin können wir Ruhe finden, auch wenn wir dieses Jahr mit ungeklärten Fragen beenden.

Aber das ist noch nicht alles. Gott schenkt noch mehr.

Freude in der Ungewissheit

„Freut euch allezeit! Betet ohne Unterlass! Seid in allem dankbar; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus für euch.“ Das schreibt Paulus in 1. Thessalonicher 5,16–18.

Ohne Unterlass beten – das kriege ich momentan wahrscheinlich noch am ehesten hin. Aber wie ist es möglich, sich allezeit zu freuen und in allem dankbar zu sein – sogar in Zeiten der Ungewissheit? Natürlich gibt es in Jesus immer Grund zur übergroßen Freude. Wir sind nicht mehr Fremde, sondern Kinder Gottes. Wir haben ständigen Zugang zum Vater und das ewige Leben. Doch gerade in den letzten Tagen machte Gott mich noch auf etwas anderes aufmerksam, wodurch ich lernte, dass selbst die Ungewissheit an sich ein Grund zum Freuen und Danken ist.

Unser jüngster Sohn hatte seitdem er laufen konnte die Angewohnheit, jeden Morgen, nachdem er in aller Frühe aufgestanden war, als erstes zu uns ins Bett zu kriechen, um mit uns zu kuscheln. Jahrelang tat er das, jeden Tag. Doch irgendwann im Laufe des letzten Jahres hörte das auf. Irgendwann kam er morgens nicht mehr zu uns, sondern spielte sofort mit seinen großen Geschwistern oder allein in seinem Zimmer.

Doch diesen Sommer wurde er eingeschult, und auf einmal änderte sich wieder etwas. Plötzlich kam er wieder jeden Morgen bevor wir aufstanden zu uns ins Bett gekrochen und wollte noch ein paar Minuten mit uns kuscheln. Warum? Was war passiert? Wodurch kam wieder diese Anschmiegsamkeit?

Meine Vermutung ist, dass ihn der Schulanfang, die neue Umgebung sowie das Umgewöhnen an neue Menschen und Abläufe einfach wieder etwas mehr Kraft und Überwindung kosteten. Es ist noch eine gewisse Zeit der Ungewissheit und Anspannung, die er gerade durchmacht, auch wenn er prinzipiell gern zur Schule geht. Es ist, als wenn er morgens daher immer noch eine Ladung Nähe und Zuspruch bei uns tanken möchte, bevor er in den Tag startet. Ich weiß, dass auch das eines Tages wieder aufhören wird, aber ICH LIEBE ES.

„Um wieviel mehr muss sich unser Vater im Himmel freuen, wenn wir als seine Kinder zu ihm kommen und seine Nähe suchen!“
 

Ich liebe es, wenn eines meiner Kinder zu mir kommt, um bei mir Liebe und das Gefühl von Geborgenheit aufzutanken. Es bedeutet, sie vertrauen mir, sie fühlen sich sicher bei mir. Das rührt und freut mich zutiefst.

Das ist die Freude in Ungewissheit, von der ich rede.

Wenn ich mich als unvollkommene, menschliche Mutter schon so sehr freue, dass mein Kind meine Nähe sucht, um wieviel mehr muss sich unser Vater im Himmel, der uns noch viel mehr liebt, als wir es je könnten, freuen, wenn wir als seine Kinder zu ihm kommen und seine Nähe suchen!

Darum darf ich mich in Zeiten der Ungewissheit freuen. Denn es sind Zeiten wie diese, in denen ich mich am stärksten nach Gott sehne und ausstrecke. Es sind Zeiten wie diese, in denen ich viel öfter ins Gebet gehe, mit wacheren Augen und Ohren Gottes Wort in mich aufsauge und mehr über ihn nachdenke. Es sind Zeiten wie diese, in denen ich mir jedes „Fürchte dich nicht, denn ich bin mit dir!“ noch viel intensiver zu Herzen nehme. Es sind Zeiten wie diese, in denen mir Gott auch durch die Anteilnahme von anderen Geschwistern noch näher kommt.

Der HERR ist nahe denen, die zerbrochenen Herzens sind, und er hilft denen, die zerschlagenen Geistes sind.“ (Psalm 34,19)

Wenn ich auf mein bisheriges Leben zurückschaue, dann kann ich das tatsächlich bestätigen. Es sind gerade Zeiten wie diese – Zeiten des Leids, der Schwäche und Ungewissheit – in denen unser Vater im Himmel uns ganz besonders nahe zu sich zieht und uns mit seiner größten Liebe umarmt. Und das ist Grund zur Freude und zum Dank!

So sitze ich nun hier. Ich weiß immer noch nicht, was in den nächsten Wochen und Monaten vor mir liegt.

Es wird ein Jahreswechsel mit Ungewissheit sein und wenn ich ehrlich bin, hätte ich ihn mir nicht selbst so ausgesucht. Doch wenn es bedeutet, dass ich ihn dadurch noch mehr in Gottes Nähe erlebe, dann nehme ich ihn dankend aus seiner Hand an. Denn einen besseren Jahreswechsel gibt es nicht.

Mit welcher Last auch immer du ins neue Jahr gehst, lass mich es dir noch einmal sagen: Der Herr ist dir nahe! Hab ein frohes neues Jahr!