Gemeindewachstum und Götzendienst

Drei Statements von Driscoll, Schaeffer und Packer

Artikel von Justin Taylor
14. März 2022 — 5 Min Lesedauer

Aus einer Predigt, die Mark Driscoll im Jahr 2006 hielt – acht Jahre, bevor er den von seinen Ältesten initiierten Prozess der Gemeindezucht abbrach, die Gemeinde aufgrund einer angeblichen Wegweisung Gottes verließ und schließlich zusehen musste, wie sich die Mars Hill Church ganz auflöste:

„Ich bin ein sehr kämpferischer Typ.
Ich will, dass die Gemeinde jedes Jahr wächst.
Ich will, dass mein Wissen wächst.
Ich will, dass mein Einfluss wächst.
Ich will, dass unser Mitarbeiterstab wächst.
Ich will, dass unsere Tochtergemeinden wachsen.
Ich will alles – weil ich gewinnen will.
Ich will nicht einfach dort stehenbleiben, wo ich jetzt stehe.
Ich will, dass nichts dort stehenbleibt, wo es heute steht.
Und deshalb sind Erfolg und Ruhelosigkeit, Produktivität und Sieg das, was mich ständig antreibt.
Ich – Das ist mein persönlicher kleiner Götze, und er funktioniert ziemlich gut in einer Gemeinde. Schließlich würde dich niemand deswegen zur Schnecke machen, weil du ein Christ bist, der Erfolge vorweisen kann.
Somit habe ich den perfekten Ort gefunden, um mich zu verstecken.
Und ich habe diese Woche darüber nachgedacht.
Was wäre, wenn die Gemeinde nicht mehr wachsen würde?
Was, wenn wir schrumpfen würden?
Was, wenn alles auseinanderbrechen würde?
Was, wenn die Hälfte der Mitarbeiter gehen würde?
Würde ich Jesus immer noch anbeten oder wäre ich nur noch ein Häufchen Elend?
Ich weiß es nicht.
Wenn Gott Gnade schenkt, werde ich es nie herausfinden müssen – aber man weiß ja nie.“

Francis Schaeffer:

„Genauso wie es bei Gott keine unbedeutenden Menschen gibt, ebenso gibt es auch bei ihm keine unbedeutende Stellung. … Nirgendwo sind Christen mehr von der Sucht nach Größe ergriffen worden als in Amerika. Größe ist ein Zeichen des Erfolgs. Man denkt: Wenn ich Gott geweiht bin, dann müssen sich automatisch viele Menschen und große Mengen von Geld einstellen.
Aber vor Gott ist das keineswegs so.
„Die Weisheit rät: Überlasst es Gott, zu bestimmen, was Erfolg ist, und lebt euren christlichen Glauben als eine Religion der Treue, statt dem Götzen ‚Leistung‘ zu dienen.“
 
Gott sagt nirgendwo, daß Größe und geistliche Vollmacht zusammengehören. Im Gegenteil, er warnt uns sogar davor (besonders in den Lehren Jesu), uns eine Stellung auszusuchen, der wir nicht gewachsen sind. Wir alle legen großen Wert auf große Organisationen und wichtige Positionen, aber diese Einstellung stammt von unserem fleischlichen Menschen. Wenn wir so denken, hören wir wieder auf das alte, unbekehrte, egoistische Ich. Diese Einstellung, die der Welt entstammt, ist für den Christen gefährlicher als fleischliches Vergnügen. Diese Einstellung ist das Fleisch.“[1]

J.I. Packer:

„Ich habe festgestellt, dass Gemeinden, Pastoren, Ausbildungsstätten und übergemeindliche Werke in ganz Nordamerika vor allem mit dem Zahlen-Spielchen beschäftigt sind – nämlich Erfolg an den Zahlen festzumachen, wie viele Leute hinzugekommen sind.
Gemeindewachstumstheoretiker, Evangelisten, Pastoren, Missionare, Journalisten und andere reden so, als ob
(1) zahlenmäßiges Wachstum die Hauptsache wäre;
(2) zahlenmäßiges Wachstum durch die richtigen Techniken und Methoden zuverlässig herbeigeführt würde;
(3) zahlenmäßiges Wachstum eine Arbeit derart bestätigen würde, wie nichts anderes es kann;
(4) zahlenmäßiges Wachstum jedermanns wichtigstes Ziel sein müsste.“

J.I. Packer sieht vier „unglückliche Folgen“ dieser Annahmen:

„Erstens werden große und wachsende Gemeinden als wesentlich bedeutender betrachtet als andere.
Zweitens werden übergemeindlich agierende Spezialisten, die große Massen anziehen können, gefeiert, während fleißige Pastoren nahezu wie ein Niemand behandelt werden.
Drittens werden fortlaufend aktive Laien und auch Pastoren aus den Gemeinden abgezogen, um in übergemeindlichen Diensten zu arbeiten. In diesen ist aus dem einfachen Grund, dass man sich auf einen relativ kleinen Teilbereich spezialisiert, mit schnelleren und eindrucksvolleren Erfolgen zu rechnen.
Viertens ziehen sich viele Vollzeitler, die kein derart gewinnendes Wesen und keine derart markanten Gaben besitzen, enttäuscht und verbittert in säkulare Berufe zurück, nachdem sie zu dem Schluss gekommen sind: Das Leben als Pastor im ständigen Dienst ist eine Sache, die die Mühe nicht lohnt.“

Packer kommt zu folgender Einschätzung:

„In all dem meine ich, reichlich nicht abgetöteten Stolz zu sehen, sei er gestreichelt, verwöhnt und zufrieden, oder verletzt, gepflegt und verhätschelt. Wo messbarer Erfolg zum Gott wird, gedeiht stets Stolz und breitet sich in der Seele aus, so wie Krebs in einem Körper manchmal rasend schnell um sich greifen kann.
Daraus resultiert ein Verlust an geistlicher Größe und zunehmende moralische Schwäche. Und bei Gemeindeleitern – vor allem jenen, die sich ihres Erfolgs sicher sind – kommt es zu unterschiedlichen Formen des Missbrauchs und der Ausbeutung, die entsetzlich sein können.
Was vielen modernen Zeitgenossen höchst vernünftig und professionell vorkommt, nämlich die Ausrichtung aller christlichen Aktivitäten auf den sichtbaren Erfolg als Ziel, ist daher eher eine Schwachstelle der Gemeinde als eine Stärke. Sie ist ein Nährboden für die ungeistliche Prahlerei derer, die sich selbst zu den Erfolgreichen zählen, wie auch für die ungeistliche Verzweiflung derer, die sich selbst für Versager halten, und bringt allseits Oberflächlichkeit hervor.
Der gesunde und demütige Weg besteht darin, uns selbst einzugestehen, dass wir letztendlich nicht wissen und auch nicht wissen können, wie erfolgreich wir in Gottes Augen sind. Die Weisheit rät: Überlasst es Gott, zu bestimmen, was Erfolg ist, und lebt euren christlichen Glauben als eine Religion der Treue, statt dem Götzen ‚Leistung‘ zu dienen.“[2]

(Packer meint, aus seiner Sicht sollte das Buch Liberating Ministry from the Success Syndrome von Kent und Barbara Hughes „zur Pflichtlektüre für jeden angehenden Pastor gemacht werden“.)


[1] Francis A. Schaeffer, *Jeder ist von Bedeutung: 16 Predigten für das 20. Jahrhundert*, Neuhausen-Stuttgart: Hänssler, 1982, S. 13–14.

[2] J.I. Packer, *A Passion for Faithfulness: Wisdom from the Book of Nehemiah*, Wheaton: Crossway, 1995, S. 207–209.