Pastors and Their Critics

Rezension von Klaus Hickel
12. April 2022 — 6 Min Lesedauer

Wer hauptamtlich einer Gemeinde dient, wird unweigerlich der Kritik anderer innerhalb und außerhalb der Gemeinde ausgesetzt. Nicht selten  mangelt es Pastoren jedoch (insbesondere in ihren ersten Jahren) an biblischer Weisheit damit umzugehen. Die Konsequenzen reichen von „Entrüstung, Schlaflosigkeit, Zynismus und Burnout bis hin zu reiner Verzweiflung und Rückzug“ aus dem hauptamtlichen Dienst (S. 14).

Mit ihrem Buch Pastors and their Critics wollen Joel Beeke und Nick Thompson Hilfestellung geben – und das tun sie auf großartige Weise. Insbesondere aus Beekes langjährigem Pastorendienst schöpfen die Verfasser einen aus persönlichen Beispielen, prägnanten Bibelstellen und wertvollen Zitaten bestehenden Schatz an erbaulichen wie auch herausfordernden Ratschlägen. Diese Fülle an Weisheit lässt dieses Buch zu „einem der wichtigsten Bücher“ Beekes werden – so Sinclair B. Ferguson im Vorwort –, das in keiner Pastorenbibliothek fehlen sollte.

Teil 1: Mose, David und sogar Gott selbst wurden kritisiert

Das Buch umfasst vier Teile. Im ersten beschäftigen sich die Autoren mit biblischen Grundlagen für den Umgang mit Kritik. Sie zeigen auf, wie unangemessene Kritik sich wie ein „schwarzer Faden durch die Bundesgeschichte“ zieht (S. 19), der schon beim Sündenfall mit den trügerischen Worten der Schlange beginnt. Das erste Ziel ungerechtfertigter Kritik ist also Gott selbst: „Der dreifach heilige Gott wurde als einengender, neidischer, liebloser Lügner verleumdet“ (S. 21). Die Einsicht, dass „unser Leiden keine persönliche, isolierte Erfahrung darstellt, sondern Teil des großen heilsgeschichtlichen Dramas ist, dessen Hauptantagonist der Teufel ist“, bildet eine der Grundlagen für die Herangehensweise der Autoren (S. 22). Entsprechend erweist sich Sanftmut bei den alttestamentlichen Leitern Mose, David und Nehemia als ein Schlüsselcharakteristikum im Umgang mit Kritik.

„Das erste Ziel ungerechtfertigter Kritik ist Gott selbst.“
 

Die darauffolgende Betrachtung von Jesus ergibt denselben Befund. In der Sanftmut Christi kommt das höchste Maß an Selbstkontrolle zum Ausdruck, „nur ein mächtiger geistlicher Krieger könnte seinen Geist unter solch großen Provokationen beherrschen“ (S. 43). „Der Geist Christi kann auch uns befähigen, uns aus unserer lähmenden Selbstverliebtheit zu befreien" (S. 45). Jesus zeigt uns, wie wir "mehr als Überwinder sein können, wenn wir an seinem Leiden teilhaben" (S. 41).

Teil 2: Jetzt wird es praktisch

Nach Behandlung der biblischen Grundlagen wendet sich das Buch den praktischen Richtlinien für den Umgang mit Kritik zu, welche in den vier Kapitelüberschriften gut zusammengefasst werden:

  • Nimm Kritik realistisch an
  • Nimm Kritik demütig an
  • Reagiere mit nüchternem Urteilsvermögen
  • Reagiere mit Gnade
„Der richtige Umgang mit Kritik erfordert ein realistisches Verständnis der eigenen Unvollkommenheit – und der des Kritikers.“
 

Der richtige Umgang mit Kritik erfordert einerseits ein realistisches Verständnis der eigenen Unvollkommenheit – und der des Kritikers. Andererseits gilt es, die „zerstörerischen Absichten Satans“ nicht aus dem Blick zu verlieren (S. 59). Bei alledem sollten wir nicht vergessen, dass der „ultimative Grund, warum Kritik unausweichlich ist, durch und durch positiv ist“ – unsere Heiligung (S. 61).

Teil 3: So sieht konstruktive Kritik aus

Im dritten Teil behandeln Beeke und Thompson die Frage, wie eine Gemeindekultur entstehen kann, in der Kritik weder unterdrückt wird noch von Selbstgerechtigkeit zeugt (S. 138). Das Ziel besteht „in einer so sehr vertieften Liebe und Fürsorge füreinander, dass eine Gemeinde bereit ist, tiefgehende, schmerzhafte, gnadenerfüllte, charakterformende Gespräche zu führen.“ Eine solche Gemeindekultur entsteht durch das Evangelium und Gebet, aber auch durch einen offenen Umgang mit Sünden und Fehlern der Leiterschaft: „wenn ein Pastor seine eigenen Fehler eingesteht, gibt das der Gemeinde Freiheit, die ihren zuzugeben“ (S. 143). Dazu sollten Gemeinden Plattformen und Kontexte bereitstellen, in denen konstruktive Kritik – auch an der Leiterschaft – ausdrücklich willkommen geheißen wird (S. 144).

Teil 4: Ein leidenschaftlicher Appell

Vielleicht überraschend spät behandelt das Buch im letzten Teil die theologische Vision für den Umgang mit Kritik. Hier schöpfen die Autoren aus den Erfahrungsschätzen des Apostels Paulus und entwickeln eine Vision, die Gott im Gemeindedienst zu verherrlichen sucht, auf Gemeindebau ausgerichtet ist, sowie die zentrale Bedeutung des Jüngsten Gerichts erfasst hat. Auf diese Weise steuert das Buch auf einen durchaus auch emotional wirksamen Höhepunkt zu, der durch eine andere Reihenfolge wohl so nicht möglich gewesen wäre. Er mündet in einem leidenschaftlichen Appell an Pastoren, diese theologische Vision in der Leitung der Gemeinde sichtbar werden zu lassen, indem sie mit frischem Fokus „auf Jesus blicken“, „die Hand an den Pflug legen und nicht zurückblicken“ und „Gottes Kampf kämpfen, dann wird er [die unseren] kämpfen“ (S. 164).

Fazit: Starke Empfehlung zum langsamen Lesen

Pastors and their Critics ist eine enorm lohnenswerte Lektüre. Die thematische Aufteilung mag zwar hin und wieder dazu führen, dass ähnliche Aussagen wiederholt werden, allerdings ist dies auch auf die sehr gründliche Betrachtung des Themas zurückzuführen. Insgesamt überzeugt die Gliederung durch ihre Zugänglichkeit.

„‚Wenn ein Pastor seine eigenen Fehler eingesteht, gibt das der Gemeinde Freiheit, die ihren zuzugeben.‘“
 

Mancher deutschsprachige Leser wird sich möglicherweise mit den sprachlichen Eigenheiten der verwendeten King James Version schwertun, doch tut dies der allgemein leichten Verständlichkeit keinen Abbruch. Zusammenfassungen am Ende der Abschnitte helfen zudem, das Wesentliche gut zu erfassen.

Mit ihrem sehr lebensnahen und angewandten Schreibstil gelingt es Beeke und Thompson, dass angesichts des umfangreichen Inhalts nur gelegentlich der Eindruck von Dichtheit entsteht. Gerade aufgrund der Fülle an Einblicken sollte man sich für dieses Buch allerdings mehr Zeit nehmen, als seine Länge (192 Seiten) vielleicht vermuten lässt. Seine größte Wirkung entfaltet dieses Buch, wenn man sich bewusst zum Innehalten entschließt und über die zahlreichen Fragen zur persönlichen Reflexion nachdenkt.

Übrigens: Nicht nur für Pastoren!

Die kostbaren Impulse in Pastors and their Critics werden sich weit über die persönliche Erfahrung von Gemeindeleitern als relevant und hilfreich erweisen. Dieses überaus lesenswerte Buch eignet sich nicht nur für Pastoren und ihre Kritiker, sondern für alle diejenigen, die zu einer gesunden Gemeindekultur im Umgang mit Kritik beitragen möchten.

Mit ihrem Buch haben Beeke und Thompson damit all jenen Gemeinden einen großen Dienst erwiesen, die nach einer gesunden, kritikfähigen Gemeindekultur streben.

Buch

Nick Thompson und Joel R. Beeke, Pastors and Their Critics: A Guide to Coping with Criticism in the Ministry, Phillipsburg, NJ: P&R Publishing, 2020. 192 S., ca. 13,72 Euro.