Was ist Buße?

Artikel von R.C. Sproul
13. Februar 2023 — 11 Min Lesedauer

David schrieb einen der Bußpsalmen (Psalm 51), nachdem der Prophet Nathan ihn zur Rede gestellt hatte. Nathan machte David deutlich, dass er schwer gegen Gott sündigte, als er Bathseba zur Frau nahm und ihren Ehemann Uria umbrachte.

Es ist wichtig, den Schmerz und die von Herzen kommende Reue zu sehen, die David zum Ausdruck brachte. Wir müssen jedoch auch verstehen, dass die Buße des Herzens das Werk von Gott, dem Heiligen Geist, ist. David war bußfertig, weil der Heilige Geist Einfluss auf ihn hatte. Nicht nur das: Er schrieb sein Gebet inspiriert durch den Heiligen Geist. Der Heilige Geist veranschaulicht in Psalm 51, wie er Buße in unseren Herzen hervorbringt. Behalten wir das im Hinterkopf, wenn wir uns den Psalm anschauen.

Barmherzigkeit benötigt

Psalm 51 beginnt so: „O Gott, sei mir gnädig nach deiner Güte; tilge meine Übertretungen nach deiner großen Barmherzigkeit!“ (Ps 51,3). Hier sehen wir einen grundlegenden Bestandteil von Buße. Normalerweise setzt ein Mensch, dem seine Sünde bewusst wird und der sich von ihr abwendet, alles auf die Barmherzigkeit Gottes. Die erste Frucht echter Buße ist die Erkenntnis, wie sehr wir Barmherzigkeit nötig haben. David bittet Gott nicht um Gerechtigkeit. Er weiß: Wenn Gott mit ihm gemäß seiner Gerechtigkeit handeln würde, dann würde er sofort vernichtet werden. Deshalb beginnt David sein Bekenntnis mit einem Flehen um Barmherzigkeit.

„Wir bitten nicht nur um Vergebung, sondern auch um die Kraft, uns in Zukunft von dieser Sünde fernzuhalten.“
 

Wenn David Gott darum anfleht, seine Vergehen zu tilgen, dann bittet er Gott, den Schandfleck von seiner Seele zu entfernen, seine Ungerechtigkeit zu bedecken und ihn von der Sünde zu reinigen, die ein beständiger Teil seines Lebens ist. Er sagt also: „Wasche mich völlig rein von meiner Schuld und reinige mich von meiner Sünde“ (Ps 51,4).

Die Konzepte Vergebung und Reinigung sind miteinander verwandt, aber sie sind nicht dasselbe. Im Neuen Testament schreibt der Apostel Johannes: „Wenn wir aber unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit“ (1Joh 1,9). In einem bußfertigen Geist gehen wir zu Gott und bekennen unsere Sünden. Wir bitten nicht nur um Vergebung, sondern auch um die Kraft, uns in Zukunft von dieser Sünde fernzuhalten. Wie David es in diesem Psalm tut, bitten wir darum, dass unsere Neigung zum Bösen ausgelöscht wird.

Von Schuld zermürbt

David macht weiter: „denn ich erkenne meine Übertretungen, und meine Sünde ist allezeit vor mir“ (Ps 51,5). Das ist nicht nur ein beiläufiges Schuldeingeständnis. Er wird heimgesucht. Er sagt: „Ich weiß, dass ich schuldig bin.“ Er kann seine Schuld nicht verniedlichen und auch keinen Versuch einer Selbstrechtfertigung unternehmen. Wir hingegen sind oft Meister darin, uns zu rechtfertigen und zu erklären. Wir sind schnell dabei, uns selbst zu entschuldigen, indem wir alle möglichen Gründe für sündiges Verhalten liefern. In diesem Text wird David hingegen durch die Kraft des Heiligen Geistes an einen Punkt gebracht, an dem er ehrlich vor Gott ist. Er bekennt seine Schuld und erkennt, dass seine Sünde allgegenwärtig ist. Er kann sie nicht loswerden, und das verfolgt ihn.

Dann ruft er aus: „An dir allein habe ich gesündigt und getan, was böse ist in deinen Augen“ (Ps 51,6a). Einerseits verwendet David hier eine Übertreibung. Er hat fürchterlich gegen Uria, Urias Familie und Freunde, Bathseba und die ganze Nation des Volkes Gottes gesündigt. David versteht jedoch, dass die Sünde letztlich ein Angriff gegen Gott ist, weil Gott das einzige vollkommene Wesen im Universum ist. Weil Gott der Richter des Himmels und der Erde ist, wird jede Sünde hinsichtlich der Übertretung des Gesetzes Gottes definiert und ist ein Angriff gegen seine Heiligkeit. David weiß das und erkennt es an. Er redet nicht die Realität seiner Sünde gegen Menschen klein, sondern erkennt die letztendliche Ausrichtung seiner Sünde gegen Gott.

Gerechtigkeit ermangelt

Dann trifft er eine Aussage, die oft übersehen wird. Sie findet sich in der zweiten Hälfte von Vers 4 und ist eine der stärksten Ausdrucksformen wahrer Buße, die wir in der Schrift finden: „damit du recht behältst, wenn du redest, und rein dastehst, wenn du richtest“ (Ps 51,6b). David sagt im Grunde: „Oh Gott, du hast jedes Recht, mich zu richten, und es ist klar, dass ich nichts als dein Gericht und deinen Zorn verdient habe.“ David erkennt an, dass Gott schuldlos ist und jedes Recht hat, ihn zu verurteilen. Es gibt kein Feilschen oder Verhandeln mit Gott.

„Siehe, in Schuld bin ich geboren, und in Sünde hat mich meine Mutter empfangen. Siehe, du verlangst nach Wahrheit im Innersten: so lass mich im Verborgenen Weisheit erkennen!“ (Ps 51,7–8). Gott will nicht nur die Wahrheit von uns wissen, er will sie aus der Tiefe unseres Herzens wissen. David erkannte an, dass er darin versagte, das zu tun, was Gott geboten hat, und dass sein Gehorsam oft bloße äußerliche Zeremonie ist anstelle von Taten, die dem Kern seines Wesens entspringen.

Auf Reinigung angewiesen

Dann bittet David wieder um Reinigung: „Entsündige mich mit Ysop, so werde ich rein; wasche mich, so werde ich weißer als Schnee!“ (Ps 51,9). Wir können die völlige Hilflosigkeit in Davids Stimme hören. David sagt nicht: „Gott, warte kurz. Bevor ich dieses Gespräch im Gebet fortsetze, muss ich meine Hände waschen. Ich muss mich waschen.“ David weiß, dass er unfähig ist, den Schandfleck seiner Schuld von sich selbst zu entfernen. Er kann ihn nicht wiedergutmachen. Wir müssen uns David zur Seite stellen und ebenfalls anerkennen, dass wir unsere eigenen Sünden nicht sühnen können.

Durch den Propheten Jesaja gab Gott lange danach ein Versprechen: „Kommt doch, wir wollen miteinander rechten!, spricht der HERR. Wenn eure Sünden wie Scharlach sind, sollen sie weiß werden wie der Schnee; wenn sie rot sind wie Karmesin, sollen sie weiß wie Wolle werden“ (Jes 1,18). Es gefällt Gott, uns zu waschen, wenn er uns im Dreck findet.

Freude herbeigesehnt

David sagt weiter: „Lass mich Freude und Wonne hören“ (Ps 51,10a). Buße ist etwas äußerst Schmerzhaftes. Wem gefällt es, seine Sünde zu bekennen und seine Schuld anzuerkennen? Schuld ist der größtmögliche Zerstörer von Freude. David geht es in diesem Augenblick nicht gut, doch er bittet Gott, seine Seele zu erneuern, und ihn wieder Fröhlichkeit und Freude empfinden zu lassen. Er bringt das mit folgender Aussage auf den Punkt: „damit die Gebeine frohlocken, die du zerschlagen hast“ (Ps 51,10b). Ist das nicht eine interessante Aussage? Er sagt: „Gott, du hast mich zerschlagen. Meine Knochen sind zerbrochen. Es war nicht Satan, oder Nathan, die mir die Knochen gebrochen haben. Sondern du hast mir die Knochen gebrochen, als du mich von meiner Schuld überführt hast. Ich stehe also als gebrochener Mann vor dir, und die einzige Möglichkeit, wie ich weitermachen kann, ist, dass du mich heilst und Fröhlichkeit und Freude zu mir zurückbringst.“

Nach Gottes Angesicht verlangend

Als Nächstes sagt er: „Verbirg dein Angesicht vor meinen Sünden und tilge alle meine Missetaten! Erschaffe mir, o Gott, ein reines Herz, und gib mir von Neuem einen festen Geist in meinem Innern!“ (Ps 51,11–12). Die einzige Möglichkeit eines reinen Herzens gibt es durch das Werk göttlicher Neuschöpfung. Ich bin unfähig, dies in mir selbst zu erschaffen. Nur Gott kann ein reines Herz erschaffen, und er erschafft reine Herzen, indem er unsere Sünde tilgt.

„Das Bußgebet ist für den Gläubigen jedoch eine Zuflucht. Es ist die gottesfürchtige Antwort eines Menschen, der weiß, dass er in Sünde ist.“
 

David ruft dann aus: „Verwirf mich nicht von deinem Angesicht, und nimm deinen heiligen Geist nicht von mir“ (Ps 51,13). David erkennt, dass dies das Schlimmste ist, was einem Sünder passieren kann. Er weiß, dass Gott uns tatsächlich von seinem Angesicht verwerfen wird, wenn wir in der Unbußfertigkeit verharren. Jesus warnt davor, dass jene, die ihn ablehnen, für immer und ewig von Gott getrennt sein werden. Das Bußgebet ist für den Gläubigen jedoch eine Zuflucht. Es ist die gottesfürchtige Antwort eines Menschen, der weiß, dass er in Sünde ist. Diese Art von Antwort sollte das Leben all derer kennzeichnen, die bekehrt sind.

Vergebung erbeten

David fährt fort: „Gib mir wieder die Freude an deinem Heil, und stärke mich mit einem willigen Geist! Ich will die Abtrünnigen deine Wege lehren, dass sich die Sünder zu dir bekehren“ (Ps 51,14–15). Oft hören wir, dass Menschen nicht gern in der Nähe von Christen sind, weil Christen eine selbstgefällige, selbstgerechte, ach so tugendhafte „Ich bin heiliger als du“-Aura verbreiten, doch das sollte nicht so sein. Christen haben nicht den geringsten Grund zur Selbstgefälligkeit. Wir sind nicht gerechte Menschen, die versuchen, die Ungerechten zu korrigieren. Ein Prediger sagte es folgendermaßen: „Evangelisation ist, wenn ein Bettler einem anderen Bettler sagt, wo man Brot bekommen kann.“ Der Hauptunterschied zwischen dem Gläubigen und dem Ungläubigen ist Vergebung. Es gibt nur eine Sache, die einen Menschen dazu qualifiziert, ein Diener im Namen Christi zu sein: Dass er Vergebung erlebt hat und anderen davon erzählen will.

Zerbrochenheit bekannt

„Herr, tue meine Lippen auf, damit mein Mund dein Lob verkündige! Denn an Schlachtopfern hast du kein Wohlgefallen, sonst wollte ich sie dir geben; Brandopfer gefallen dir nicht. Die Opfer, die Gott gefallen, sind ein zerbrochener Geist; ein zerbrochenes und zerschlagenes Herz wirst du, o Gott, nicht verachten.“ (Ps 51,17–19). Hier finden wir das Herz und die Seele der Buße. Das wahre Wesen gottesfürchtiger Buße liegt im Ausdruck „ein zerbrochenes und zerschlagenes Herz wirst du, o Gott, nicht verachten“. David sagt, dass er seine eigenen Sünden sühnen würde, wenn er es nur könnte, aber seine einzige Hoffnung liegt darin, dass Gott ihn gemäß seiner Barmherzigkeit annimmt.

„‚Evangelisation ist, wenn ein Bettler einem anderen Bettler sagt, wo man Brot bekommen kann.‘“
 

Die Bibel sagt uns explizit und zeigt uns implizit, dass Gott den Hochmütigen widersteht und den Demütigen Gnade gibt. David weiß, dass es so ist. So zerbrochen er auch ist, kennt er dennoch Gott und weiß, wie Gott sich auf bußfertige Menschen einlässt. Er versteht, dass Gott ein zerbrochenes und zerschlagenes Herz niemals hasst oder verachtet. Genau das ist es, was Gott sich von uns wünscht. Das hatte Jesus in den Seligpreisungen im Sinn, als er sagte: „Glückselig sind die Trauernden, denn sie sollen getröstet werden!“ (Mt 5,4). In diesem Text geht es nicht einfach um die Trauer über den Verlust eines geliebten Menschen, sondern auch um die Trauer, die wir erleben, wenn wir von unserer eigenen Sünde überführt werden. Jesus versichert uns, dass Gott uns durch seinen Heiligen Geist trösten wird, wenn wir über unsere Sünde trauern.

Auswendig gelernt

Ich würde jedem Christen empfehlen, Psalm 51 auswendig zu lernen. Er ist ein vollkommenes Muster gottesfürchtiger Buße. Sehr oft in meinem Leben bin ich zum Herrn gekommen und habe gesagt: „Erschaffe in mir ein reines Herz, oh Gott“, oder: „Tilge meine Übertretungen. Reinige mich mit Ysop. Wasche mich und reinige mich.“ Viele Male habe ich gebetet: „Oh Herr, erneuere in mir die Freude deines Heils“, und habe ausgerufen: „Gegen dich, gegen dich allein habe ich gesündigt“. Wenn wir überwältigt sind von der Wirklichkeit unserer Schuld, dann fehlen uns oft die Worte, um unsere Bußfertigkeit vor Gott auszudrücken. Es ist wirklich ein Segen, in diesen Momenten die Worte der Schrift selbst auf unseren Lippen zu haben.