Interessiert es Gott, mit wem ich schlafe?

Rezension von Katherine de Oliveira
9. Juni 2022 — 10 Min Lesedauer

Interessiert es Gott, mit wem ich schlafe? Das ist eine relevante Frage für unsere Zeit, in der eine der höchsten Formen von Erfüllung und Liebe darin besteht, die eigene Sexualität auszuleben. Die biblische Sichtweise der Sexualethik kann sich dagegen einschränkend anfühlen – wie ein Hindernis für die Liebe. Wenn wir ehrlich sind, trifft das, wofür der christliche Glaube in diesem Bereich unseres Lebens eintritt, bei jedem von uns (sowohl innerhalb als auch außerhalb der Gemeinde) einen Nerv. Wir fragen uns, ob Gott überhaupt das Recht hat, sich dafür zu interessieren, mit wem wir schlafen. Der Autor Sam Allberry glaubt, dass es gute Gründe gibt, den Lehren Jesu Christi zu diesem Thema zu folgen. Er lädt uns ein, die Antwort auf die zentrale Frage seines Buches unvoreingenommen zu suchen. Vielleicht wirst du sogar überrascht feststellen, dass hinter der christlichen Sichtweise von Sex mehr steckt, als du jemals gedacht hast.

Ein kleines Buch, das starke Reaktionen hervorruft

Als ich dieses Buch kürzlich während einer Zugfahrt las, bemerkte meine Freundin neben mir: „Wenn es meinen Vater nichts angeht, mit wem ich schlafe, warum sollte es dann Gott etwas angehen?“ Der Titel des Buches und die Fragen, die es behandelt, rufen starke Reaktionen und Emotionen in uns hervor. Wieso eigentlich? Diese und viele andere relevante Fragen behandelt der Autor in diesem kompakten Buch.

Dass ich es problemlos an einem Wochenende gelesen habe, spricht für das Buch, da ich leicht legasthenisch und eine notorisch langsame Leserin bin. An all diejenigen da draußen wie mich: Macht euch bereit, euch an der dünnen Größe dieses Buches und seinen elf Kapiteln zu erfreuen! Darüber hinaus wirkten auch die Art und Weise, wie Allberry schreibt, beeindruckend auf mich. Er schreibt sowohl an Skeptiker als auch an jene, die bereits ähnlich denken wie er. Das Buch ist so geschrieben, dass ein jahrzehntelanger Christ, der mit der Bibel vertraut ist, sich mit dem Autor identifizieren kann. Doch auch jemand, der noch nie eine Bibel in die Hand genommen hat, wird ihn verstehen.

Herausforderung und Ermutigung

Auf den ersten Seiten wird der Leser von der Erzählkunst und der Scharfsinnigkeit des Autors angezogen. Allberry eröffnet das Buch mit Fragen wie „Warum kümmert es uns, mit wem wir schlafen?“ Er bringt seine Leser dazu, den Wert und die Moral des Einzelnen und den Zweck von Sex sowohl aus biblischer als auch aus kultureller Sicht zu untersuchen. Er führt die Diskussion in den nächsten Kapiteln weiter, indem er untersucht, warum der biblische Rahmen für die Sexualität so umstritten ist. An diesem Punkt beim Lesen haben wir es durch die Hälfte des Buches geschafft und wurden mit Sünden konfrontiert, die nicht nur „da draußen“ sind, sondern auch in uns selbst: Die Sünde einer fehlerhaften Logik, die eine falsche Haltung rechtfertigt. Die Sünde andere nicht so zu schätzen, wie Gott sagt, dass wir es tun sollen. Die Sünde lustvoller Gedanken oder Handlungen. Die Sünde so zu leben, wie es unser Herz will, anstatt auf Gottes Plan zu vertrauen. Die Sünde, dass wir nicht die Menschen sind, die wir sein sollten. Hier stellt uns Allberry die atemberaubende Anmut des Evangeliums vor. Er teilt seinen Lesern mit:

„Die christliche Botschaft fordert uns zuerst heraus und richet uns danach auf. Sie zeigt uns, dass wir mehr vermasselt haben, als uns bewusst ist. Aber sie sagt uns auch, dass ein Neuanfang möglich ist und dass es eine neue Hoffnung gibt, die stärker ist, als wir je zu hoffen wagten.“ (S. 82)

Wo wir Erfüllung finden

„Erfüllung und ultimative Identität sind in der Person zu finden, die uns am meisten geliebt hat – Gott –, und nicht in der Person, mit der jemand schläft.“
 

In der zweiten Hälfte des Buches führt Allberry seine Leser durch die Fragen, die in unserer heutigen Kultur häufig auftauchen: „Brauche ich sexuelle Erfüllung, um wirklich ich selbst zu sein?“ oder „Ist Liebe nicht genug?“ Der Autor leistet an dieser Stelle großartige Arbeit, um die Fehlerhaftigkeit der Antworten unserer Kultur auf diese Fragen aufzuzeigen. Er weist uns dann mit Demut und Liebe auf die Antworten der Bibel hin. Allberry erklärt, dass Erfüllung und ultimative Identität in der Person zu finden sind, die uns am meisten geliebt hat – Gott –, und nicht in der Person, mit der jemand schläft. Die letztere Haltung hat gefährliche und schädliche Folgen. Liebe ist nicht durch Emotionen zu definieren oder zu bestimmen, was uns zu unlogischen Definitionen und Auswirkungen führt. Stattdessen brauchen wir etwas Unveränderliches und Wahres, auf das wir unser Verständnis von Liebe stützen können. Nur Gott ist unveränderlich und wahr. Deshalb kann er uns zeigen, wie man am besten liebt:

„Was er uns zeigt, wird immer liebevoller sein als jede Alternative, die uns einfällt. Gehorsam gegenüber Gott zu sein, bedeutet niemals, dass wir am Ende Menschen weniger lieben werden. Das mag in manchen Fällen so sein, aber das liegt dann wahrscheinlich daran, dass wir jemanden auf die falsche Art und Weise lieben wollen. Gott fordert uns niemals dazu auf, einen anderen Menschen weniger zu lieben, sondern wenn, dann dazu, ihn anders zu lieben, was in Wirklichkeit bedeutet, ihm mehr zu lieben.“ (S. 127)

Eintauchen in die göttliche Liebesgeschichte

„Ehe und sexuelle Erfüllung sind nicht die letzten Ziele in diesem Leben, sondern werden uns als Schatten und Vorgeschmack gegeben.“
 

Zum Abschluss des Buches untersucht Allberry die Frage: „Warum ist das für Gott wirklich wichtig?“ Dabei erklärt er wohl zum Erstaunen vieler, dass Gottes Wesen und sein Wirken in der Welt eigentlich eine Liebesgeschichte ist. Ehe und sexuelle Erfüllung sind nicht die letzten Ziele in diesem Leben, sondern werden uns als Schatten und Vorgeschmack gegeben. Sie weisen uns wie Wegweiser auf das hin, was Gott allen Menschen in Jesus anbietet. Gott hält eine größere Liebe bereit, die nicht befleckt werden kann, und eine Einheit, die anders ist als jede Intimität, die wir je erfahren könnten:

„Gott interessiert es, mit wem wir schlafen, weil ihm wichtig ist, mit wem wir die Ewigkeit verbringen. Er wünscht sich, dass wir ihn kennenlernen und seine größte Liebe erfahren.“ (S. 157)

Durch das ganze Buch hindurch schreibt der Autor auf eine bodenständige Weise, die ein neues Licht auf vertraute biblische Geschichten wirft und uns veranlasst, ihre vielfältigen Anwendungen auf unser Leben genauer zu betrachten. Allberry lädt uns ein, in den Zusammenhang und Inhalt der biblischen Beispiele einzutauchen, die er erzählt, anstatt sie als vertraute Geschichten zu beschönigen.

Kein Autopilot, sondern Tiefgang

Ein besonders auffälliges Beispiel dafür ist die Erklärung des Autors zu König David und Batseba. Er führt den Leser mit kurzen und prägnanten Sätzen durch die Geschichte. Diejenigen von uns, die die Geschichte kennen, möchten vielleicht in den Autopilot-Modus wechseln und einfach über die Geschichte fliegen. Doch dann lenkt Allberry unsere Aufmerksamkeit auf ein bekanntes poetisches Gebet, das David schrieb, als er Gott gegenüber seine Taten bereute: „Gegen dich allein habe ich gesündigt und getan, was in deinen Augen böse ist“ (Ps 51,6). Wir sind erschrocken, dies angesichts von Davids Taten zu lesen. Was ist mit Davids Sünden gegen Batseba und Uria? Allberry stimmt zu, dass es sich oberflächlich betrachtet unangemessen anfühlt, die Sünde gegen diese Menschen auszuklammern, leitet dann aber seine Leser dazu an, genauer hinzuschauen. Er geht davon aus, dass das Gegenteil der Fall ist:

„David erkennt, dass das, was er Batseba angetan hat, eine Sünde gegen Gott selbst ist, gerade weil Batsebas sexuelle Integrität etwas ist, das Gott ihr gegeben hat. Davids Verletzung von Batseba ist nicht weniger als Verrat an Gott. Davids Gebet ist weit davon entfernt, die Schwere seiner Schuld gegenüber Batseba und Uria zu verharmlosen, sondern es ist vielmehr die Erklärung dafür.“ (S. 21)

Allberry kennt unsere Kultur und versteht unser Herz. Deshalb gelingt es ihm, die Gedankengänge seiner Leser vorauszusehen und auf Fragen, die ihnen beim Lesen in den Sinn kommen, treffend zu antworten. Er hat keine Angst davor, schwierige Fragen zu stellen und tief unter die Oberfläche zu dringen. Man merkt, dass der Autor die Wirkung des Gesagten mit dem Leser mitempfindet und sich dann an die Seite seines Lesers stellt, um zu konfrontieren, zu trösten oder auf die Wahrheit und die gute Nachricht von Jesus umzuleiten. Es klingt verrückt, all das in einem Buch über Sex zu finden, doch all das ist enthalten.

Kein schimpfender Schullehrer, sondern Mitreisender auf dem Weg der Heiligung

Mit viel Offenheit und Ehrlichkeit aus seiner eigenen Vergangenheit und Gegenwart versteht es Allberry, sich an die Seite seiner Leser zu stellen statt wie ein schimpfender Schullehrer zu klingen. Da er die sündigen Neigungen seines eigenen Herzens kennt, ist es, als würde Allberry in Schlüsselmomenten des Buches seinen Arm um die Schulter des Lesers legen und sagen: „Ich war oder bin immer noch, wo du bist. Ich weiß, ich habe manchmal nachgegeben und kämpfe immer noch gegen meine sündigen Neigungen. Aber ich kenne den Gott der Gnade und Liebe. Lass uns Vergebung, Freude und Kraft in ihm finden.“ Allberry weiß, wie es sich anfühlen kann, mit vielen Fragen, Emotionen und der biblischen Sexualethik konfrontiert zu werden. Am Ende des Buches enthüllt er seinen eigenen Kampf damit, vom gleichen Geschlecht sexuell angezogen zu sein. Dabei ist er zu der vollen Überzeugung gelangt, dass Jesu Lehren über Sexualität gut sind. Obwohl sie ihn dazu auffordern, ein Leben im Zölibat zu führen, weiß er, dass er auf diesem Weg der Nachfolge tiefere Liebe und Selbstverwirklichung erfährt als durch jede andere Lebensweise.

Einfache Argumente und wahre Liebe

Allberry verwendet einfache Argumente und weist auf Fehler in alternativen Argumentationen hin, um seine Leser durch jede der Fragen zu führen, mit denen die elf Kapitel beginnen. Die Inkonsistenz sowohl unserer eigenen Art, Liebe zu definieren und damit umzugehen, wie auch die der uns umgebenden Kultur, ist ein gutes Beispiel dafür: Haben wir wahre Liebe verstanden und gehen wir liebevoll miteinander um? Der Autor möchte darauf hinweisen, dass wir viel von dem Gott zu lernen haben, der Liebe ist (vgl. 1Joh 4,16). Wie Allberry es treffend ausdrückt: „Es gibt verschiedene Formen der Liebe und gut zu lieben, bedeutet, die Form der Liebe in jeder Situation angemessen einordnen zu können“ (S. 127). Wenn wir unseren Emotionen folgen, um zu versuchen, diese Liebesformen richtig einzuordnen, stellen wir fest, dass wir beginnen uns selbst zu widersprechen. Wie sollen wir also wissen, wie wir diese verschiedenen Formen der Liebe richtig ordnen sollen? Gott zeigt uns wie.

Fazit

„Gottes Design für den Menschen und die Sexualität ist auf eine herrliche Weise strukturiert, die den von Gott gegebenen Wert des Individuums aufrechterhält.“
 

Am Ende des Buches fühlt der Leser sich besser in der Lage, sich selbst, die Kultur und Gottes Liebe zu verstehen. Gott ist nicht gegen Sex, wie manche annehmen. Nein, Gottes Design für den Menschen und die Sexualität ist auf eine herrliche Weise strukturiert, die den von Gott gegebenen Wert des Individuums aufrechterhält und einen sicheren Hafen für die schöne, tiefe Verbindung schafft, die durch Sex entsteht. Gottes Weg der Liebe ist nicht nur ein Weg, sondern der bessere Weg, im erfüllendsten Sinn zu lieben, sowohl weil Gott Liebe ist, als auch weil Gott im Laufe der Geschichte seine Liebesgeschichte für uns gewoben hat, die mit dem Hochzeitsfest des Lammes endet. Wir kommen zu der Erkenntnis, dass „Sex für Gott wichtig ist, weil wir Menschen ihm wichtig sind“ (S. 37).

Buch

Sam Allberry, Interessiert es Gott, mit wem ich schlafe?, Holzgerlingen: SCM Hänssler, 2021, 168 Seiten, ca. 12,99 Euro.