Die Petrusbriefe

Rezension von Tanja Bittner
25. August 2022 — 7 Min Lesedauer

„Welches Bibelbuch könnten wir im Hauskreis als Nächstes durchnehmen?“ Wer mit dieser Frage in die Petrusbriefe hineinblättert, wird wahrscheinlich etwas hin- und hergerissen sein. Einerseits fallen ermutigende, inhaltsschwere Verse ins Auge (wie 1Petr 1,18–19 oder 2Petr 1,19–21 und noch einige mehr). Es lohnt sich ganz bestimmt, hier gemeinsam tiefer zu graben. Andererseits: Die Sprache der Briefe ist anspruchsvoll und nicht leicht zu verstehen. Und dann sind da noch diese schwierigen Stellen wie 1. Petrus 3,19–20 oder 4,6. Ob wir uns als Gruppe wirklich an diese Texte heranwagen sollen?

„Nach vielen Jahrhunderten christlicher Mehrheitskultur befinden wir westlichen Christen uns nun in einem Kontext, der dem Christentum zunehmend feindlich gegenübersteht.“
 

Nach vielen Jahrhunderten christlicher Mehrheitskultur befinden wir westlichen Christen uns nun in einem Kontext, der dem Christentum zunehmend feindlich gegenübersteht. Genau das war auch die Situation von Petrus’ ursprünglichen Briefempfängern. Der Untertitel des neu in der Serendipity-Reihe erschienenen Hefts zu den Petrusbriefen bringt es auf den Punkt: Es geht um das „Leben in einer nicht christlichen Gesellschaft“. Aktueller geht es kaum. Und da zu den Schlagseiten unserer Kultur auch der Individualismus gehört, ist es gut, Gottes Wort gerade bei diesem Thema gemeinsam zu betrachten. Vielleicht könnten die Petrusbriefe tatsächlich das nächste Hauskreisthema werden? Mit dem von Philipp Bartholomä (Professor für Praktische Theologie an der FTH Gießen) erarbeiteten Heft steht eine Ressource zur Verfügung, die wertvolle Hilfestellung bietet.

Methodik

Das Heft folgt dem für Serendipity typischen „Strickmuster“, Kleingruppentreffen im Wesentlichen durch Fragen in die Runde zu gestalten. Dadurch sind die Teilnehmer herausgefordert, selbst nachzudenken und eigene Beobachtungen einzubringen. Zunächst werden einige Fragen für den Einstieg angeboten. Sie stehen zwar schon in einem gewissen thematischen Zusammenhang mit dem Bibeltext, sollen aber in erster Linie das Kennenlernen untereinander fördern – z.B.: „Erzählen Sie von einer Begebenheit, in der Sie in eindrücklicher Weise Gastfreundschaft erlebt haben“ (S. 39).

Nach dem Lesen des Bibeltextes ist ein Bibelgespräch vorgesehen, das mit 30–40 Minuten den größten Raum einnimmt. Auch dieses wird durch Fragen gelenkt, die die Teilnehmer herausfordern, einzelne Verse oder Abschnitte genauer zu durchdenken – z.B.: „Welchen Zweck sollen ‚Prüfungen‘ im Leben eines Christen erfüllen (1Petr 1,7)? Wie hilft das Bild des Schmelzofens, diesen Zweck besser zu verstehen?“ (S. 17). Auf diese Weise wird Stück für Stück der gesamte Text bearbeitet. Ergänzend dazu bietet das Heft Erläuterungen zum Text. Hier sind häufig auch Hinweise zur Beantwortung der Fragen zu finden.

Darauf folgt ein Austausch, in dem – wiederum anhand von Fragen – versucht wird, das Verstandene in das Alltagsleben zu holen – z.B.: „Warum fällt es so schwer, Böses nicht mit Bösem, sondern mit Segen zu vergelten?“ (S. 35). Dieser Teil kann mit einer Gebetsgemeinschaft abgeschlossen werden. Zu guter Letzt gibt es noch Anregungen für konkrete Schritte, die man in der folgenden Woche umsetzen möchte – z.B.: „Beten Sie in dieser Woche täglich für die Leiter Ihrer Gemeinde“ (S. 53).

Generell bietet dieses Raster einen guten und sinnvollen Aufbau, um einen Bibeltext gemeinsam zu erschließen – wobei natürlich alles darauf ankommt, wohin die Gedanken durch die konkreten Fragen gelenkt werden. Die für das Bibelgespräch vorgeschlagenen Fragen helfen in diesem Fall wirklich, Gottes Wort noch genauer zuzuhören, es zu erfassen und zu durchdenken (statt Stichworte als Sprungbretter zu nutzen, eigene Themen oder Assoziationen in den Text hineinzutragen usw.). Darauf aufbauend sind auch die Anwendungsfragen sachgemäß, sie entspringen der Botschaft des Textes.

„Die für das Bibelgespräch vorgeschlagenen Fragen helfen in diesem Fall wirklich, Gottes Wort noch genauer zuzuhören, es zu erfassen und zu durchdenken.“
 

In unserer Gruppe hat nicht jeder ein Heft vorliegen, sondern nur der für den Abend Verantwortliche. Dabei haben sich die – deshalb nur mündlich gestellten – Fragen in der Praxis teils als zu komplex erwiesen und mussten etwas kompakter formuliert werden. Diese vermeintliche Schwäche kann aber sogar eine Stärke sein. Denn so verlockend der Gedanke ist, einfach nur ein Heft zu zücken – selbstverständlich ersetzt kein noch so gutes Material die eigene Vorbereitung. Es erleichtert sie nur.

Ich persönlich habe zudem etwas mit der Verwendung der NGÜ als Standardbibel (vermutlich für die gesamte Reihe?) gerungen. Bibelübertragungen in die heutige Sprache haben ihre Berechtigung, insbesondere für junge Gläubige oder Noch-nicht-Christen[1]. Wer aber die Bibel gründlicher studieren will, wird früher oder später zu einer wörtlicheren Übersetzung wechseln, die weniger Interpretation vorwegnimmt. Dies wäre zumindest für die Erläuterungen hilfreich gewesen.

Inhalt

Dem Kurs vorangestellt ist eine Einführung, die einen kurzen Überblick über Verfasserschaft, Zeit und Ort der Abfassung, Empfänger, zentrale Inhalte und Struktur der beiden Briefe gibt. Bartholomä argumentiert – nach kurzer Diskussion der Gegenargumente – für eine Abfassung durch den Apostel Petrus:

„Letztendlich lässt sich für beide Briefe kaum ein überzeugendes Argument finden, um deren Echtheit und damit die Verfasserschaft durch den Apostel Petrus zwingend infrage zu stellen.“ (S. 10)

Der eigentliche Kurs entfaltet in 10 Einheiten das Thema „Als ‚einheimisch Fremde‘ …“, nämlich:

  1. „Als ‚einheimisch Fremde‘ hoffnungsvoll Prüfungen bewältigen“ (1Petr 1,1–12),
  2. „Als ‚einheimisch Fremde‘ heilig und unverwechselbar leben“ (1Petr 1,13–2,10),
  3. „Als ‚einheimisch Fremde‘ das Evangelium glaubwürdig verkörpern“ (1Petr 2,11–3,7),
  4. usw.

Was ist damit gemeint? Einerseits sind wir auch als Christen in unserer Zeit und Kultur einheimisch. Wir sind und bleiben „gesellschaftliche Insider“ (S. 9) und leben innerhalb der Gegebenheiten dieser Welt. Andererseits sind wir aber auch Fremde: „Durch ihre Bekehrung werden Christen … zu Fremdbürgern, weil ihre vom Evangelium geformten Werte und Überzeugungen mit ihrer Umgebungskultur kollidieren“ (S. 18; vgl. 1Petr 1,17; 2,11). Es geht daher um die Frage, wie Christen in diesem Spannungsfeld ihr Leben nach Gottes Willen führen können.

Diese Fragestellung und die über weite Teile praktische Ausrichtung der Briefe (man lese z.B. 1Petr 2,11–3,17) könnten leicht zu einer stark handlungsorientierten (gesetzlichen) Auslegung führen. Doch dem ist nicht so. Zwar kommt die Praxis – wie es der Bibeltext ja auch vorgibt – nicht zu kurz, Imperative werden als solche ernst genommen. Doch dabei wird, ebenfalls anhand des Bibeltexts, immer wieder deutlich, woher dieser veränderte Lebensstil kommt:

„Es geht nicht ohne menschliche Anstrengung, aber letztlich verändert nicht die Anstrengung das Herz, sondern das Evangelium der Gnade.“ (S. 60)

Wie es bei einem Hilfsmittel dieses Umfangs nicht anders zu erwarten ist, werden die exegetisch schwierigen Stellen der Petrusbriefe nicht umfassend diskutiert. Im vorliegenden Rahmen wird eher versucht, den Blick auf das jeweilige Grundprinzip zu lenken, das bei allen Unklarheiten dennoch deutlich zu erkennen ist. Das kann in mancher Gruppe auch genügen. Je nach Interesse müsste evtl. ergänzend weitere Literatur herangezogen werden. Ähnliches gilt für kontrovers diskutierte Themen wie die Erwählung (1Petr 1,1–2) oder den Frauen-Abschnitt (1Petr 3,1–6). Natürlich: Es wäre ein gründlicher Exkurs nötig, wollte man das jeweilige Fass wirklich aufmachen. Trotzdem ist auch die „diplomatische“ Vorgehensweise, einen wesentlichen Kern herauszudestillieren, nicht immer ganz befriedigend. Je nach Gruppe wäre es vielleicht doch sinnvoll, einen solchen Exkurs zu unternehmen.

Etwas schade fand ich, dass das komplette Kapitel 2. Petrus 2 nur als „Einschub“ erläutert wird, aber dafür kein Kleingruppentreffen vorgesehen ist. Zugegeben, der Text ist sperrig. Aber wäre es nicht gerade deswegen wichtig, darüber zu reden?

Unterm Strich

Die Petrusbriefe: Leben in einer nicht christlichen Gesellschaft greift zwei Bibelbücher auf, die uns heute viel zu sagen haben. Es lohnt sich, gemeinsam diese Texte zu studieren. Sowohl methodisch als auch inhaltlich ist dieses Heft dabei eine wertvolle Unterstützung, die nicht vom Text weg, sondern in den Text hinein lenkt.

Buch

Philipp Bartholomä, Die Petrusbriefe: Leben in einer nicht christlichen Gesellschaft, Gießen: Brunnen, 2022, 77 Seiten, 9,50 Euro.


[1] Letztere gehören laut S. 5 mit zur Zielgruppe des Kurses. Das Oberthema ist aber offensichtlich eines, das nur Christen betrifft. Der Nichtchrist ist in einer nicht christlichen Gesellschaft nicht „einheimisch fremd“, sondern „einheimisch“. Daher fehlt ihm die Grundvoraussetzung, um diese Herausforderung überhaupt zu haben.