Die Auslegungspredigt mit Fokus auf Christus

Rezension von Christian Schmid
25. Januar 2022 — 6 Min Lesedauer

Vielleicht geht es dir ähnlich wie mir: Du liebst Gottes Wort, erkennst dessen Wichtigkeit und Kraft im Leben der Gemeinde und verkündigst es mit Freude und Überzeugung. Gerade deshalb würdest du dir wünschen, die Bibel wirkungsvoller zu predigen. Es ist sehr gut möglich, dass dir das Buch Die Auslegungspredigt mit Fokus auf Christus helfen wird, genau das zu tun. Bryan Chapell ist erfahrener Verkündiger sowie langjähriger Ausbildner von Predigern und bietet in diesem umfassenden Werk eine detaillierte Anleitung für die Erstellung von Auslegungspredigten, die zum Ziel haben, Gottes gnädiges Handeln in Christus zu offenbaren.

Drei Teile und ein Haufen Anhänge

Das Buch umfasst elf Kapitel, die aufgeteilt sind in drei Teile:

  • Grundprinzipien der Auslegungspredigt,
  • die Vorbereitung der Auslegungspredigt
  • und eine Theologie der christuszentrierten Verkündigung.
„Die Auslegungspredigt ist ‚die Stimme einer Autorität, die nicht kulturellen Launen unterworfen ist‘.“
 

Am Ende des Buches bietet der Autor mit 14 Anhängen zusätzliche Hilfestellungen an, die neben ganz praktischen Dingen (etwa Methoden der Vorbereitung oder Methoden der Präsentation) auch ein Beispiel einer Auslegungspredigt sowie einen Auswertungsbogen für Predigten beinhalten.

Moralismus, billige Gnade oder Evangelium?

Zwei Begriffe stehen für das gesamte Buch: Autorität und Erlösung. Die Auslegungspredigt ist „die Stimme einer Autorität, die nicht von Menschen kommt und nicht allen kulturellen Launen unterworfen ist“ (S. 17). Chapell ist überzeugt, dass es an der Zeit ist, diese Art der Predigt wiederzugewinnen. Dabei ist es ihm ein großes Anliegen, dass biblische Verkündigung nicht nur erläutert, was Gott von uns fordert, sondern auch aufzeigt, welche Mittel zur Erlösung Gott gibt, um ein Leben im Gehorsam zu ermöglichen. Die Grundsätze des Buches sollen den Leser auch vor der Gefahr bewahren, Moralismus auf der einen Seite und billige Gnade auf der anderen Seite zu predigen.

„Es ist die Wahrheit des Bibeltextes selbst, den die Menschen hören müssen, nicht unsere eigene Weisheit.“
 

Beim Lesen wird schnell deutlich, dass der Autor völlig von der Autorität und Wirksamkeit von Gottes Wort überzeugt ist. In der Heiligen Schrift selbst kann „Gottes Weisheit und Kraft für das tägliche Leben gewonnen werden“ (S. 106). Deshalb ist es ihm so wichtig, dass Prediger Gottes Wort treu und gekonnt vor Gottes Volk bringen. Dabei ist es die Wahrheit des Bibeltextes selbst, den die Menschen hören müssen, nicht unsere eigene Weisheit. „Wir sind auf der Kanzel Ausleger, keine Autoren“ (S. 71), wird der Leser korrekt erinnert.

Ohne Anwendung fehlt etwas

Chapell fasst die Essenz der Auslegungspredigt so zusammen: „Lege das Wort dar, erkläre, was es sagt, und ermahne auf der Grundlage dessen, was es bedeutet.“ Eine Auslegungspredigt besteht nicht nur aus der Erklärung des Textes sondern erfordert auch Veranschaulichung und Anwendung. Teil 2 (Die Vorbereitung der Auslegungspredigt) behandelt jedes dieser Elemente – also Erklärung, Veranschaulichung und Anwendung – in einem separaten Kapitel. Die Wichtigkeit der Anwendung betont der Autor jedoch immer wieder. Erst die Anwendung gibt der Auslegung die endgültige Bedeutung. Ohne sie bleibt das Verständnis einer Wahrheit unvollständig (S. 263). Damit eine Anwendung vollständig ist, muss der Prediger jedoch auch die Gnade im Text offenbaren, die zum Gehorsam motiviert.

Um eine Predigt gleich von Beginn an in Richtung Anwendung zu führen, fordert der Chapell auf, in jedem Predigtabschnitt den „Gefallenen-Zustand-Fokus“ (G-Z-F) zu finden. Es ist dieser Fokus, der Chapells Buch über die Auslegungspredigt ganz besonders wertvoll macht. Der G-Z-F eines Textes offenbart die Not der ursprünglichen Empfänger der Schrift, mit der sich auch die Menschen heute identifizieren können. Erst wenn wir ein klares Verständnis des G-Z-F haben, können wir auch verstehen, was der biblische Autor mit seinen Worten bezweckt: „Das richtige Verständnis eines Bibelabschnitts und die Erstellung einer Predigt darüber erfordern einen klaren G-Z-F“ (S. 59).

Christus im Zentrum

Sehr aufschlussreich ist auch Chapells Ansatz zur christuszentrierten Verkündigung, die er im letzten Teil des Buches behandelt. Er bekräftigt: „Die Auslegungspredigt ist christuszentrierte Verkündigung“ (S. 358). Doch auch wenn wir die Wichtigkeit erkennen, Christus zu predigen – wie tun wir das, wenn es in einem Text nicht direkt um Christus geht? Auch hier hilft uns der erfahrene Prediger weiter. Er macht nicht nur deutlich, was es überhaupt bedeutet, Christus zu verkündigen, sondern bietet auch Ansätze, die uns im Text zu Christus führen. Spätestens in diesen Kapiteln wird auch klar, weshalb es notwendig ist, immer Christus zu predigen. Ohne ihn – und damit ohne Gottes gnädige Hilfe – deutlich darzustellen, wird auch eine gut gemeinte Predigt schnell zu einem Selbsthilfe-Vortrag. Erkennt Gottes Volk jedoch Gottes unverdiente Gnade in Christus deutlich, wird es motiviert und befähigt, nach Gottes Willen und für seine Ehre zu leben.

Auch wenn das Buch die Absicht verfolgt, Predigern zu helfen, besser zu predigen, ist sich der Autor durchaus bewusst, dass wir völlig von Gottes Hilfe und seinem Wirken abhängig sind. So sagt er zum Beispiel: „die geistliche Wirksamkeit Ihrer Botschaft liegt allein bei Gott“ (S. 34) oder „keine Menge an homiletischem Geschick [wird] das Werk des Heiligen Geistes ersetzen“ (S. 337). Dies bedeutet aber keinesfalls, dass wir uns zurücklehnen und Gott tun lassen sollen. Chapells Buch ist eine ermutigende Aufforderung, hart an guten Predigten zu arbeiten.

Eine Empfehlung

Ob du erst seit Kurzem predigst oder dies schon viele Jahre tust – das Buch Die Auslegungspredigt mit Fokus auf Christus wird dir helfen, Gottes Wort effektiver zu verkündigen. Durch das ganze Werk hindurch erwähnt Chapell immer wieder hilfreiche Fragen, die sich der Ausleger stellen sollte, wenn er einen Bibeltext untersucht, um eine Predigt vorzubereiten. Damit das Gelesene nicht einfach wieder vergessen wird, findet der Leser am Ende jedes Kapitels Fragen zur Wiederholung und für das Gespräch sowie Übungen, um das Gelernte auch anzuwenden. Warum nimmst du dir nicht vor, das Buch gemeinsam mit ein paar befreundeten Predigern durchzuarbeiten und regelmäßig über die Fragen am Ende des Kapitels auszutauschen?

Da das Buch aus dem Englischen übersetzt ist, sind lange Sätze keine Seltenheit. Dies macht manche Erklärungen nicht immer einfach verständlich. Dazu kommt, dass sich einige englische Begriffe einfach nicht gut ins Deutsche übersetzen lassen (wie zum Beispiel spiritual disciplines). Nichtdestotrotz ist das Buch immer noch gut leserlich. Der größte Nachteil des Buches ist definitiv seine Länge. Dies bestimmt nicht, weil nicht jeder Abschnitt hilfreich und lesenswert ist, sondern lediglich deshalb, weil der Umfang des Buches (über 500 Seiten) einige bereits viel beschäftigte Prediger abschrecken wird. Doch es lohnt sich! Ich kann mir kaum vorstellen, dass irgendjemand, der sich an Die Auslegungspredigt mit Fokus auf Christus heranwagt, nicht großen Nutzen davontragen wird. Und wenn es dem Prediger hilft, Gottes Wort wirkungsvoller zu predigen, profitiert schlussendlich die gesamte Gemeinde.

Buch

Bryan Chapell, Die Auslegungspredigt mit Fokus auf Christus. Waldems: 3L-Verlag, 2021. 552 S., ca. 39,90 Euro. Das Buch kann auch direkt beim Verlag bestellt werden.