C.S. Lewis – Ein Leben in Briefen

Rezension von Helmut Henschel
30. Dezember 2021 — 5 Min Lesedauer

C.S. Lewis (1898–1963) ist als Verfasser gewichtiger Werke zu englischer Literatur, christlicher Apologetik und vor allem als Autor von Fantasy- und Science-Fiction-Romanen bekannt. Darüber hinaus war er aber auch ein begnadeter Briefschreiber, der Kontakte zu unterschiedlichsten Personen hielt und sich in seiner Korrespondenz zu einer vielfältigen Auswahl an Themen äußerte. Eine Gesamtausgabe der Briefwechsel des irisch-englischen Literaten erschien in den Jahren 2000–2006, herausgegeben vom Lewis’schen Nachlassverwalter Walter Hooper.

Aus diesen etwa 3000 Briefen hat Titus Müller, sonst vor allem als Autor historischer Romane bekannt und zugleich bekennender Lewis-Verehrer, die aus seiner Sicht „schönsten“ Briefe ausgesucht, editiert und als deutsche Übersetzung herausgebracht.

Das Buch gliedert sich in drei Teile: Im ersten Abschnitt wird der Lebensweg von C.S. Lewis skizziert, um auch diejenigen mitzunehmen, die bislang mit der Biografie Lewis’ nicht vertraut sind. Auf rund 20 Seiten gelingt es dem Herausgeber gut, die wesentlichen Lebensstationen zu beleuchten und so kursorisch, aber zugleich hinreichend, seinen Lebensweg zu skizzieren: von der glücklichen Kindheit in Belfast, über die schwierige Zeit nach dem Tod der Mutter, den Begegnungen mit den Schrecken des Krieges in Frankreich, der anfangs mühsamen und sukzessive doch sehr erfolgreichen Universitätskarriere, den von Lewis sehr geschätzten Treffen mit der Gruppe der „Inklings“, den apologetischen Ansprachen in der BBC, seiner Beziehung zu Mrs. Moore und später zu Joy Davidman, seinen relevanten literarischen Veröffentlichungen, sowie den späten Jahren in Cambridge.

Der folgende Hauptteil mit den Briefen beginnt mit einem Schreiben des 14-jährigen „Jack“ (so wurde er in der Regel von seinen Freunden genannt) an seinen drei Jahre älteren Bruder Warren („Warnie“) und endet mit einigen Zeilen an eine entfernte Bekannte aus den USA; letzterer ist vermutlich der finale von Lewis verfasste Brief, entstanden nur wenige Tage vor seinem Tod am 22. November 1963.

Zwischen diesen beiden Fixpunkten lernt der Leser eine Persönlichkeit kennen, die in besonderer Weise von guten Büchern fasziniert ist und dies auf eine Art zum Ausdruck bringt, die einen unwillkürlich wünschen lässt, selbst auch so begeistert von einem Buch sein zu können - sowohl als Medium an sich, als auch vom Inhalt. So schreibt der 16-jährige Lewis z.B. an seinen lebenslangen (Brief-)Freund Arthur Greeves:

„Was du über das Bücherkaufen schreibst, darin stimme ich dir sehr zu, und ich liebe all das Planen und Überlegen im Vorfeld und wie – wenn sie mit der Post kommen – das adrette kleine Päckchen auf dem Tisch in der Diele wartet und man nach oben stürmt und sich in die Privatheit des eigenen Zimmers zurückzieht“ (S. 40).

Das Thema Sehnsucht nimmt einen großen Teil in den Auslassungen Lewis ein. Besonders prominent hat er sich dazu in dem vielleicht bekanntesten Werk „Pardon, ich bin Christ“ geäußert. Umso spannender ist die Tatsache, dass bereits beim jungen (und zugleich dem Glauben gegenüber skeptischen) Lewis eine Präferenz für dieses Moment erkennbar ist:

„Wie gerne würde ich in eine Welt entfliehen, wo solche Dinge wahr sind; diese reale, harte, schmutzige, montagmorgenmäßige, moderne Welt ist beklemmend“ (S. 36).

Lewis wird dieses Thema später auch in den Geschichten von „Narnia“ belletristisch verarbeiten.

Die Stärke des Bandes liegt darin, dass sich die entscheidenden Wegmarken in der Biografie Lewis’ wiederfinden lassen. Einer dieser Momente liegt in den Briefen vom September 1931, wo Lewis von seinem nächtlichen Gespräch mit J.R.R. Tolkien berichtet, in dem die beiden über Mythen sprechen. Tolkien gelingt es, Lewis verständlich zu machen, dass „die Geschichte von Christus schlicht ein wahrer Mythos [ist]: ein Mythos, der auf dieselbe Weise auf uns wirkt wie die anderen, aber mit dem ungeheuren Unterschied, dass er tatsächlich passiert ist“ (S. 89). Dieses Gespräch ist der endgültige Anstoß für die Bekehrung von Lewis.

Es ist bekannt, dass Lewis durch den vom Krebs verursachten Tod von Joy Davidman in eine tiefe Krise geriet. Er hat diese in dem Buch „Über die Trauer“ beschrieben und wie bei seiner Bekehrung lässt sich dieser schmerzhafte Prozess in den Briefen erkennen. Es ist zutiefst menschlich, dass Lewis eigentlich nie eine Lösung fand, die seine Trauer, den Schmerz und den Tod für ihn „nachvollziehbar“ machte.

Lewis war kein Evangelikaler oder gar überzeugter Anhänger einer reformierten Theologie. Auch diese, zuweilen irritierenden Stellen, kommen in den Briefen vor. Sie gehören zum Gesamtbild ebenfalls dazu.

Im dritten Teil werden dann, soweit bekannt, die Briefpartner in Kürze biografisch beleuchtet.

Für wen ist der Band zu empfehlen? Ich bin mir nicht sicher, ob es ratsam ist, die Briefe zu studieren, bevor man sich über eine etwas umfangreichere Biografie (z.B. die von Alister McGrath oder Alan Jacobs) etwas breiter mit dem Leben von Lewis bekannt gemacht hat. Für mich war es hilfreich, die Briefe quasi als eine Art „Tiefenbohrung“ zu erleben und so Bekanntes, Überraschendes und manchmal auch Widersprüchliches entdecken zu können.

Manchmal sind die Gedankengänge Lewis’ abstrakt und sehr philosophisch. Das wird hier und da dazu führen, dass Dinge im Unklaren bleiben müssen, sicher weil auch der Kontext nicht immer ganz klar ist.

Der Briefen per Definition inhärente Detailreichtum mag an der ein oder anderen Stelle etwas mühsam sein. Hier ist es ratsam, die Vorgehensweise des Autors nachzuahmen, der die Korrespondenz „nicht am Stück“, sondern einzeln „wie ein Dessert“ las und so besonders genießen konnte. Denn ob man die Briefe des jungen oder des alten C.S. Lewis liest: In fast jedem lassen sich Standpunkte finden, über die es sich länger nachzudenken lohnt. Nicht nur einmal habe ich mir nach meiner Lektüre vorgenommen (die häufig in der Straßenbahn oder im Zug stattfand), zu späterer Zeit und in ruhigeren Umständen bestimmte Stellen erneut zu konsultieren. Auch die schöne, humorvolle und über lange Zeit geübte Sprache von Lewis motiviert zum Lesen.

Wer der englischen Sprache mächtig ist und sich vertieft mit Leben und Wirken von Lewis befassen möchte, wird vermutlich nicht darum herumkommen, sich die Originalausgabe von Hooper mit sämtlichen Schriftwechseln vorzunehmen. Allen anderen aber (und hier wird es sich um die Mehrheit handeln), sei die von Titus Müller herausgegebene Übersetzung stark ans Herz gelegt. Hier liegt ein echtes Kleinod vor, dass anregende, nachdenklich stimmende und im besten Sinne erbauende Lesestunden garantiert.

Buch

Titus Müller, C.S. Lewis – Ein Leben in Briefen, Adeo Verlag, 2021, 320 Seiten, 20,00 Euro.