„Nicht in überredenden Worten menschlicher Weisheit ...“

Artikel von John Currie
12. Mai 2022 — 5 Min Lesedauer

Aus 1. Korinther 2,4 wird deutlich, dass Paulus sich für seinen gesamten Dienst zu einem Lebensstil entschlossen hatte, der im Einklang mit seiner Botschaft stand. Paulus predigte Christus, das Kreuz und die Auferstehung (vgl. 1Kor 15,1–4), weshalb auch sein Auftreten vom Kreuz geprägt sein sollte, ohne die eigene Person zu vermarkten. Denn die Art und Weise, wie ein Prediger sich verhält und spricht, wird die göttliche Botschaft entweder untermauern oder von ihr ablenken.

Der gesamte Dienst von Paulus basierte auf diesem Prinzip. Er lehnte es ab, sich allein auf seine Fähigkeit der „hervorragenden Redeweisheit“ zu verlassen. Für die Korinther, wie auch für den Rest der antiken griechisch-römischen Welt, war nämlich rhetorische Weisheit das Mittel schlechthin, um Erfolg und Status zu erlangen: indem man seine eigene Größe unterstrich, sich selbst auf eine Stufe neben die angesehensten Männer der Gesellschaft stellte und sich entsprechend artikulierte und inszenierte. Diese kulturelle Weisheit manifestierte sich vor allem in den populären Rednern der damaligen Zeit, den Sophisten. Diese waren Berühmtheiten, die genau wussten, wie sie sich zu präsentieren hatten und wie sie sprechen mussten, um Anhänger, Status und Erfolg zu sammeln – selbst wenn ihre Botschaft nichtssagend war.

Wenn Paulus also sagt, dass seine Rede nicht aus „überredenden Worten menschlicher Weisheit“ bestand, dann meint er damit nicht, dass ihn das davon entbinden würde, beim Predigen und Lehren sorgfältig vorzugehen, oder dass es irrelevant sei, seine Worte mit Bedacht zu verwenden (vgl. 2Tim 2,15). Er entschied sich auch bewusst dagegen, dass seine Wahrnehmung als exzellenter Redner die Basis der Glaubwürdigkeit seiner Botschaft darstellen sollte. Es war nicht so, dass er beim Predigen und Lehren nicht sorgfältig nachgedacht und überlegt hätte (vgl. Apg 18,19). Aber er nahm sich fest vor, seine eigene Schwäche nicht zu vertuschen, damit die Kraft des Heiligen Geistes in seiner Botschaft nur umso deutlicher würde (vgl. 2Kor 4,7; 12,9–10).

Warum das so wichtig ist, verdeutlicht ein Blick auf den Kontext des Briefes an die Korinther. Die korinthische Gemeinde war über die geistliche Leitung zerstritten (vgl. 1Kor 1,12–13; 3,3–5). Dabei handelte es sich mit Sicherheit nicht um eine theologische Meinungsverschiedenheit. Denn Paulus und Petrus lehrten als Apostel dieselbe Lehre, die auch Christus gelehrt hatte (unser Glaube hängt davon ab; vgl. Eph 2,20). Paulus betrachtete auseinandergehende Lehrmeinungen nicht als belanglos (vgl. Röm 16,17–18). Die Spaltung der Gemeinde lässt sich zweifellos auf Loyalitätsbekundungen zu einzelnen Persönlichkeiten zurückführen (wie zum Beispiel zu Apollos auf Kosten von Paulus; vgl. 1Kor 4,6). Apollos war offenbar ein begnadeter Redner (vgl. Apg 18,24) und die Korinther waren sich einig, dass Paulus das nicht war (vgl. 2Kor 10,10). Die kulturell geprägten Korinther befürchteten, dass Paulus’ „Schwachheit und Zittern“ (inkl. seiner Leiden, vgl. auch 1Kor 4,9–13) die Gefühle ihrer Nachbarn nicht ansprechen würde. Also versuchte Paulus den Korinthern zu zeigen, dass sein Stil – nämlich die eigene Schwachheit anzuerkennen, Leiden geduldig zu ertragen und dabei bescheiden und zurückhaltend zu sein – dazu diente, nicht sich selbst, sondern seine Botschaft in den Mittelpunkt zu stellen: Christus, das Kreuz und dass er sogar die schlimmsten und schwächsten Sünder rettet (vgl. 1Kor 1,17–31).

„Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass 1. Korinther 2,4 nicht als Entschuldigung für eine anti-intellektuelle, absichtlich un-studierte Herangehensweise am Dienst des Evangeliums benutzt werden darf.“
 

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass 1. Korinther 2,4 nicht als Entschuldigung für eine anti-intellektuelle, absichtlich un-studierte Herangehensweise am Dienst des Evangeliums benutzt werden darf. Paulus widerspricht hier nicht dem, was er an anderer Stelle praktiziert und anordnet: das gründliche Argumentieren und Überzeugen anhand der Schrift (vgl. Apg 17,16–31), sowie den Einsatz unseres Verstandes zu geistlichem Wachstum (vgl. Röm 12,2). Er lehrt uns jedoch, dass diejenigen, die das Wort Gottes verkünden, in ihrem eigenen kulturellen Kontext eine bewusste Entscheidung darüber treffen müssen, wie sie den Schwerpunkt ihres Dienstes auf die ihnen anvertraute Botschaft (Christus aus der ganzen Heiligen Schrift) und auf den Mittler, der diese Botschaft wirksam macht (der Heilige Geist, der durch die Heilige Schrift in Kraft wirkt), legen können.

Kirchen und Pastoren stehen unter dem konstanten Druck, sich an den Plausibilitätsstrukturen der Kultur zu orientieren, um einen gewissen Publikumserfolg zu erzielen. Für Paulus war es eine sehr bewusste Entscheidung, diesem Druck nicht nachzugeben, nur um das Evangelium besser „vermarkten“ zu können. Stattdessen entschied er sich, der vom Geist bevollmächtigten Verkündigung Christi zu vertrauen, wie ein Diener, der durch sein Verhalten ausdrückt: „In diesem Dienst geht es nicht um mich“ (vgl. 1Kor 1,31; 2,5).

„1. Korinther 2,1–4 erinnert uns daran, dass die mächtigste Botschaft christuszentriert, geisterfüllt und kreuzförmig ist.“
 

Das Verhalten eines Predigers ist wichtig. Die Art und Weise, wie ein Prediger auftritt, wird entweder die Botschaft verraten, die er zu vertreten vorgibt (vgl. 1Kor 1,17) oder aber denjenigen, die ihm zuhören, ein Gefühl der Authentizität vermitteln (vgl. 2Kor 4,2+7; 2Tim 2,21). Der Predigende kann sich dafür entscheiden, die ihm gegebene Führungsplattform zu nutzen, um sein Wissen, seine Gaben und seine eigene Persönlichkeit zur Geltung zu bringen, oder er kann sich dafür entscheiden, diese Plattform für den von Gott beabsichtigten Zweck zu nutzen: Christus repräsentieren. Christliche Leiter und Prediger müssen immer wieder neu bewusste Entscheidungen darüber treffen, wie sie ihren Dienst ausüben wollen. Sie können sich der Weisheit der Kultur anpassen und dem Kult der Popularität folgen, oder sie können das kreuzförmige Bild des Erlösers, dem sie dienen, annehmen (vgl. Lk 22,24–27) und in Abhängigkeit von den Mitteln leben, die er bestimmt hat. 1. Korinther 2,1–4 erinnert uns daran, dass die mächtigste Botschaft christuszentriert, geisterfüllt und kreuzförmig ist.