Die Ewigkeit vor Weihnachten

Artikel von David Mathis
21. Dezember 2022 — 8 Min Lesedauer

Das Wunderbare an Weihnachten ist, dass es nicht den Anfang von Christus markiert. Seine Geschichte hat lange vor jenem ersten Weihnachten begonnen – nicht nur in verschiedenen Prophezeiungen, sondern als Person der Trinität. Weihnachten ist vielleicht der Beginn des letzten Kapitels, aber es ist nicht der Beginn von Christus.

Weihnachten steht in der Tat für eine Empfängnis und eine Geburt. Wir hören Marias wunderbares Lied der Hingabe und den Besuch der Hirten, die ihrem neugeborenen Sohn huldigen, und lesen: „Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen“ (Lk 2,19). Für uns Menschen ist die Empfängnis der Anfang. Vorher haben wir schlicht und einfach nicht existiert.

„Im Gegensatz zu jeder anderen menschlichen Geburt ist Weihnachten nicht der Zeitpunkt seines Entstehens, sondern seines Werdens.“
 

Beim Sohn Gottes hingegen ist das nicht so. Er wird beschrieben als der, „dessen Hervorgehen von Anfang, von den Tagen der Ewigkeit her gewesen ist“ (Mi 5,1). Im Gegensatz zu jeder anderen menschlichen Geburt ist Weihnachten nicht der Zeitpunkt seines Entstehens, sondern seines Werdens. Weihnachten ist nicht sein Anfang, sondern sein Auftrag. Er wurde nicht erschaffen, sondern er kam.

Keinem anderen Menschen in der Geschichte der Welt ist diese besondere Herrlichkeit zuteilgeworden. So einzigartig seine jungfräuliche Geburt auch ist, seine Präexistenz hebt ihn noch deutlicher von allen anderen menschlichen Wesen hervor, auch wenn er ganz Mensch ist.

1. Er existierte schon vor der Menschwerdung

Jesus Christus existierte, bevor er Mensch wurde. Jesus selbst hat diese Behauptung aufgestellt, die so verblüffend – und für das jüdische Empfinden des ersten Jahrhunderts sogar so beleidigend – war, dass sie Steine aufhoben „um sie auf ihn zu werfen“, als er sagte: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ehe Abraham war, bin ich!“ (Joh 8,58–59).

Diese Wahrheit wurde in Johannes 6 nicht viel besser aufgenommen. „Wie nun, wenn ihr den Sohn des Menschen dorthin auffahren seht, wo er zuvor war? … Aus diesem Anlaß zogen sich viele seiner Jünger zurück und gingen nicht mehr mit ihm“ (Joh 6,62.66).

Diejenigen jedoch, denen Augen gegeben wurden, um die Herrlichkeit zu sehen, kehrten nicht um. Zu ihnen gehörten später auch Paulus und der Autor des Hebräerbriefes. Letzterer berichtet, dass Melchisedek, der tausend Jahre vor Jesus lebte, dem Sohn Gottes glich, indem er „weder Anfang der Tage noch Ende des Lebens“ hat (Hebr 7,3). Paulus schreibt, dass die Generation der Israeliten in der Wüste „tranken aus einem geistlichen Felsen, der ihnen folgte. Der Fels aber war Christus“ (1Kor 10,4). Darüber hinaus reihen sich vier Refrains des Neuen Testaments in den Chor der Stimmen ein, die bestätigen, dass die Person Christi schon lange vor jenem ersten Weihnachten existierte:

Er kam

Das Markusevangelium beginnt mit der Darstellung Jesu als Jahwe selbst, der auf die Erde gekommen ist (vgl. Mk 1,1–3). Er kam von außerhalb der Schöpfung in unsere Welt, um die lange versprochene Rettung Gottes zu bringen: „gleichwie der Sohn des Menschen nicht gekommen ist, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben zu geben als Lösegeld für viele“ (Mt 20,28; siehe auch Mk 10,45 und Lk 19,10). Johannes bezeichnet das Kommen, wie z.B. in Johannes 6,62, als Herabsteigen: „der aus dem Himmel herabgestiegen ist“ (Joh 3,13). Gewöhnliche Menschen steigen nicht herab, sie beginnen.

Auch hier folgen Paulus und der Hebräerbrief der Spur des Evangeliums. In Hebräer 10,5 ist die Rede von seinem „Eintritt in die Welt“, und in einer der prägnantesten und wirkungsvollsten Zusammenfassungen des Evangeliums heißt es, dass „Christus Jesus in die Welt gekommen ist, um Sünder zu retten“ (1Tim 1,15). Mit dem Kommen ist auch seine Offenbarung verbunden. „Gott ist geoffenbart worden im Fleisch“ (1Tim 3,16). „Er war zuvor ersehen vor Grundlegung der Welt, aber wurde offenbar gemacht in den letzten Zeiten um euretwillen“ (1Petr 1,20).

Er wurde

Das „Werden“ allein würde noch keine Präexistenz voraussetzen. Der Schlüssel liegt in der Frage, was er war, bevor er wurde. Er war göttlich reich und wurde menschlich arm (vgl. 2Kor 8,9). Er war „in der Gestalt Gottes“ und nahm dann die „Gestalt eines Knechtes“ an (Phil 2,6–7). Einer, der unendlich hoch war, weil er Gott war, wurde „ein wenig niedriger … als die Engel“, weil er Mensch wurde (Hebr 2,9).

Sein „Werden“ bedeutete nicht, dass er aufhörte das zu sein, was er vorher gewesen war, sondern dass er „wurde wie die Menschen“ (Phil 2,7). Der vollkommen göttliche Sohn fügte seiner Person die volle Menschlichkeit hinzu.

Er wurde gesandt

Propheten wurden gesandt, ohne vor ihrer Geburt existiert zu haben – aber nicht so Gottes eigener Sohn. Er wurde von außerhalb der Welt des Fleisches in diese Welt gesandt, um sein Volk zu erlösen. Es ist etwas grundlegend anderes, nicht nur menschliche Boten, sondern den ewigen Sohn zu senden.

Im Gleichnis von den bösen Weingärtnern sandte der Besitzer des Weinbergs schließlich seinen „einzigen Sohn, seinen geliebten“ (Mk 12,6), der sich in seiner Beziehung zu ihm maßgeblich von den anderen Knechten unterscheidet, die er zuvor gesandt hatte. „Als aber die Zeit erfüllt war“, schreibt Paulus in Galater 4,4, „sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau“. Gott nahm nicht einen bereits geborenen Menschen und sandte ihn aus, sondern er sandte seinen eigenen göttlichen Sohn aus, um Mensch zu werden. Ebenso hat Gott durch das Opfer seines Sohnes das getan, was wir nicht präexistenten Menschen nicht selbst tun konnten: „indem er seinen Sohn sandte in der gleichen Gestalt wie das Fleisch der Sünde und um der Sünde willen und die Sünde im Fleisch verurteilte“ (Röm 8,3).

Er wurde gegeben

Schließlich – und das ist wohl am prägnantesten – wurde der präexistente Christus gegeben: „Denn so hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn gab“ (Joh 3,16). Dem Opfer Christi geht seine ganze Kraft als Ausdruck der Liebe Gottes verloren, wenn Jesus nicht schon vor seiner Menschwerdung existiert hat.

Der Mount Everest der biblischen Verheißungen setzt die Präexistenz des Sohnes voraus, indem er sagt, dass Gott „seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern ihn für uns alle dahingegeben hat“ (Römer 8,32).

2. Er existierte vor der Schöpfung

Aber Christus existierte nicht nur bereits an jenem ersten Weihnachten. Er existierte auch vor der gesamten Schöpfung. Das Neue Testament könnte in diesem Punkt nicht deutlicher sein. Wenn das Glaubensbekenntnis von Nizäa (325 n. Chr.) bekennt, dass er „vom Vater gezeugt wurde vor aller Welt“, tut es dies auf dem festen Fundament der Heiligen Schrift.

„Weihnachten ist weit mehr als die Feier der Geburt eines großen Mannes. Gott selbst, in der zweiten Person der Gottheit, ist in unseren Lebensraum und in unsere schwache, von unserer Sünde gekennzeichnete Menschheit eingetreten, um uns zu retten.“
 

Das Johannesevangelium beginnt mit der Erklärung:

„Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Dieses war im Anfang bei Gott. Alles ist durch dasselbe entstanden; und ohne dasselbe ist auch nicht eines entstanden, was entstanden ist.“ (Joh 1,1–3)

Der Mensch wurde nicht zum Wort. Das ewige Wort ist Mensch geworden.

So auch Kolosser 1,16–17:

„Denn in ihm ist alles erschaffen worden, was im Himmel und was auf Erden ist, das Sichtbare und das Unsichtbare, seien es Throne oder Herrschaften oder Fürstentümer oder Gewalten: alles ist durch ihn und für ihn geschaffen; und er ist vor allem, und alles hat seinen Bestand in ihm.“‭‭

Christus wurde von Gott „vorherbestimmt“, nicht nur vor seiner Menschwerdung, sondern „vor Grundlegung der Welt“ (1Petr 1,20). Und so betet er in Johannes 17,5: „Und nun verherrliche du mich, Vater, bei dir selbst mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war.“

3. Er ist präexistent, weil er Gott ist

Dass Christus schon vor seiner Menschwerdung und sogar vor Grundlegung der Welt existierte, ist letztlich eine Funktion seiner Göttlichkeit. Er ist der Erste und der Letzte, Alpha und Omega (vgl. Offb 1,8), weil er Gott ist. Wie Donald Macleod feststellt, „kann keine formale Unterscheidung zwischen Gottheit und Präexistenz gemacht werden“ (Person of Christ, S. 57).

„Jesus ist vor allem, und er ist besser als alles, was in der geschaffenen Welt existiert.“
 

Weihnachten ist weit mehr als die Feier der Geburt eines großen Mannes. Gott selbst, in der zweiten Person der Gottheit, ist in unseren Lebensraum und in unsere schwache, von unserer Sünde gekennzeichnete Menschheit eingetreten, um uns zu retten. Er kam. Er wurde einer von uns. Gott sandte Gott. Der Vater gab seinen eigenen Sohn für uns und für unsere Erlösung.

Jesus ist besser

In einer materialistischen Gesellschaft, die Weihnachten als die materiellste Zeit des Jahres feiert, erinnert uns die Präexistenz Christi insbesondere daran, dass er wichtiger ist als jedes Geschenk und jeder Schnickschnack. Er ist wertvoller als jede Spielerei und jedes Fest, jeder Baum und jede Dekoration, jedes Licht und jedes Lachen, jede Kerze und jedes Plätzchen. Das ist es doch, was seine Präexistenz für uns bedeutet – Vorrang und Kostbarkeit vor allem anderen, was nicht präexistent ist.

Jesus ist vor allem, und er ist besser als alles, was in der geschaffenen Welt existiert. Die Tatsache seiner Präexistenz ruft uns die leise Erinnerung zu, dass es nur angemessen ist, dass eine solche Person der beste Schatz in unseren Herzen ist.