Vertrat Richard Baxter eine orthodoxe Rechtfertigungslehre?
Richard Baxter scheint gegenwärtig vor allem für seine Werke über praktische Theologie bekannt zu sein, darunter die beiden Bücher The Christian Directory (Der christliche Wegweiser), welches mancherorts als Handbuch der christlichen Seelsorge verwendet wird, sowie The Reformed Pastor (dt. Das Predigeramt aus Sicht eines Puritaners), ein unter Reformierten ebenfalls häufig empfohlenes Musterbeispiel zur Seelsorge. Weniger bekannt ist Baxter hingegen für seine Glaubenslehre, insbesondere seine Rechtfertigungslehre. Baxter schrieb darüber erstmals in seinen 1649 veröffentlichten Aphorisms of Justification (Aphorismen der Rechtfertigung). In diesem Werk wandte er sich gegen den Geist des Antinomismus, mit dem er als Kaplan unter den Soldaten von Cromwells Armee häufig konfrontiert worden war. Baxter war der Meinung, dass die Lehre von der Rechtfertigung allein durch Glauben auf der Grundlage der Gerechtigkeit Christi der Grundirrtum der Antinomisten unter den Soldaten sei, woraufhin er die Aphorisms of Justification verfasste, um diesem Irrtum zu begegnen. Darüber hinaus schrieb Baxter im Jahr 1658 als Reaktion auf die vernichtende Kritik der reformierten Orthodoxen das Buch Of Justification (Von der Rechtfertigung), das vier Auseinandersetzungen über die Rechtfertigungslehre enthält. Hier folgen einige Zitate aus Baxters zweiter Disputation.
Disputation 2 – „Sind Werke eine Bedingung für die Rechtfertigung und werden wir somit durch Werke gerechtfertigt?“
1. Der rechtfertigende Glaube umfasst alles, was für unsere Nachfolge wesentlich ist.
„Das Evangelium verspricht allen, die noch glauben werden oder schon Glaubende sind, die Rechtfertigung. Ein Gläubiger und ein Jünger Christi zu sein ist im Sinne der Schrift ein und dasselbe, ebenso wie ein Jünger und ein Christ zu sein: Somit ist der Sinn der Verheißung der, dass wir gerechtfertigt werden, wenn wir wahre Christen oder Jünger Christi werden; folglich umfasst der rechtfertigende Glaube alles, was für unsere Jüngerschaft oder unser Christsein als konstitutive Ursachen wesentlich ist“ (Of Justification, S. 77).
Mit anderen Worten: Baxter bekräftigte, dass der Glaube alle Glaubensakte umfasst, die zur christlichen Nachfolge gehören. Reue, Liebe zu Christus, Gehorsam gegenüber seinen Geboten – all dies gehört zum rechtfertigenden Glauben.
2. Wir werden nicht allein durch den Glauben gerechtfertigt, sondern auch durch unsere Liebe zu Christus und die ihm innewohnende Gerechtigkeit.
„Es ist also nicht nur ein einziger Glaubensakt, durch den wir gerechtfertigt werden, sondern es sind viele physische Akte, die zusammen den Glauben ausmachen, den das Evangelium zur Bedingung des ewigen Lebens macht. Diejenigen also, die eine oder zwei Handlungen als Ursache für die Rechtfertigung bezeichnen und alle anderen als Werke betrachten und behaupten, dass es nur der Akt des Erinnerns an Christus als Priester, oder an Christus als für uns Sterbenden, oder nur der Akt des Erfassens oder Annehmens seiner zugerechneten Gerechtigkeit ist, durch den wir gerechtfertigt werden, und dass unsere Zustimmung oder Annahme von ihm als unserem Lehrer und Herrn, unser Verlangen nach ihm, unsere Liebe zu ihm, unser Verzicht auf andere Erlöser und unsere eigene Gerechtigkeit die Werke sind, die Paulus von unserer Rechtfertigung ausschließt, und dass es nur jüdisches Denken ist, zu erwarten, durch diese gerechtfertigt zu werden, wenn auch nur als Bedingungen der Rechtfertigung – diese Leute missverstehen Paulus und untergraben die Lehre des Glaubens und der Rechtfertigung, und ihre Lehre neigt dazu, das Wesen des Christentums zu verderben“ (Of Justification, S. 77–78).
Einiges von dem, was Baxter hier sagt, ist richtig. Ich stimme Baxter zu, dass der rechtfertigende Glaube Christus in allen seinen drei Ämtern vertraut: Prophet, Priester und König.
Doch Baxter fährt fort, dass einige fälschlicherweise glauben, dass Paulus „unsere Liebe zu ihm“ und „unsere eigene Gerechtigkeit“ von der Rechtfertigung ausschließt. Die Lehre, wonach die Liebe sowie die innewohnende Gerechtigkeit von der Rechtfertigung ausschließt, „neigt dazu, das Wesen des Christentums zu verderben“.
An anderer Stelle verdeutlicht Baxter seine Meinung, Paulus lehne nur die Rechtfertigung durch gesetzliche Werke ab, nicht aber durch evangeliumsgetreue. Er schreibt: „Werke im Sinne von Paulus sind solche, die dazu führen, dass der Lohn nicht aus Gnade, sondern aus Schuld zugerechnet wird“ (S. 65). Und weiter: „Werke im Sinne von Paulus sind solche, die in Konkurrenz zu Christus stehen oder zumindest mit ihm zusammenwirken“ (S. 69). Daher schließt Paulus, so Baxter, die treuen Werke des christlichen Gehorsams nicht von der Rechtfertigung aus.
3. Ein Christ muss gehorsam sein, um gerechtfertigt zu bleiben.
„Aufrichtiger Gehorsam gegenüber Gott in Christus ist eine Bedingung dafür, dass wir im Zustand der Rechtfertigung verbleiben oder sie nicht verlieren. Unser Ausharren darin ist eine Bedingung dafür, dass wir in diesem Zustand vor dem Herrn erscheinen, wenn wir diese Welt verlassen“ (Of Justification, S. 78).
Mit anderen Worten: Christen, die heute gerechtfertigt sind, müssen Gott aufrichtigen Gehorsam leisten, wenn sie auch morgen noch gerechtfertigt sein wollen. Diejenigen, die es versäumen, ihre Rechtfertigung durch aufrichtigen Gehorsam aufrechtzuerhalten, werden diese wieder verlieren. An anderer Stelle sagt Baxter:
„Auf die Frage, ob die Rechtfertigung verlierbar und die Begnadigung umkehrbar sei, antworte ich, dass die Gewährung derselben durch den Gnadenbund unabänderlich ist. Der Wille des Menschen hingegen ist veränderlich, und wenn er durch Abtrünnigkeit aufhören sollte zu glauben und die Bedingung wegfiele, so würde er sein Recht verlieren und ungerechtfertigt und unbegnadigt sein, ohne dass Gott sich ändert. Dass aber ein Mensch dies nicht tut, ist der Erwählung und der besonderen Gnade zuzuschreiben“ (Aphorisms, S. 203).
Baxter lehrte also, dass die Rechtfertigung durch den christlichen Gehorsam erfolgt, der bis zum Ende beibehalten werden muss, weil sonst der Christ seine Rechtfertigung verlieren und dadurch beweisen würde, dass er nie zu den Auserwählten gehörte.
Zur Frage, ob Richard Baxter eine orthodoxe Rechtfertigungslehre vertrat, zitiere ich einen historischen Vertreter der reformierten Baptisten, Benjamin Keach. Über Baxters Lehre von der Rechtfertigung schrieb er:
„Wir sollten uns von allen Irrtümern fernhalten, besonders von grundlegenden Denkfehlern. Ich fürchte, viele gute Christen sind sich der traurigen Gefahr, in der sie sich befinden, nicht bewusst. Ich glaube, dass die Lehre, die einige Männer zu fördern versuchen, nur wenig besser ist als ein Papsttum in neuem Gewande. Einer der schlimmsten Auswüchse davon sind Prediger, die vorgeben, das wahre Evangelium zu verkünden, aber ihre eigenen Werke oder aufrichtigen Gehorsam mit der Gerechtigkeit Christi vermischen und letztlich sogar ihren Gehorsam an die Stelle des Gehorsams Christi setzen, auf den sie vertrauen und in dem sie erfunden werden wollen. Ich ermahne euch alle, fest zu bleiben in dem kostbaren Glauben, den ihr empfangen habt. Widmet euch dem Gebet und dem gebührenden und sorgfältigen Studium von Gottes Wort, vor allem hinsichtlich dieser großartigen Lehre von der Rechtfertigung“ (The Marrow of True Justification,dt. Der Kern wahrer Rechtfertigung, S. 17).