Gute Nachrichten für unseren Körper
„Mutig!“, denke ich mir, als ich den Titel lese. Das neue Buch von Sam Allberry ist letztes Jahr erschienen und nun bereits auf Deutsch übersetzt worden: Gute Nachrichten für unseren Körper – Was sagt Gott über unseren Leib? Körperfragen sind brandaktuell und höchst kontrovers. Essstörungen und Body-Shaming, Instagramkultur, Objektifizierung von Frauen, Fitnesswahn, Varianten der Sexualität – das Thema berührt viele der großen Fragen, welche vom gesellschaftspolitischen Diskurs über die Unterhaltungsmedien bis hin zur Ratgeberliteratur allgegenwärtig sind. Und auch in der christlichen Gemeinde kommt man nicht daran vorbei. Biblische Orientierungshilfen sind dringend gesucht. Hier gibt uns Allberry eine wertvolle Unterstützung, die trotz ein paar Schwächen sehr zu empfehlen ist.
Worum es (nicht) geht
Um keine falschen Erwartungen zu wecken, ist zuerst einmal klarzustellen, worum es sich bei dem Buch (nicht) handelt: Der Schwerpunkt liegt auf den seelsorgerlichen Aspekten mit Blick auf den aktuellen westlichen Zeitgeist. Der Autor spricht als Hirte, nicht als Bibellehrer oder Evangelist. Wer einen detaillierten, biblisch-systematischen Überblick sucht und das genaue Verhältnis von Geist, Seele und Leib verstehen, oder sich mit apologetischen Fragen wie der Beziehung zwischen Geist und Gehirn beschäftigen möchte, wird wenig finden. Wer dagegen im seelsorgerlichen Dienst oder der Jugendarbeit aktiv ist, den erwartet eine wertvolle Hilfestellung. Entsprechend schreibt Paul Tripp im Vorwort:
„Dieses Buch sollte sich auf dem Schreibtisch aller Pastoren, Dienstleiter, Eltern und Christen befinden, die sich eingehend mit der heute in der Gesellschaft herrschenden Verwirrung beim Thema Körper auseinandersetzen wollen.“
Um es noch weiter zu differenzieren: Allberry adressiert primär jenen Leser, der an seinem Körper leidet, der Trost und Rat sucht, anstatt den Selbstoptimierer, der sich zur Schau stellt, zu ermahnen. Manchen Christen, der wenige der erwähnten Probleme aus nächster Nähe kennt, kann das Buch für die Nöte um ihn herum aufrütteln, doch vielen wird das meiste aus dem eigenen Umfeld oder sogar dem eigenen Leben bekannt sein. Das Buch konzentriert sich darauf, den Zustand des Menschen anhand des christlichen Weltbildes sowie die Schädlichkeit unbiblischen Denkens sichtbar zu machen, was auch durch den sparsamen Gebrauch von Imperativen deutlich wird. Entsprechend finden sich Aufrufe zur Fokussierung auf Nächstenliebe statt Ich-Zentrierung, Warnungen vor themenrelevanten Sünden (wie etwa Neid) sowie praktische Schritte (wie z.B. die Reflexion und Einschränkung destruktiven Medienkonsums) eher zwischen den Zeilen.
Leicht verständlich, aber dafür weniger präzise
Das Buch ist leicht verständlich und gewinnend geschrieben und reich an Illustrationen. Man merkt, dass es sich um einen begabten und erfahrenen Autor handelt. Der Text ist gut lesbar – auch die deutsche Übersetzung –, obwohl so viele Themen in einem kurzen Buch behandelt werden, dass in dieser Rezension nicht alle erwähnt werden können. Auch die thematische Gewichtung ist im Großen und Ganzen plausibel entschieden. Dank Bibelstellenindex und ausführlichem Stichwortverzeichnis findet man interessante Aussagen später leicht wieder.
Da das Buch in Alltagssprache verfasst ist, kann keine biologische und nur eingeschränkte theologische Präzision erwartet werden. Bestes Beispiel: „Körper“ wird im umgangssprachlichen Sinn verwendet. Gehirn oder Hormone als Teil des Körpers spielen nahezu keine Rolle und werden eher dem nichtkörperlichen Feld zugeordnet. Ab und zu bleibt man an mancher etwas zu ungenauen Stelle hängen – beispielsweise wenn der Gedanke, sich für seine Identität zu entscheiden, mit der Vorstellung, seine Identität entdecken zu müssen, verwechselt wird. Oder wenn seine Aussagen über den Zustand der Gemeinde in Korinth über den biblischen Befund hinausschießen. Doch sind diese Punkte in den meisten Fällen ohne größere Konsequenzen für die Botschaft. Die Kernkompetenz des Buches ist die einführende, seelsorgerliche Erklärung.
Erschaffene Körper
Das Buch ist in drei Hauptteile mit insgesamt 10 Kapiteln gegliedert. Der Aufbau orientiert sich an dem Vierklang Schöpfung (Teil 1), Fall (Teil 2), Erlösung und Vollendung (Teil 3). Der erste und längste Teil (Kapitel 1–4) beginnt mit einem grundlegenden Kapitel darüber, was es bedeutet, dass wir von Gott mit einem Körper geschaffen wurden. Hierbei kommen die im Vergleich zu anderen Religionen hohe Wertschätzung des Körpers im christlichen Menschenbild sowie einige Implikationen der Menschwerdung Christi zur Sprache. Auch die seelsorgerlich so folgenreiche Wahrheit, dass jeder einzelne Mensch von Gott gewollt und individuell geschaffen wurde, wird erläutert und die Wichtigkeit persönlicher Offline-Begegnung betont.
„Weder ist der Mensch nur Körper, noch ist der Körper lediglich eine Hülle für den Menschen. Er ist ein Teil unserer Person.“
Darauf folgt ein Kapitel über die Rolle der Körperlichkeit für unsere Identität, in welchem die biblische Lehre von zwei Extremen abgegrenzt wird: Weder ist der Mensch nur Körper, noch ist der Körper lediglich eine Hülle für den Menschen. Er ist ein Teil unserer Person. Ein falsches Verständnis hierzu kann unsere Wahrnehmung von uns selbst und anderen Menschen stark verzerren und ganz praktischen Schaden im Glaubensleben anrichten.
Unterschiedliche Geschlechter
Den Geschlechterunterschieden sind gleich zwei Kapitel gewidmet. Das erste nähert sich auf durchdachte Weise diesem heißen Thema und stellt von 1. Mose ausgehend klar, dass das Geschlecht nicht einfach an persönlicher Empfindung hängt, sondern dass unser Körper als Teil unserer Person von Gott mit den entsprechenden Merkmalen als Mann oder Frau geschaffen wurde. Allberry weicht auch nicht vor herausfordernden Themen wie Genderdysphorie und Intersexualität aus und gibt etliche hilfreiche biblische und allgemeine Hinweise, welche für die gewinnende Vermittlung des christlichen Menschenbildes nützlich sind. Er ist in der Sache klar, verwendet aber einfühlsame Sprache im Blick auf Menschen, welche unter Verwirrung betreffs ihrer Geschlechtsidentität leiden. Wahrheit wird mit Trost angereichert. Anschließend folgen noch einige Gedanken über den Zusammenhang zwischen dem Geschaffensein im Bild Gottes und dem Geschaffensein als Mann und Frau.
Das zweite Kapitel zu diesem Thema stellt eigentlich einen Exkurs da, in dem nicht primär über den Körper, sondern über die nicht-äußerlichen Unterschiede zwischen den Geschlechtern gesprochen wird. Allberry beginnt mit einer Betonung der vielen Gemeinsamkeiten, da auch Adam und Eva auf diese Weise von der sonstigen Schöpfung abgegrenzt werden, doch ohne die Existenz von Unterschieden zu leugnen. Es folgen Warnungen davor, bei der Formulierung von Rollenunterschieden über die Schrift hinauszugehen. Nun muss hier leider eine der wenigen Schwächen des Buches erwähnt werden. Man merkt zwar, wie der Autor mit diesem brisanten Thema kämpft, und dass er sich viele Gedanken gemacht hat. Natürlich sind auch hier hilfreiche Anregungen zu finden. Diese Frage jedoch auf so wenigen Seiten vorzustellen, dass neben der Schöpfungsgeschichte effektiv nur vier Bibelverse aus zwei Paulusbriefen benutzt werden und der grundlegende Aspekt der Hormone fast vollständig ausgeklammert wird, war wohl von vornherein zum Scheitern verurteilt. Manche Argumentation wird in sich unschlüssig, es wird unzulässig vereinfacht, unbegründet behauptet und mit Vermutungen argumentiert. Insbesondere fehlt eine saubere Differenzierung zwischen kultureller Prägung, Folgen der Sünde am Einzelnen und gottgewollter Varianz der Persönlichkeiten. Die Frage, ob Mann und Frau laut Bibel auf unterschiedliche Bestimmungen hin geschaffen sind, wird gegenüber der Betrachtung des Istzustandes nach dem Sündenfall unterbetont, wodurch der Autor wenig überzeugend bei einer eher minimalistischen Perspektive landet, mit der die Erklärung zahlreicher biblischer Aussagen schwerfallen wird. Doch ist zu betonen, dass dieses Kapitel eine Ausnahme bildet und nicht den Kernbereich des Buches betrifft.
Gebrochene Körper
Der zweite Hauptteil (Kapitel 5–7) dreht sich um die Folgen des Sündenfalls. Nach einigen allgemeinen Gedanken zum Zustand der Schöpfung und der künftigen Hoffnung behandelt Allberry die biblische Perspektive auf Krankheit und Schmerz, welche er treffend zusammenfasst: „[D]as Leiden aller Menschen ist ein Zeichen für die Sünde aller Menschen.“ Anschließend schreibt er ausführlich über das Thema Körperscham und dessen Ursachen. Neben dem Einfluss der Medien, durch welche aktuell im Westen viel mehr Menschen davon betroffen sind als in anderen Zeiten und Kulturen, führt er auch verletzende Worte als mögliche Ursache an. Allberry warnt davor, sich durch solche Beleidigungen auch an Gott als dem Schöpfer des anderen Menschen zu versündigen.
In Kapitel 6 kommt der Autor nun auf unsere Sündhaftigkeit zu sprechen. Anhand des Römerbriefes zeigt er, wie wir unsere Körper nicht dafür benutzt haben, um Gott und Menschen zu lieben. Er sieht das „Fleisch“ nicht nur im Körper, betont aber eine besondere Verbindung zu ihm, da unsere sündigen Wünsche und Taten eng mit dem Körper zusammenhängen. Trotzdem ist der Körper wunderbar geschaffen und nichts Schlechtes. Besonders geht er auf die Hurerei als Sünde „gegen den eigenen Leib“ (1Kor 6,18) ein, welche auf spezielle Weise den Körper betrifft. Anschließend folgen einige Gedanken zur Ursache von Gefühlen der Scham und Unreinheit.
„Jesus Christus hingegen, der in seiner Zeit auf der Erde selbst unfassbar viel erlitten hat, kann auch Menschen in äußerst schweren Situationen beistehen.“
Die zweite Hälfte des Kapitels behandelt den Tod. Seine Unausweichlichkeit wird der Verdrängung in unserer Gesellschaft gegenübergestellt. Dabei ist das Bewusstsein der Sterblichkeit wichtig, um dem Leben Ausrichtung zu geben.
Kapitel 7 stellt uns Jesus als Hohepriester vor, der Mitleid mit unseren Schwachheiten hat. Auch zwischenmenschlich ist es wichtig, keine Überheblichkeit angesichts der Kämpfe von Anderen zuzulassen. Stattdessen sollen wir mitfühlen, doch können wir nicht alles nachempfinden. Jesus Christus hingegen, der in seiner Zeit auf der Erde selbst unfassbar viel erlitten hat, kann auch Menschen in äußerst schweren Situationen beistehen. Durch seinen Tod, den er für uns auf sich genommen hat, erwartet uns eine Zukunft ohne Leiden und Sterben. Allberry wendet diese Wahrheiten auf verschiedene Körperthemen an.
Erlöste Körper
Der dritte Teil des Buches widmet sich dem Körper im Licht der Erlösung. Es beginnt mit einem kürzeren Kapitel über den Körper als Glied des Leibes Christi und Tempel des Heiligen Geistes. Als Erlöste sind unsere Körper nicht nebensächlich, sondern stehen in Verbindung zu Gott. Sie sind dazu bestimmt, ihn in Heiligkeit zu ehren.
„Als Erlöste sind unsere Körper nicht nebensächlich, sondern stehen in Verbindung zu Gott. Sie sind dazu bestimmt, ihn in Heiligkeit zu ehren.“
Darauf folgt das längste und herausforderndste Kapitel des Buches, welches von Jüngerschaft handelt. Allberry beginnt mit einigen Aspekten des richtigen Umgangs mit dem eigenen Körper, sei es bei Ernährung, Bewegung oder Schlaf. Die einführende Erklärung von Epheser 5,29 überzeugt exegetisch leider nicht, doch die darauffolgenden Ausführungen zu den praktischen Fragen sind ausgewogen und hilfreich. Es passiert leicht, in diesen Dingen auf der einen oder anderen Seite das richtige Maß zu verlassen oder aus einer falschen Perspektive an sie heranzugehen, was weitreichende Folgen im Leben haben kann. Darauf folgen klare, aber gewinnende Worte zur Disziplin des Körpers und Zielstrebigkeit in der Nachfolge. Dies leitet über zur Hingabe unseres Körpers für Gott. Ziemlich misslungen ist dann leider die Illustration zum heiligen Opfer unseres Leibes (vgl. Röm 12,1) mit einem Filmbeispiel – einem übergewichtigen Stripper mit Selbstzweifeln. Doch dies ist eine Ausnahme; allgemein geht das Buch respektvoller mit heiligen Dingen um. Es folgt eine interessante Gegenüberstellung, wie Körper als „Werkzeuge der Ungerechtigkeit“ (Röm 6,13) oder aber als Werkzeuge für Gott und die Menschen eingesetzt werden können.
Das Finale des Buches bildet ein Kapitel zur kommenden Herrlichkeit in der Auferstehung. Viele Menschen werden von der Angst getrieben, im Leben etwas zu verpassen. Doch da wir als Christen wissen, dass das Beste noch kommt, dürfen wir eine andere Einstellung haben. Jetzt verfallen unsere Körper, doch in der Auferstehung werden wir einen erneuerten Körper bekommen. Es stellen sich viele Fragen, wie dieser konkret beschaffen sein wird. Allberry erklärt einige biblische Aussagen dazu, was uns erwartet, und macht Vorfreude auf die kommenden Herrlichkeiten.
Fazit
Mit Gute Nachrichten für unseren Körper hat Sam Allberry eine wertvolle, leicht zugängliche Hilfe zu einem wichtigen und aktuellen Themenkomplex geliefert. Trotz ein paar Schwächen und Ungenauigkeiten – was bei dieser Themenfülle kaum vermeidbar ist – hat er eine ausgewogene und gesunde seelsorgerliche Einführung zu Körperfragen in der Bibel vor dem Hintergrund unserer Kultur verfasst. Wer ein solches Buch schreibt, noch dazu in dieser Kürze, macht sich angreifbar, weshalb ihm auch für seinen Mut zu danken ist. Ein solcher Überblick muss zwangsläufig Schwerpunkte setzen, um nicht zu lang zu werden. Um aktuelle Fragen wie Intersexualität zu behandeln, mussten andere wichtige Themen wie das Gehirn oder Schwangerschaft ausgespart werden. Doch dafür bekommt man an einigen Stellen einen Einblick in Themen und Nöte, welche man bisher nie erlebt hat und vielleicht auch nicht nachvollziehen konnte. Somit erklärt Allberry in zwei Richtungen: Den Leidenden und Verwirrten führt er zur Bibel; dem nicht vom jeweiligen Thema Betroffenen beschreibt er existierende Probleme, um helfen zu können. Auch wenn man nicht jeder einzelnen Aussage zustimmt und nicht jeden erwähnten Autor empfehlen würde, kann man sowohl persönlich als auch für den Dienst – sei es seelsorgerlich oder evangelistisch – vielfältig von der Lektüre profitieren. In diesem Sinne ist das Buch sehr zu empfehlen.
Buch
Sam Alberry, Gute Nachrichten für unseren Körper – Was sagt Gott über unseren Leib?, Dillenburg: CV, 2022, 224 Seiten, 17,90 EUR.
Das Buch kann auch direkt beim Verlag bestellt werden.