Das Jesus-Projekt
Ich erinnere mich lebhaft, wie ich als junger Mann biblische Theologie für mich entdeckte und mir einleuchtete, dass jedes Buch der Bibel Teil einer großen Geschichte ist, die zu Jesus führt. Bücher mit diesem Ansatz sind im deutschsprachigen Raum bis heute leider rar. Deshalb bin ich Philipp Kruse und Stephanus Schäl dankbar, dass sie diese Lücke mit ihrem Buch Das Jesus-Projekt: Finde deinen Platz in Gottes großer Geschichte schließen. Die Autoren gehören zum Team vom Bibel Projekt, dessen Anliegen es ist, „biblische Erzählungen und Themen in kurzen, kreativen Videos anschaulich zu vermitteln“.
Die Autoren präsentieren die Erzählung der Bibel als eine Art Theater auf Gottes großer Bühne der Weltgeschichte. Die Geschichte wird in sechs „Akten“ mit diesen Inhalten vorgestellt:
- Die Schöpfung,
- der Sündenfall,
- die Mission des Volkes Israel,
- das Kommen und Werk Jesu,
- die Mission der Kirche und
- die zukünftige Neuschöpfung.
„Jesus ist der zweite Adam, der neue Mose und das wahre Israel.“
Abgerundet wird das Ganze durch einen Prolog, der ins Thema einleitet und einen Epilog, der den Leser anleitet, seinen Platz in der Geschichte Gottes zu finden.
Das Alte Testament wird schmackhaft gemacht
Es gelingt den Autoren ausgezeichnet, die Geschichte der Bibel darzustellen und die Verbindung zwischen Altem und Neuem Testament sichtbar werden zu lassen. Dabei beleuchten sie grundlegende Konzepte wie das Priesteramt, das Gesetz, das Opfersystem und den Tempel und zeigen geschickt, wie sie zu Jesus führen. Sie machen deutlich: Jesus ist der zweite Adam, der neue Mose und das wahre Israel. Die Aussagen werden durch anschauliche Illustrationen unterstützt, sodass es Freude macht, das hochwertig verarbeitete Buch in die Hand zu nehmen, zu lesen und anzuschauen.
Den Leser für Gott und die Bibel begeistern
Kruse und Schäl möchten dem Leser verständlich machen, dass es in dieser Geschichte um ihn persönlich geht. Der Leser soll das Gelernte zu seinem eigenen Projekt machen. Die Autoren fordern ihn deshalb auch auf, sich dem Evangelium von Jesus Christus zu stellen, umzukehren und das Vertrauen auf Christus zu setzen. Sie wollen nicht nur Informationen zur Bibel vermitteln, sondern den Leser für Gott begeistern. Das ist klasse!
Wertvoll ist außerdem, dass der Leser aufgefordert wird, Bibelstellen nachzuschlagen. Die Autoren regen auf diese Weise an, nicht nur ein Buch über die Bibel zu lesen, sondern das Wort Gottes selbst sprechen zu lassen. Sie unterstreichen, dass die Bibel die höchste Autorität hat.
Am Anfang jedes Kapitels gibt es einen QR-Code, der zu einer Seite mit Materialien führt. Der Umfang des Materials ist ausbaufähig. Enthalten sind Buchhinweise, Fragen für Kleingruppen und ein Kurzvortrag der Autoren. Die Fragen sind teilweise eher für die persönliche Reflexion als eine Diskussion in der Gruppe geeignet.
Unschärfen
Es ist zu begrüßen, dass die Autoren den Leser immer wieder direkt ansprechen. Das ist ein wesentlicher Teil der Verkündigung des Evangeliums. Dabei durchzieht das Buch jedoch eine gewisse Unschärfe.
„Es geht um mehr als nur darum, Teil eines Projekts zu werden. Es geht um die Rettung vor dem schrecklichen Gericht Gottes.“
Die Autoren trauen dem Leser mehr positive Fähigkeiten zu als das Evangelium. Der Leser erhält im Buch überwiegend positive und motivierende Aufrufe, sich für das Projekt Gottes zu entscheiden. Dabei kommt die Sündhaftigkeit und Verlorenheit des Menschen zu kurz. Leider wird nicht deutlich hervorgehoben, dass jeder Mensch sich freiwillig gegen Gott entscheidet und in Sünde lebt (Röm 3,10–18; Eph 2,1–3). Dass wir zu neuem Leben erweckt werden müssen und das gnädige Eingreifen Gottes durch seinen Geist benötigen (Eph 2,4–7), wird nicht ausreichend berücksichtigt. Die Feststellung, dass der Mensch „weder gänzlich vorherbestimmt noch absolut frei“ ist und „sich für oder gegen Gott entscheiden“ kann (S. 73), bekommt so eine Schlagseite.
Diese Schlagseite ist zudem in der knappen Darstellung des Zornes Gottes und des ewigen Gerichts zu erkennen. Im sechsten Akt, wo es um das Ende des Bösen im Feuersee geht, erklären die Autoren zwar, dass „zum Schluss alle, deren Namen nicht im Buch des Lebens stehen“ dort enden (S. 257). Es fällt aber auf, dass der Leser im Vergleich zu den vielen positiven Aufforderungen im Buch hier gerade nicht direkt angesprochen wird. Wie schrecklich es im Feuersee sein wird, wird fast beiläufig erwähnt, wenn es heißt, „dass die Bibel einen Ort schildert, an dem Gott nicht auffindbar ist“ (S. 257). Wie Jesus sollten wir keine Scheu haben, dieses heikle Thema unmissverständlich anzusprechen und Menschen zur Umkehr aufzufordern. Es geht eben um mehr als nur darum, Teil eines Projekts zu werden. Es geht um die Rettung vor dem schrecklichen Gericht Gottes.
Für wen eignet sich das Buch?
Junge Christen werden von dem Buch profitieren. Es weckt die Liebe zur gesamten Bibel und fördert das Verständnis des Alten Testaments. Das Buch ermutigt, schwierige Bücher des AT nicht zu umgehen. Es motiviert, sich an Bücher heranzuwagen, die man sonst gerne meidet. In Kombination mit den Videos vom Bibel Projekt kann es gewinnbringend in der Arbeit mit Teenagern, beim Mentoring junger Leute und von Familien mit Teenagern verwendet werden.
Das Buch eignet sich auch zur Weitergabe an Nicht-Christen. Aufgrund der oben dargestellten Unschärfen sollten sie das Evangelium jedoch kennen und Interesse an Christus zeigen. Das Jesus-Projekt wird ihnen helfen, zu erkennen, dass die Bibel eine zusammenhänge Geschichte ist, die zu Jesus führt.
Buch
Philipp Kruse, Stephanus Schäl, Das Jesus-Projekt: Finde deinen Platz in Gottes großer Geschichte, Holzgerlingen: SCM, 2021, 288 Seiten, 19,99 Euro.