Der gute Kampf des Glaubens

Artikel von J. Gresham Machen
27. April 2022 — 28 Min Lesedauer
Am 10. März 1929 hielt Dr. J. Gresham Machen seine letzte Predigt vor den Studenten des Princeton Theological Seminary. Machen hatte gegen die Neuausrichtung der Ausbildungsstätte gekämpft und die Schlacht verloren. Die Modernisten waren nun so weit, das Ruder an der Schule zu übernehmen. Die theologisch Konservativen wurden verdrängt. In den folgenden Monaten arbeitete man eilig Pläne für die Gründung des Westminster Theological Seminary aus, und die neue Ausbildungsstätte wurde im Herbst 1929 unter Machens Leitung eröffnet. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass Machens letzte Predigt in Princeton von besonderer Bedeutung ist, sowohl im Hinblick auf Machens Dienst als auch auf die Geschichte der modernistischen Kontroverse.

„Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.“ (Phil 4,7)

„Kämpfe den guten Kampf des Glaubens!“ (1Tim 6,12)

Der Apostel Paulus war ein großer Kämpfer. Sein Kampf richtete sich teils gegen äußere Feinde, gegen Bedrängnisse aller Art. Fünfmal wurde er von den Juden ausgepeitscht, dreimal von den Römern; viermal erlitt er Schiffbruch; er war in Gefahren auf Flüssen, in Gefahren durch Räuber, in Gefahren vom eigenen Volk, in Gefahren von Heiden, in Gefahren in der Stadt, in Gefahren in der Wüste, in Gefahren auf dem Meer, in Gefahren unter falschen Brüdern (vgl. 2Kor 11,26). Und wie es bei einem solchen Leben nahezu absehbar ist, endete es durch das Beil des Henkers. Ein friedvolles Leben war das wohl nicht, sondern ein Leben voller gefährlicher Abenteuer. Sicherlich erlebte Lindbergh seinen Nervenkitzel, als er nach Paris flog; heute sind die Menschen ja stets auf der Suche nach Nervenkitzeln. Aber wer nach einer wirklich ununterbrochenen Aneinanderreihung von Nervenkitzeln sucht, hätte meiner Meinung nach kaum etwas Besseres tun können, als mit dem Apostel Paulus im Römischen Reich des 1. Jhdts. umherzuziehen und sich dabei dem unliebsamen Geschäft zu widmen, die Welt auf den Kopf zu stellen.

Doch diese körperlichen Bedrängnisse waren nicht Paulus’ größter Kampf. Wesentlich mühsamer war der Kampf, den er gegen die Feinde im eigenen Lager auszufechten hatte. Hinter seinem Rücken drohten von allen Seiten Gefahren, sei es ein alles vereinnahmendes Heidentum, sei es ein verdrehtes Judentum, das die wahre Absicht des alttestamentlichen Gesetzes übersah. Lest aufmerksam die Briefe des Paulus, und ihr werdet sehen, dass Konflikte seine ständigen Begleiter waren. Einmal muss er das Praktizieren von Heidentum abwehren, die Idee, dass einem Christen jegliches Verhalten erlaubt ist (ein Ansatz, der unter dem Vorwand der christlichen Freiheit einen Freibrief ausstellt, heidnisch zu leben). Ein anderes Mal bekämpft er heidnisches Denken, nämlich die Angleichung der christlichen Lehre von der Auferstehung des Leibes an die heidnische Lehre von der Unsterblichkeit der Seele. Und wieder ein anderes Mal kämpft er gegen das Bestreben des menschlichen Stolzes, das Verdienst des Menschen an die Stelle der göttlichen Gnade als Mittel zur Errettung zu setzen; er kämpft gegen die subtile Propaganda der Judaisten, die sich in irreführender Weise auf Gottes Wort berufen. Wo auch immer wir hinsehen, wir sehen den großen Apostel im Kampf, um die Gemeinde zu beschützen. Es ist, als drohe eine mächtige Flut das Leben der Gemeinde zu überschwemmen: Kaum hat man eine löchrige Stelle im Damm geschlossen, bricht der Damm irgendwo anders. Das Heidentum sickerte überall ein. Paulus hatte keinen Moment Ruhe. Ständig war es nötig zu kämpfen.

Glücklicherweise war er ein treuer Kämpfer. Und durch Gottes Gnade kämpfte er nicht nur, sondern er gewann. Es mag allerdings auf den ersten Blick eher danach aussehen, als hätte er verloren. Die erhabene Lehre von der göttlichen Gnade, die das Zentrum und der Pulsschlag des von Paulus gepredigten Evangeliums war, dominierte nicht immer im Denken und in den Herzen der nachfolgenden kirchlichen Generationen. Das Christentum der Apostolischen Väter, der Apologeten, des Irenäus war etwas deutlich anderes als das Christentum des Paulus. Die Kirche meinte zwar, Paulus treu geblieben zu sein. Doch die reine Lehre vom Kreuz läuft dem natürlichen Menschen zuwider, und sie wurde nicht in jedem Zeitalter völlig verstanden, noch nicht einmal innerhalb der Gemeinde. Lest zuerst den Römerbrief und danach Irenäus, und euch wird der gewaltige Niedergang bewusst. Das Evangelium sticht nicht mehr klar und deutlich heraus, es gibt eine Menge menschlich-fehlerhafter Beifügungen. Man kann den Eindruck gewinnen, als würde sich die christliche Freiheit schließlich doch noch in den Maschen eines neuen Gesetzes verheddern.

Und doch ist bereits Irenäus etwas anderes als die Judaisten. Schon zu seiner Zeit hatte man etwas gewonnen – und Gott hielt noch Größeres als Irenäus für die Kirche bereit. Die Briefe, die Paulus im Kampf mit den Gegnern seiner Zeit verfasst hatte, blieben im Neuen Testament erhalten, als persönliche Quelle des Lebens für das Volk Gottes. Augustinus verkündete auf der Grundlage dieser Briefe die paulinische Sünden- und Gnadenlehre. Und dann, nach jahrhundertelangen Kompromissen mit dem natürlichen Menschen, entdeckte die Reformation die große, befreiende paulinische Lehre von der Rechtfertigung durch den Glauben wieder. So war es mit Paulus immer. Gerade dann, wenn er besiegt schien, standen durch Gottes Gnade seine größten Triumphe vor der Tür.

„Es ist unmöglich, ein treuer Streiter Jesu Christi zu sein und nicht zu kämpfen. Das Christenleben ist nun mal ein Kampf.“
 

Doch die menschlichen Werkzeuge, die Gott für seine großen Triumphe des Glaubens gebraucht, sind keine Pazifisten, sondern große Kämpfer wie Paulus selbst. Der ganze Club derer, die Befürchtungen hegen, wo das wohl hinführen mag, der ganze Club derer, die damals wie heute Kompromisse eingehen – sie fühlen sich dem großen Apostel wenig zugetan. Die wahren Gefährten des Paulus sind die großen Glaubenshelden. Aber wer sind diese Helden? Sind sie nicht einer wie der andere treue Kämpfer? Tertullian schlug eine gewaltige Schlacht gegen Marcion; Athanasius kämpfte gegen die Arianer; Augustinus kämpfte gegen Pelagius; und Luther – er kämpfte einen mutigen Kampf gegen Könige und Fürsten und Päpste für die Freiheit des Volkes Gottes. Luther war ein großer Kämpfer, und dafür schätzen wir ihn. Ebenso Calvin, ebenso John Knox und all die anderen. Es ist unmöglich, ein treuer Streiter Jesu Christi zu sein und nicht zu kämpfen.

Möge Gott euch – euch Studenten am Seminar – gewähren, ebenfalls Kämpfer zu sein! Wahrscheinlich habt ihr bereits jetzt eure Kämpfe. Ihr habt zu kämpfen gegen grobe Sünden und gegen subtile Sünden. Ihr ringt mit der Sünde der Faulheit und Trägheit. Viele von euch, das weiß ich sehr gut, stehen in einem gewaltigen Kampf gegen Zweifel und Verzweiflung. Lasst euch davon nicht befremden, wenn ihr in dieser Weise in mancherlei Anfechtungen fallt. Das Christenleben ist nun mal ein Kampf. John Bunyan hat es zu Recht mit dem Gleichnis eines Heiligen Krieges beschrieben; und als er es in seinem umfangreicheren Buch als Pilgerreise darstellte, war auch diese reich an Kämpfen. Es gibt sehr wohl Orte der Erholung auf dem Weg des Christen. Der König hatte auf dem Berg der Beschwerde den Palast Prachtvoll erbaut, um die Pilger zu beherbergen, und von den lieblichen Bergen aus konnte man manchmal schon die schimmernden Türme der himmlischen Stadt erkennen. Doch direkt nach dem Abstieg vom Palast Prachtvoll war der Kampf mit Apollyon zu bestehen, kam das Tal der Demut und danach das Tal der Todesschatten. Nein, der Christ steht in einem gewaltigen Widerstreit mit dieser Welt. Möge Gott es schenken, dass ihr euch in diesem Kampf als treue Männer erweist; als gute Streiter Jesu Christi, die nicht bereit sind, Kompromisse mit dem großen Feind einzugehen, die nicht leicht niederzuringen sind und die stets um die Erneuerung ihrer Kraft durch das Wort und die Sakramente und das Gebet bemüht sind!

„Jemand kann gerne glauben, was immer er will, vorausgesetzt, er glaubt nicht irgendetwas stark genug, um dafür sein Leben zu riskieren oder dafür zu kämpfen.“
 

Ihr werdet auch dann einen Kampf haben, wenn ihr als Diener der Gemeinde hinausgeht. Die Kirche befindet sich momentan in einer Zeit des Kampfes auf Leben und Tod. Die errettende Religion, die man als Christentum kennt, liegt in unserer Presbyterianischen Kirche und in allen größeren Kirchen dieser Welt im Streit gegen eine völlig fremdartige Religion. Wie immer verschleiert der Feind seine gefährlichsten Angriffe durch fromme Phrasen und Halbwahrheiten. Die Schibbolets des Gegners klingen zuweilen sehr verführerisch. „Lasst uns das Christentum verkündigen“, sagt der Widersacher, „aber lasst uns doch nicht ständig nur mit seiner Verteidigung beschäftigt sein. Wir wollen positiv predigen, nicht negativ. Lasst uns doch Meinungsverschiedenheiten vermeiden. Wir wollen an einer Person festhalten, nicht an Lehre. Lasst uns von den kleinen lehrmäßigen Unterschieden absehen und nach der Einheit der Gemeinde Christi streben. Lasst uns die lehrmäßigen Anhängsel aufgeben und Christus für uns selbst interpretieren. Sehen wir doch in unser Herz, um Christus zu erkennen. Wir wollen dem östlichen Denken keine westlichen Glaubensbekenntnisse überstülpen. Lasst uns doch anderen Sichtweisen gegenüber tolerant sein.“ Das sind einige der Schibbolets jenes agnostischen Modernismus, der heute der gefährlichste Feind der christlichen Religion ist. Es kommt vor, dass sich ein Teil des Volkes Gottes für einige Zeit davon täuschen lässt. Manchmal hört man diese Dinge aus dem Mund von guten Christen, die nicht die leiseste Ahnung haben, was sie bedeuten. Aber für denkende Menschen wird ihre wahre Bedeutung immer klarer. Der Mensch wird sich immer weniger der Notwendigkeit entziehen können, zu entscheiden, ob er sich zum Herrn Jesus Christus stellen will, wie ihn das Wort Gottes uns zeigt, oder ob er sich nicht zu ihm stellen will.

Wenn ihr euch entscheidet, euch zu Christus zu stellen, werdet ihr im Dienst kein leichtes Leben haben. Natürlich könnt ihr versuchen, dem Konflikt aus dem Weg zu gehen. Alle Leute werden gut von euch reden, wenn ihr – so unbeliebt das Evangelium auch sein mag, das ihr am Sonntag predigt – am nächsten Tag in den kirchlichen Gremien gegen das Evangelium stimmt. Man wird euch freimütig erlauben, an ein übernatürliches Christentum zu glauben so viel ihr wollt, wenn ihr euch nur so verhaltet, als würdet ihr nicht daran glauben. Wenn ihr mit seinen Gegnern gemeinsame Sache macht. Das ist der Kurs, mit dem ihr die Gunst der Kirche gewinnen werdet. Jemand kann gerne glauben, was immer er will, vorausgesetzt, er glaubt nicht irgendetwas stark genug, um dafür sein Leben zu riskieren oder dafür zu kämpfen. „Toleranz“ lautet das große Wort. Sogar im Gebet erbitten die Menschen von Gott Toleranz. Aber wie kann ein Christ ein solches Gebet sprechen? Was für ein schreckliches Gebet ist das doch, wie viel Untreue gegenüber dem Herrn Jesus Christus liegt darin! Natürlich ist Toleranz in mancher Hinsicht auch eine Tugend. Wenn es euch dabei um Toleranz von Seiten des Staates geht, um die rücksichtsvolle Behandlung von Minderheiten durch Mehrheiten, um die klare Ablehnung jeglicher Maßnahmen, die physischen Zwang beinhalten, um irgendetwas – sei es Wahres oder Falsches – zu verbreiten, dann sollte ein Christ selbstverständlich mit aller Macht für Toleranz eintreten, und er sollte die allgegenwärtige Zunahme der Intoleranz im heutigen Amerika beklagen. Oder wenn ihr mit Toleranz das Erdulden persönlicher Angriffe gegen euch selbst meint, oder Höflichkeit, Geduld und Fairness beim Umgang mit Fehlern aller Art – auch dann ist Toleranz eine Tugend. Aber jenseits solcher Zusammenhänge um Toleranz zu beten, insbesondere um Toleranz zu beten, ohne sorgfältig zu definieren, in welcher Hinsicht man tolerant zu sein gedenkt – das ist gleichbedeutend damit, für den Niedergang der christlichen Religion zu beten. Denn die christliche Religion ist durch und durch intolerant. Hier liegt das ganze Ärgernis des Kreuzes – und seine Kraft. Stets hätte die Welt das Evangelium mit Wohlwollen aufgenommen, wenn es als EIN Weg der Erlösung verkündigt worden wäre. Der Anstoß liegt darin, dass es als der einzige Weg verkündigt wird, und dass es so allen anderen Wegen unerbittlich den Krieg erklärt. Möge uns Gott vor dieser „Toleranz“ bewahren, von der wir so viel hören: Möge Gott uns von der Sünde befreien, mit denjenigen gemeinsame Sache zu machen, die das selige Evangelium Jesu Christi verleugnen oder missachten! Möge Gott uns von der tödlichen Schuld erretten, als unsere Vertreter in der Kirche solche anzuerkennen, die jene Kleinen, die zu Christus gehören, in die Irre führen. Was auch immer wir sonst sein mögen: Gott mache uns zu gerechten und treuen Botschaftern, die freimütig nicht unser eigenes Wort, sondern Gottes Wort ausrichten.

„Die christliche Religion ist durch und durch intolerant. Hier liegt das ganze Ärgernis des Kreuzes – und seine Kraft.“
 

Doch wenn ihr solche Botschafter seid, dann werdet ihr Widerstand erleben, nicht nur den Widerstand der Welt, sondern, wie ich fürchte, auch zunehmend den der Gemeinde. Ich kann euch nicht sagen, dass euer Opfer leicht sein wird. Es wäre zweifellos edel, sich nicht um das Urteil unserer Mitmenschen zu kümmern. Aber ich für meinen Teil muss gestehen, dass ich solchen Edelmut noch nicht erlangt habe, und ich kann das auch nicht von euch erwarten. Ich gestehe, dass eine akademische Karriere, der freie Zugang zu großen Bibliotheken, die Gesellschaft von kultivierten Menschen und überhaupt die tausend Vorteile, die es mit sich bringt, wenn man in einem angesehenen Umfeld als angesehene Person betrachtet wird – ich gestehe, dass mir diese Dinge an sich gut und erstrebenswert zu sein scheinen. Und doch ist der Diener Jesu Christi in zunehmendem Maß gezwungen, sie aufzugeben. Gewiss, wir beklagen uns nicht, wenn wir dieses Opfer zu bringen haben; denn wir haben etwas, das all das, was wir verloren haben, an Wert weit überragt. Doch es kann wohl kaum behauptet werden, dass wir durch irgendwelche unwürdigen, selbstsüchtigen Motive dazu verleitet werden, einen Weg einzuschlagen, der uns nichts als Ablehnung bringt. Wo sollen wir also einen tragfähigen Beweggrund hernehmen, um einem solchen Weg zu folgen? Woher sollen wir den Mut nehmen, um uns gegen den gesamten Strom unserer Zeit zu stellen? Wie sollen wir den Mut für diesen Kampf des Glaubens aufbringen?

Ich denke nicht, dass wir diesen Mut in bloßer Kampfeslust finden sollen. Für manche Schlachten mag das vielleicht reichen. Soldaten wurde – und wird, so weit ich weiß, auch heute noch – beim Training mit dem Bajonett zuweilen beigebracht, einen Schrei auszustoßen, wenn sie ihr Bajonett in den imaginären Feind rammen. Ich habe sie das noch lange nach dem Waffenstillstand in Frankreich tun hören. Ich schätze, dass dieses Vorgehen dazu dient, die natürliche Hemmung eines zivilisierten Menschen zu überwinden, ein Messer in menschliche Körper zu stoßen. Man soll so den rechten Kampfgeist entwickeln. Es sei dahingestellt, ob so etwas vielleicht für manche Art von Krieg nötig ist. Aber in diesem christlichen Konflikt wird es kaum hilfreich sein. Ich denke nicht, dass wir in diesem Konflikt gute Kämpfer sein können, indem wir einfach fest entschlossen zum Kampf sind. Denn diese Schlacht ist eine Schlacht der Liebe; und nichts kann den Einsatz eines Mannes in dieser Schlacht so gründlich zunichtemachen wie ein hasserfüllter Geist.

Nein, wenn wir das Geheimnis dieses Krieges kennenlernen wollen, müssen wir tiefer sehen. Und wir können kaum etwas Besseres tun, als uns wieder diesem großen Kämpfer, dem Apostel Paulus, zuzuwenden. Was war das Geheimnis seiner Kraft in diesem gewaltigen Konflikt? Wie hat er es gelernt, zu kämpfen?

Die Antwort ist paradox. Aber sie ist sehr einfach. Paulus war ein großer Kämpfer, weil er Frieden hatte. Er, der gesagt hat: „Kämpfe den guten Kampf des Glaubens“, redete auch vom „Frieden Gottes, der höher ist als alle Vernunft“. Und in diesem Frieden lag die Kraft seines Kampfes. Weil er Frieden hatte, konnte er gegen die Feinde kämpfen, denen dieser Friede fehlte. Es gab in seinem Leben ein inneres Heiligtum, das kein Feind antasten konnte. Dies, meine Freunde, ist die große und zentrale Wahrheit. Ihr könnt nicht siegreich gegen wilde Tiere kämpfen, wie Paulus es in Ephesus tat, ihr könnt nicht siegreich gegen böse Menschen kämpfen oder gegen den Teufel und seine geistlichen Mächte der Bosheit in den himmlischen Regionen – außer ihr kämpft gegen diese Feinde, während da zugleich dieser Eine ist, mit dem ihr im Frieden seid.

„Ohne den Frieden Gottes in euren Herzen werdet ihr den Feinden des Evangeliums Christi wenig Schrecken einjagen.“
 

Wenn ihr jedoch mit diesem Einen Frieden habt, dann muss es euch wenig kümmern, was Menschen möglicherweise tun werden. Dann könnt ihr mit den Aposteln sagen: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“ Ihr könnt mit Luther sagen: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir, Amen.“ Ihr könnt mit Elisa sagen: „Die, welche bei uns sind, sind zahlreicher als die, welche bei ihnen sind!“ Ihr könnt mit Paulus sagen: „Gott ist hier, der gerecht macht. Wer will verdammen?“ Ohne den Frieden Gottes in euren Herzen werdet ihr den Feinden des Evangeliums Christi wenig Schrecken einjagen. Vielleicht sammelt ihr beträchtliche Ressourcen für den Kampf an; vielleicht werdet ihr große Experten für Gemeindestrategien; vielleicht seid ihr ungeheuer klug und noch dazu sehr eifrig; aber ich fürchte, dass all das nur von geringem Nutzen sein wird. Ihr werdet vielleicht ein gewaltiges Getöse zustande bringen. Aber wenn das Getöse vorbei ist, werden die Feinde des Herrn das Feld besitzen. Nein, es gibt keinen anderen Weg, um ein wirklich guter Kämpfer zu sein. Ihr könnt nicht Gottes Kampf gegen Gottes Feinde kämpfen, ohne mit ihm im Frieden zu sein.

Aber wie ist es möglich, mit ihm im Frieden zu sein? Es wurden schon viele Wege ausprobiert. Wie erschütternd sind die Bemühungen sündiger Menschen durch die Jahrhunderte hindurch, mit Gott ins Reine zu kommen: Opfer, Selbstgeißelung, Almosen, Moral, Buße, Beichte! Aber ach, es ist alles vergeblich. Da ist immer noch die gleiche schreckliche Kluft. Vielleicht kann sie vorübergehend überdeckt werden – geistliche Übungen können sie eine Zeitlang verhüllen, Buße oder ein Sündenbekenntnis vor Menschen können eine kurzfristige und oberflächliche Erleichterung schenken. Aber das wirkliche Problem bleibt, man trägt die Last noch auf den Schultern. Der Berg Sinai kann jederzeit zum verzehrenden Feuer werden, denn die Seele hat immer noch keinen Frieden mit Gott. Aber wie kann der Friede dann erlangt werden?

Meine Freunde, dies kann nicht durch irgendetwas aus uns heraus zustande gebracht werden. Oh, könnte diese Wahrheit jedem Einzelnen von euch ins Herz geschrieben werden! Wenn sie tatsächlich jedem Einzelnen von euch ins Herz geschrieben würde, dann hätte diese Ausbildungsstätte ihr Hauptziel erreicht. Oh, dass man diese Wahrheit mit flammenden Buchstaben schreiben könnte, so dass alle Welt sie lesen kann! Frieden mit Gott kann nicht durch irgendeine Handlung oder irgendeine bloß menschliche Erfahrung erlangt werden. Der Friede wird nicht durch gute Werke erlangt, auch nicht durch das Bekennen von Sünden, ebenso wenig durch irgendwelche psychologischen Auswirkungen eines Glaubensaktes. Wir können niemals Frieden mit Gott haben, so lange nicht Gott zuerst Frieden mit uns hat. Aber wie kann Gott mit uns Frieden haben? Kann er Frieden mit uns schließen, indem er die Schuld der Sünde ignoriert? Indem er von seinem Thron herabsteigt? Indem er das Universum ins Chaos wirft? Indem er den Unterschied zwischen Richtig und Falsch aufhebt? Indem er sein heiliges Gesetz zu einem toten Buchstaben macht? „Jeder, der sündigt, soll sterben“ – indem er so tut, als wäre sein ewiges Gesetz nichts anderes als die veränderlichen Gesetze der Menschen? Oh, zu welch einem Abgrund würde das Universum, wenn das geschähe, welch eine wahnwitzige Anarchie, welch ein wilder, dämonischer Tanz! Wo könnte es überhaupt Frieden geben, wenn Gott solcherart mit sich selbst im Krieg läge? Auf welchem Fundament könnte man stehen, wenn Gottes Gesetze nicht beständig wären? O nein, meine Freunde, es kann kein Frieden für die Menschen erlangt werden durch die prächtige moderne Methode, Gott auf das Niveau der Menschen herunterzuzerren. Der Frieden kann nicht erlangt werden, indem man leugnet, dass Richtig Richtig und Falsch Falsch ist. Es kann überhaupt kein Frieden erlangt werden, wenn die schreckliche Gerechtigkeit Gottes nicht für immer feststeht.

„Es kann überhaupt kein Frieden erlangt werden, wenn die schreckliche Gerechtigkeit Gottes nicht für immer feststeht.“
 

Aber wie können wir Sünder dann vor diesem Thron bestehen? Wie kann es für uns Frieden geben angesichts von Gottes Gerechtigkeit? Wie kann er gerecht sein und doch den Gottlosen rechtfertigen? Auf diese Fragen gibt es nur eine Antwort. Es handelt sich nicht um unsere Antwort. Unsere Weisheit hätte sie niemals gefunden. Es ist Gottes Antwort. Man findet sie in der Geschichte vom Kreuz. Wir verdienen aufgrund der Sünde den ewigen Tod. Doch aus Liebe zu uns und weil der Vater – ebenfalls aus Liebe zu uns – ihn sandte, starb der ewige Sohn Gottes an unserer statt, für unsere Sünden, am Kreuz. Diese Botschaft wird heutzutage verachtet. Die sichtbare Kirche ergießt ebenso wie die Welt ihren Hohn und Spott darüber, oder aber sie behandelt die Botschaft noch abschätziger, indem sie ein Lippenbekenntnis zu ihr ablegt und anschließend achtlos an ihr vorübergeht. Menschen verwerfen eine solche „Sühnetheorie“, um daraufhin wieder die üblichen Gemeinplätze zu bemühen – es gehe um das Prinzip der Selbstaufopferung oder um den Kulminationspunkt eines universellen Gesetzes oder um die Offenbarung der Liebe Gottes oder um die Heiligung des Leidens oder um die Ähnlichkeit zwischen dem Tod Christi und dem Tod kriegsgefallener Soldaten. Angesichts solcher Blindheit scheinen unsere Worte oft vergeblich. Es mag noch gelingen, den Menschen etwas davon weiterzugeben, was wir über Christi Kreuz denken. Aber es ist schwerer, ihnen unsere Gefühle zu vermitteln. Wir vergießen Tränen der Dankbarkeit und der Liebe; wir gewähren der Allgemeinheit den Blick in die Tiefe unserer Seele; wir feiern ein Geheimnis, das so voller Liebe, so heilig ist, dass man meinen sollte, es kann ein Herz aus Stein erweichen. Aber alles ist umsonst. Für die Welt bleibt das Kreuz eine Torheit, die Menschen wenden sich ungerührt ab und unsere Predigt scheint vergeblich. Und dann geschieht das Wunder aller Wunder! Für eine arme Seele kommt die Stunde, und sei es durch die einfältigste und armseligste Predigt: Die Botschaft – nicht der Botschafter – wird gewürdigt. Wie durch einen Blitz wird die Seele erleuchtet und auf einmal ist alles glasklar. „Er hat mich geliebt und sich selbst für mich gegeben“, sagt der Sünder schließlich, während er den Heiland am Kreuz betrachtet. Die Last der Sünde fällt von den Schultern und die Seele tritt ein in den Frieden mit Gott.

Habt ihr selbst diesen Frieden, meine Freunde? Wenn ihr ihn habt, dann werdet ihr euch nicht durch die Propaganda irgendeiner abtrünnigen Kirche in die Irre führen lassen. Wenn ihr den Frieden Gottes im Herzen habt, werdet ihr niemals vor Auseinandersetzungen zurückschrecken. Ihr werdet keine Angst davor haben, entschieden für den Glauben zu kämpfen. Wer in dieser Zeit der tödlichen Gefahr für die Kirche vom Frieden redet, zeigt damit – falls er nicht im Hinblick auf die bestehenden Verhältnisse sonderbar unwissend ist –, dass er wenig Ahnung vom wahren Frieden Gottes hat. Wer am Fuß des Kreuzes gestanden hat, wird sich nicht scheuen, unter dem Kreuzesbanner in einen heiligen Krieg der Liebe zu ziehen.

Ich weiß, dass es schwierig ist, von den Höhenflügen der christlichen Erfahrung zu leben. Wir hatten Sternstunden, in denen uns die wahre Bedeutung des Kreuzes Christi groß wurde. Aber dann kommen lange, trübe Tage. Was sollen wir in diesen trüben Zeiten tun? Sollen wir aufhören, für Christus Zeugnis abzulegen? Sollen wir in solchen trüben Zeiten mit denen gemeinsame Sache machen, die das korporative Zeugnis der Gemeinde zunichtemachen wollen? Vielleicht stehen wir in der Versuchung, das zu tun. Wenn wir in unserer eigenen Seele solche Feinde finden, wie sollen wir uns dann mit Widersachern da draußen befassen? Diese Gedanken sind nachvollziehbar. Aber sie sind trotzdem falsch. Wir werden nicht dadurch gerettet, dass wir in uns beständig den richtigen Gemütszustand aufrechterhalten. Sondern wir wurden durch Christus ein für alle Mal gerettet, als wir durch Gottes Geist wiedergeboren und von ihm befähigt wurden, unser Vertrauen auf den Retter zu setzen. Und die Botschaft des Evangeliums hört nicht auf, wahr zu sein, nur weil wir zeitweilig die Fülle ihrer Herrlichkeit aus den Augen verloren haben. Es wäre traurig für unsere Gemeindeglieder, wenn wir es zulassen würden, dass unsere wechselnden Gemütslagen jeweils die Botschaft bestimmen, die wir verkündigen – oder dass unsere wechselnden Gemütslagen uns die Frage beantworten, ob wir gegen die wuchernden Kräfte des Unglaubens in der Gemeinde aufstehen sollen oder nicht. Wenn es darum geht, wovon wir Zeugnis abzulegen haben, sollen wir nicht nach innen, sondern nach außen sehen; nicht auf unsere veränderlichen Gefühle und Erfahrungen, sondern auf die Bibel als das Wort Gottes. Dann, und nur dann, sollen wir predigen, und zwar nicht uns selbst, sondern den Herrn Jesus Christus.

Wo werdet ihr in dem großen Kampf stehen, der gegenwärtig in der Gemeinde tobt? Werdet ihr euch bei der Welt anbiedern, indem ihr außen vor bleibt? Wollt ihr „konservative Liberale“ werden oder „liberale Konservative“ oder „Christen, die nicht an Kontroversen glauben“ oder irgendetwas anderes, das ebenso selbstwidersprüchlich und absurd ist? Wollt ihr Christen sein, aber nicht von der Sorte, die es mit dem Christsein übertreiben? Werdet ihr euch kalt distanzieren, während Gottes Volk im In- und Ausland gegen die Tyrannei über die Kirche kämpft? Werdet ihr euch herausreden, indem ihr mit Fingern auf die persönlichen Unzulänglichkeiten derer zeigt, die schon für den Glauben kämpfen? Habt ihr vor, in eurem Zeugnis nach außen Christus so lange untreu zu sein, bis ihr in eurer eigenen Seele alles in Ordnung gebracht habt? Seid versichert, dass ihr mit dieser Strategie dieses Ziel niemals erreichen werdet. Bezeugt mutig die Wahrheit, die ihr bereits verstanden habt, und euch wird mehr gegeben werden. Aber macht gemeinsame Sache mit denen, die das Evangelium Christi leugnen oder missachten, und der Feind wird für immer in eurem Leben wüten.

Es gibt viele Hoffnungen, die ich für euch Männer hege, mit denen mich solche Bande der Zuneigung verbinden. Ich hoffe, dass ihr begabte Prediger werdet. Ich hoffe, dass ihr ein glückliches Leben habt. Ich hoffe, dass ihr für euch und eure Familien stets ausreichend Unterstützung erhaltet. Ich hoffe, dass ihr gute Gemeinden findet. Aber es gibt eine Sache, die ich mehr als alles andere für euch erhoffe. Ich hoffe mehr als alles andere, dass – wo auch immer ihr sein mögt und wie auch immer euer Predigen aufgenommen werden mag – ihr treue Zeugen des Herrn Jesus Christus seid. Ich hoffe, dass es niemals irgendeinen Zweifel daran geben wird, wo ihr steht, sondern dass ihr jederzeit geradlinig für Jesus Christus einsteht, wie er uns dargeboten wird – nicht in den Erfahrungen der Menschen, sondern im herrlichen schriftlichen Wort Gottes.

Damit meine ich nicht, dass diese aktuelle Auseinandersetzung in jeder Predigt, die ihr haltet, polemisch erörtert werden soll. Das wäre zweifellos äußerst unklug. Ihr solltet stets bestrebt sein, die Menschen durch schlichte und positive Unterweisung aus dem Wort aufzubauen. Aber solche einfache und positive Unterweisung aus dem Wort wird niemals Gottes vollen Segen haben, falls ihr dort zurückschreckt, wo ein Grund vorliegt, Stellung zu beziehen. Gott wird wohl kaum den Dienst derer würdigen, die sich im entscheidenden Moment des Evangeliums Christi schämen.

Doch wir sind überzeugt, dass es besser mit euch steht, meine Brüder. Ihr habt hier am Seminary wahrhaftig eure Kämpfe: Der Glaube kämpft gegen den Zweifel und der Zweifel gegen den Glauben, es geht um den Besitz eurer Seelen. Viele von euch sind berufen, durch tiefe Wasser zu gehen und der Hitze der Versuchung ins Auge zu blicken. Nie ist es ein leichter Prozess, wenn ein unreflektierter Kinderglaube zu den feuererprobten Überzeugungen erwachsener Männer wird. Aber möge Gott euch hindurchbringen! Möge Gott euch aus dem Nebel des Zweifelns und Zögerns in das helle Licht des Glaubens führen. Ihr werdet die volle Klarheit vielleicht nicht auf einmal erlangen; es kann sein, dass düstere Zweifel wie Engel Satans auftauchen, um euch mit Fäusten zu schlagen. Doch möge Gott schenken, dass euch genügend Klarheit bleibt, um zumindest für Jesus Christus einzustehen. Es wird nicht leicht sein. Schon viele wurden von der Strömung des Zeitgeistes aus ihrer Verankerung gerissen. Eine weltlich gewordene Kirche tyrannisiert häufig die, die einzig in Gottes Wort nach Orientierung suchen. Aber dies ist nicht die erste entmutigende Zeit der Kirchengeschichte. Andere Zeiten waren ebenso finster, und doch hat Gott stets über seinem Volk gewacht. Manchmal folgte unmittelbar auf die finsterste Stunde die Morgendämmerung. Und auch jetzt hat Gott sich selbst nicht unbezeugt gelassen. Es gibt in vielen Ländern solche, die sich mit dieser heute so entscheidenden Frage befasst haben und zum richtigen Urteil gekommen sind, die sich gegenüber der Welt wirkliche Unabhängigkeit des Denkens bewahrt haben. In vielen Ländern gibt es Gruppen von Christen, die keine Angst hatten, gegen die Tyrannei über die Kirche für Jesus Christus aufzustehen. Möge Gott schenken, dass ihr ein Trost für sie werdet, wenn ihr aus dieser Ausbildungsstätte hinausgeht. Möge Gott geben, dass ihr ihre Herzen erfreut, indem ihr ihnen die Hand reicht und die Stimme erhebt. Um das zu tun, werdet ihr Mut brauchen. Es ist viel einfacher, sich bei der Welt lieb Kind zu machen, indem man die beschimpft, die die Welt beschimpft, indem man sich gegen den Streit ausspricht, indem man vom Zuschauerrang aus den Kampf beobachtet, in dem Gottes Diener stehen. Möge Gott euch vor solch einer Neutralität bewahren! Vor den Augen der Welt erweckt sie einen gewissen Eindruck der Weltoffenheit und Nächstenliebe. Aber wie grausam ist das gegenüber den bedrängten Seelen! Wie herzlos den Kleinen gegenüber, die auf die Kirche sehen, um eine klare Botschaft Gottes zu hören! Möge Gott euch davor bewahren, so herzlos und lieblos und kalt zu sein! Möge Gott stattdessen schenken, dass ihr in aller Demut, aber auch in aller Kühnheit, im Vertrauen auf Gott den guten Kampf des Glaubens kämpft. Der Friede ist tatsächlich euer, der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft. Doch dieser Friede ist euch nicht gegeben, um im Kampf der Liebe Zuschauer oder neutral zu sein, sondern damit ihr gute Streiter Jesu Christi seid.