Die Wichtigkeit des Gebets

Artikel von R.C. Sproul
25. Januar 2023 — 5 Min Lesedauer

Was ist das Ziel des christlichen Lebens? Gottesfurcht, die aus dem Gehorsam gegen Christus entspringt. Gehorsam ist der Schlüssel zum Reichtum christlicher Erfahrung. Es ist das Gebet, das den Gehorsam anstößt und nährt, indem es das Herz in die richtige Verfassung versetzt, sodass es sich wünscht zu gehorchen.

Natürlich ist Erkenntnis auch wichtig, denn ohne sie können wir nicht wissen, was Gott verlangt. Aber Erkenntnis und Wahrheit bleiben abstrakt, bis wir im Gebet mit Gott Zwiesprache halten. Es ist der Heilige Geist, der uns Gottes Wort lehrt, erhellt und aufschließt. Er vermittelt uns das Wort Gottes und steht uns darin bei, dem Vater im Gebet darauf zu antworten.

Das Gebet ist absolut wesentlich für den Christen. Zuallererst ist es eine absolute Voraussetzung zur Errettung. Manche Leute können nicht hören; doch obwohl sie taub sind, können sie errettet werden. Manche können vielleicht nicht sehen; doch obwohl sie blind sind, können sie errettet werden. Das Wissen um die Gute Nachricht – um die Errettung durch den Sühnetod und die Auferstehung Jesu Christi – kann aus der einen oder anderen Quelle kommen, aber letztlich muss der Mensch Gott demütig um Errettung bitten. Das Gebet um Errettung ist das eine Gebet des Sünders, das Gott zu hören versprochen hat.

„Man kann zwar beten, ohne Christ zu sein, aber man kann kein Christ sein, ohne zu beten.“
 

Was haben alle im Himmel gemeinsam? Diese Dinge: Sie sind alle gerechtfertigt worden, indem sie an die Versöhnung durch Christus geglaubt haben. Sie alle preisen Gott. Sie haben alle um Errettung gebetet. Ohne Gebet sind wir ohne Gott, ohne Christus, ohne den Heiligen Geist und ohne die gewisse Hoffnung auf den Himmel.

Zweitens ist eines der sichersten Kennzeichen eines Christen sein Gebetsleben. Man kann zwar beten, ohne Christ zu sein, aber man kann kein Christ sein, ohne zu beten. Römer 8,15 sagt uns, dass die geistliche Adoption, durch die wir zu Kindern Gottes wurden, in uns bewirkt, dass wir „Abba, Vater!“ rufen. Gebet ist für den Christen, was das Atmen für den Körper bedeutet, und doch wird keine andere Pflicht so vernachlässigt.

Gebet, zumindest das private Gebet, findet schwerlich aus falschen Motiven statt. Man kann aus falschen Motiven predigen wie die falschen Propheten, man kann sich aus falschen Motiven in christliche Aktivitäten stürzen. Viele äußerliche religiöse Handlungen können aus falschen Motiven erfolgen, aber es ist höchst unwahrscheinlich, dass jemand aus unlauteren Motiven mit Gott kommuniziert. Matthäus 7 sagt uns, dass im Gericht am letzten Tag viele vor Christus stehen und von ihren großartigen und edlen Taten sprechen werden, die sie in seinem Namen getan haben. Aber seine Antwort wird sein: „Ich kenne euch nicht.“

Wir sind also eingeladen zu beten, ja, es wird uns sogar befohlen. Gebet ist sowohl Privileg als auch Pflicht, und jede Pflicht kann mühsam werden. Gebet erfordert Arbeit, wie jedes Mittel zum Wachstum des Christen. In gewissem Sinn ist Gebet unnatürlich für uns. Obwohl wir für die Gemeinschaft mit Gott geschaffen wurden, sind die meisten von uns durch die Auswirkungen des Sündenfalls faul und gleichgültig gegenüber etwas so Wichtigem wie Gebet geworden. Die Wiedergeburt weckt in uns ein neues Verlangen nach Gemeinschaft mit Gott, aber die Sünde widersteht dem Geist.

Wir können uns mit der Tatsache trösten, dass Gott unsere Herzen kennt und auch unsere unausgesprochenen Bitten hört, mehr noch als die Worte, die über unsere Lippen kommen. Wann immer wir unfähig sind, die tiefen Regungen und Gefühle unserer Seele auszudrücken, oder wenn uns einfach nicht klar ist, wofür wir beten sollen, tritt der Heilige Geist für uns ein. Römer 8,26–27 sagt:

„Ebenso kommt aber auch der Geist unseren Schwachheiten zu Hilfe. Denn wir wissen nicht, was wir beten sollen, wie sich’s gebührt; aber der Geist selbst tritt für uns ein mit unaussprechlichen Seufzern.  Der aber die Herzen erforscht, weiß, was das Trachten des Geistes ist; denn er tritt so für die Heiligen ein, wie es Gott entspricht.“

Wenn wir in bestimmten Situationen nicht wissen, wofür oder wie wir beten sollen, dann steht uns der Heilige Geist bei. Wir können aus dem Text schließen, dass wenn wir mangelhaft beten, der Heilige Geist die Fehler korrigiert, ehe er unsere Bitten vor den Vater bringt, denn Vers 27 sagt uns, dass er so für die Heiligen eintritt, wie es Gott entspricht.

Gebet ist das Geheimnis der Heiligkeit – falls Heiligkeit überhaupt etwas Geheimnisvolles hat. Wenn wir die Biographien der großen Heiligen der Kirche betrachten, sehen wir, dass sie große Beter waren. John Wesley bemerkte einmal, dass er nicht viel von Geistlichen hielt, die nicht mindestens vier Stunden am Tag im Gebet verbrachten. Luther sagte, dass er regelmäßig eine Stunde am Tag betete, es sei denn, er hatte einen ganz besonders geschäftigen Tag. Dann betete er zwei Stunden.

„Die Vernachlässigung des Gebets ist ein Hauptgrund für Stillstand im geistlichen Leben.“
 

Die Vernachlässigung des Gebets ist ein Hauptgrund für Stillstand im geistlichen Leben. Denk an das Beispiel von Petrus in Lukas 22,39–62. Jesus ging auf den Ölberg, um nach seiner Gewohnheit zu beten, und sagte seinen Jüngern: „Betet, dass ihr nicht in Versuchung fallt.“ Stattdessen schliefen die Jünger ein. Petrus’ nächste Aktion war der Versuch, es mit einem Schwert mit der römischen Armee aufzunehmen; danach verleugnete er Christus. Es war nicht so, dass Petrus betete und anschließend in Versuchung fiel. Und was für Petrus zutrifft, trifft für uns alle zu: Wir versagen im Privaten, bevor wir öffentlich versagen.

Gibt es eine richtige oder falsche Zeit zum Beten? Jesaja 50,4 spricht über den Morgen als die Zeit, in der Gott Tag für Tag das Verlangen in uns weckt zu beten und unser Vertrauen in ihn erneuert. Aber andere Textstellen reden von Gebet zu den verschiedensten Tageszeiten. Keine Tageszeit ist heiliger als die andere. Jesus betete am Morgen, über den Tag hinweg und manchmal die ganze Nacht hindurch. Sicherlich hatte er bestimmte Gebetszeiten, aber in Anbetracht seiner Beziehung zum Vater wissen wir, dass die Gemeinschaft zwischen ihnen nie aufhörte.

1. Thessalonicher 5,17 befiehlt uns, ohne Unterlass zu beten. Das bedeutet, dass wir uns in einem ununterbrochenen Zustand der Gemeinschaft mit unserem Vater befinden sollen.