
Timothy Keller: His Spiritual and Intellectual Formation
Timothy Keller ist manchen von uns durch seine Bücher bekannt. Umso interessanter ist es, etwas über seinen Hintergrund und Werdegang zu erfahren. Ebendieser Aufgabe hat sich der leitende Redakteur der Gospel Coalition, Collin Hansen, angenommen.
In dieser Besprechung werfe ich sechs Schlaglichter auf Kellers Entwicklung. Ich beginne mit einigen Ereignissen, die ihn berühmt machten, und gehe dann zurück zu seinem ersten Gemeindedienst. Von dort zieht sich die Spur zum Elternhaus und zur Studentenzeit zurück. Im späteren Leben sind drei Impulsgeber auszumachen: ein Mentor, seine Ehefrau Kathy sowie eine Reihe von Autoren. Dann blende ich auf die schwierige Entscheidung, mit 40 Jahren nach New York zu wechseln, und werfe einen Blick auf seine bahnbrechende Lebensarbeit, das Evangelium im Gegenwartskontext zu predigen.
Erst spät in den Scheinwerfer öffentlicher Aufmerksamkeit gerückt
Wer erlebte die Terroranschläge am 11. September 2001 in New York aus nächster Nähe und sprach nachher in einem Gottesdienst, dessen Besucherzahl sprunghaft von 2.800 auf 5.400 anwuchs, über Jesu Tränen und Zorn anlässlich von Lazarus’ Tod in Johannes 11?[1]
Wer nützte die Hochzeit einer leitenden Mitarbeiterin während eines Gottesdienstes als Gelegenheit, um über die übersteigerten romantischen Erwartungen an die Ehe ebenso zu sprechen wie über die Leiden einer Verschmähten, nämlich Jakobs erster Frau Lea (vgl. 1Mose 29)?[2]
Wer setzte mit seinem Ringen, Menschen in Großstädten mit dem Evangelium zu dienen, neue Maßstäbe? Mit seinem prägenden Vortrag „Gospel-Centered Ministry“ im Jahr 2007 im Rahmen seines ersten Beitrags an einer Gospel Coalition-Konferenz sprach Timothy Keller nicht nur über verändernde Auswirkungen der Botschaft, die jeden Bereich unseres Lebens berührt. Er begann auch mit der historisch verankerten Realität der Menschwerdung und Auferstehung Jesu auf der Grundlage von 1. Petrus 1 und 2 sowie der Notwendigkeit der Wiedergeburt.[3]
Sämtliche Predigten vom Beginn 1989 bis zum altersbedingten Rücktritt als Hauptpastor der Redeemer Presbyterian Church im Jahr 2017 sind verschriftlicht und lassen sich mühelos nach Stichworten oder Bibeltexten durchsuchen.[4] Keller, der nach 2008 mit dem Bestseller The Reason for God: Belief in an Age of Skepticism auch in Europa mehr und mehr ins Scheinwerferlicht öffentlicher Aufmerksamkeit rückte, ging damals bereits auf die 60 zu. Er war sich zudem bewusst, dass das Buch trotz der Resonanz zentrale Fragen nicht ansprach, welche gesellschaftlich nur kurz nach dessen Erscheinen in den Vordergrund rückten: Moral und Werte. Er scheute sich jedoch nicht, ein weiteres Buch Glauben wozu? Religion im Zeitalter der Skepsis nachzuschieben.[5]
Zugerüstet in einem kleinen Arbeiterstädtchen in der Provinz
Keller wurde erst 2007 von D.A. Carson bei der Gründung der Gospel Coalition einem größeren Publikum außerhalb seiner eigenen Denomination bekannt gemacht.[6] Während neun Jahren diente er zwischen 1975 und 1984 in einer kleineren Gemeinde mit anfänglich etwas über 100 Gottesdienstbesuchern der West Hopewell Presbyterian Church. Hopewell war ein Städtchen mit Schwerindustrie und den üblichen Problemen von Arbeiterfamilien. Keller hielt während dieser Zeit nicht weniger als 1.500 Predigten über drei Viertel der gesamten Bibel. Seine mühevolle Arbeit lehrte ihn, auf Menschen jeden Alters ohne Tertiärbildung einzugehen – und sie vor allem zu besuchen und mit ihnen mitzuleiden. So begegnete er tragischen Unfällen und Krankheiten, dem Elend des Alkoholismus und zerrütteter Ehen. Bei einem Jubiläum viele Jahre später konnte sich kein einziger Teilnehmer mehr an seine Predigten erinnern, sehr wohl jedoch an seine Hausbesuche und Momente gemeinsam durchlittenen Schmerzes. Ohne diese Erfahrungen, so Hansen, hätte er nie einen derartigen Tiefgang und Gegenwartsbezug entwickeln können.
Eine dominante Mutter und eine intensive Studentenzeit
Mütter machen Männer. Und sie formen sie nicht immer so, wie es ein Lehrbuch für Erziehung empfehlen würde. Heute würde man Kellers Mutter vielleicht als „Helikoptermutter“[7] etikettieren. Der passive Vater überließ der italienischstämmigen, impulsiven Frau das gesamte Feld der Erziehung. Ursprünglich katholisch aufgewachsen, transferierte Mama Keller zu einer evangelikal-lutherischen Denomination. Sie wurde zu einer umtriebigen Stütze der Kirchgemeinde und prägte als Sonntagschullehrerin die Heranwachsenden. Gleichzeitig setzte sie nicht nur zahlreiche Erwartungen und Hoffnungen in ihren ältesten Sohn, sondern verlieh ihm durch die intensive verbale Auseinandersetzung rhetorische Fähigkeiten, die er später als Pastor einsetzen konnte.
„Bei einem Jubiläum viele Jahre später konnte sich kein einziger Teilnehmer mehr an seine Predigten erinnern, sehr wohl jedoch an seine Hausbesuche und Momente gemeinsam durchlittenen Schmerzes. Ohne diese Erfahrungen hätte er nie einen derartigen Tiefgang und Gegenwartsbezug entwickeln können.“
Wenn Keller später vom „Subtext“ der Predigt als der untergründig vermittelten Botschaft spricht[8], könnte man dies auf das Elternhaus beziehen. Die Betonung der menschlichen Leistung und den Fortschritten auf dem Weg zu einem sündlosen Leben verlieh der Glaubensvermittlung im Hause Keller eine legalistische Note. Es ist also kein Wunder, dass Keller später stets darauf bedacht war, sowohl den Moralismus als auch den Relativismus als Diebe des Evangeliums zu entlarven.[9]
Die Studentenzeit spielte bei Keller eine überaus wichtige Rolle. Er kam nicht nur in Kontakt mit prägenden Autoren, sondern führte in den Jahren der Studentenunruhen auf dem Campus zahlreiche Gespräche und war bei InterVarsity als geistlichem Studenten-Zuhause überaus aktiv und engagiert. Zu meinen neuen Erkenntnissen durch das Lesen des Buches gehört, dass Keller in dieser Lebensphase noch nicht die Bedeutung der Gemeinde erkannt hatte, jedoch viel vom „Spirit“ der Studentengruppe in die spätere Gemeindegründung in New York transferierte.
Der Allmächtige führte Keller durch drei reformierte „Subkulturen“:[10] Den pietistischen Arm mit dem Schwerpunkt Gebet und Erweckung durchlebte Keller während seiner College-Zeit. Im Rahmen seines Masterstudiums am Gordon-Conwell Seminary erfuhr er die Implikationen eines Kultur-zugewandten Teils. In den Reihen der zu Beginn seines Dienstes neu gegründeten PCA (Presbyterian Church in America) lernte er die „Doktrinalisten“ mit dem systematischen Schwergewicht der Lehre kennen.
Ein leibhaftiger Mentor, eine starke Frau an der Seite und Impulse durch zahlreiche Bücher
Hansen hebt hervor, dass Keller zeitlebens nur einen leibhaftigen Förderer hatte: Edmund Clowney (1917–2005), Professor für Praktische Theologie am Westminster Seminary ab 1952 und von 1966 bis 1984 dessen Präsident. Durch Clowneys Predigt an der Bucknell University im prägenden Alter von 21 Jahren wurde Keller der Zugang zur Heilsgeschichte, zum Alten Testament und zur Christus-zentrierten Predigt geöffnet. Die erste Begegnung war jedoch von einem anderen späteren Markenzeichen Kellers geprägt: der Anbindung an aktuelle kulturelle Fragen. Clowney verstand es, die existenzielle „Welle“, die in den frühen 1970ern durch die Universitäten des Westens flutete, aufzugreifen und aus der biblischen Weltsicht in einen Zusammenhang zu stellen.[11] Ergänzend muss hinzugefügt werden, dass die Missionarin Elisabeth Elliot durch ihren Dienst am Gordon-Conwell Seminary für Tim und Kathy in der Frage der Rollenverteilung der Geschlechter die entscheidenden komplementaristischen[12] Impulse vermittelte. Zu lesen, wie Kathy vor versammelter Schar von 350 Pfarrern auf ihre Ordination verzichtete und sich damit öffentliche Häme zuzog, ist beeindruckend. Überhaupt darf an dieser Stelle nicht übergangen werden, dass Kathy, die lange als Lektorin arbeitete, sämtliche Predigten und Bücher kritisch kommentierte und lektorierte.
Auffällig durch die gesamte Schilderung ist der prägende Einfluss christlicher Autoren. Hier sind einmal die beiden wichtigen Vertreter einer evangelikalen Renaissance der 1960er und 70er, James I. Packer und John Stott zu nennen. Keller hörte sich zudem zu Beginn seines Dienstes in New York hunderte Predigten von Martyn Lloyd-Jones aus den 50ern und 60ern an. Er hatte offensichtlich keine Mühe, den evangeliumszentrierten Fokus von Lloyd-Jones mit dem ihm eigenen Stil anzupassen. Überhaupt hörte sich Keller über Zeiten intensiv Predigten anderer Pastoren an, so z.B. Dyck Lucas, sodass ihn seine Frau ermahnen musste, nicht zu viel zu übernehmen.
Es wäre unvollständig, die häufige Lektüre von C.S. Lewis Narnia-Chroniken sowie die Werke von J.R.R. Tolkien inkl. der posthum veröffentlichten Notizen unerwähnt zu lassen. Wiederum war es Kathy, die Timothy zuerst mit den Geschichten in Kontakt brachte. Sie zählen zu den wichtigsten literarischen Einflüssen. Zitate tauchten sowohl in Predigten als auch in Büchern immer wieder auf. Keller war auch beeinflusst von den Puritanern, insbesondere John Owen sowie Jonathan Edwards.
Wider Willen nach New York
Timothy Keller ist in Europa vor allem durch seine Gemeindegründungsarbeit in New York nach 1989 bekannt geworden, dies jedoch erst durch die Erscheinung seines meistverkauften apologetischen Werkes The Resason for God (2008). Zu lesen, wie sich vor dem Umzug nach New York zahlreiche vielversprechende Türen schlossen und er selbst nicht nur überaus zögerlich, sondern unwillig war, dorthin zu ziehen, gehört zu den Höhepunkten des Buches. Gott hatte ihm zuvor einige glückliche Zwischenjahre am Westminster Theological Seminary in Philadelphia (1984–1989) geschenkt, wo er keine direkte pastorale Hauptverantwortung zu übernehmen hatte.
Ebenso berührend ist der Hinweis, dass in der anfänglichen Arbeit die treuen Gebete zahlreicher Frauen sowie kleine Spenden maßgeblich zur Stabilisierung beitrugen. Überhaupt ist das Buch ein Lehrstück für ein betendes Leben.[13] In diesem Zusammenhang sollte Jack Miller, Pastor in Philadelphia, genannt werden, dessen Ausführungen zum Gebet wesentlich zu Kellers Reifung in diesem Gebiet beitrugen.[14]
Es ist wahr, dass die Gemeinde sehr rasch anwuchs, nämlich in gut zwei Jahren auf 1.000 Besucher. Gott hatte den Boden zuvor bereits durch die evangelistische Arbeit einer reichen Witwe vorbereitet. Hansen verschweigt nicht, dass Keller zeitweise durch das Wachstum organisatorisch und führungsmäßig völlig überfordert war. Es war Keller von Beginn weg ein Anliegen, den jungen, hippen New Yorkern ebenso zu dienen wie den Armen. Auch nach der Lektüre bleibt mir ein Rätsel, wie der viel beschäftigte Pastor nebenher noch so viel lesen konnte und auch für Mitarbeiterschulungen Unterlagen von mehreren Dutzend Seiten vorbereitete.
Nachhaltig verankert
Alles kam mit der Zeit. Das Studium des Religionssoziologen Charles Taylor sowie der Kulturkritiker Philipp Rieff, Alasdair MacIntyre und George Bellah kamen durch die Dogwood Fellowship nach 2008 zustande. Sie tauchten erst in den letzten Jahren des offiziellen Pastorendienstes in den Predigten und Vorträgen auf. Es ist die Zeit, in der auch ich mit Timothy Kellers Büchern vertraut wurde und begierig in denselben Quellen zu trinken begann.
Das Herzstück von Kellers Kulturapologetik ist seine aktualisierte Fassung des Götzendienstes.[15] Die Abwendung vom primären Ziel der Verherrlichung Gottes und die Suche nach einem materiellen oder nichtmateriellen Ersatz innerhalb seiner Schöpfung prägt auch das 21. Jahrhundert und den säkularisierten Westen. Was hat das Christentum der Gesellschaft des Westens im 21. Jahrhundert zu bieten? Der bemerkenswerte Vortrag an einem Parlamentarierfrühstück in Großbritannien ist ein Ausfluss der intensiven Beschäftigung Kellers mit den Denkvoraussetzungen des nach-christlichen Westens.[16] Keller antizipierte die Zukunft, die dem Christentum zunehmend feindlicher gegenüberstehen würde:
„Wir betreten eine neue Ära. Christ zu sein bringt nicht nur keinen sozialen Nutzen mehr, sondern es kostet tatsächlich einen sozialen Preis. Vielerorts wird unsere Kultur zunehmend glaubensfeindlich und bei immer mehr Menschen schwindet der Glaube an Gott, Wahrheit, Sünde und das Leben nach dem Tod. Unsere Kultur produziert somit Leute, für die das Christentum nicht nur anstößig ist, sondern schlichtweg unbegreiflich.“[17]
Diese Prognose ist in letzter Zeit aufgegriffen und zugespitzt worden. Ein Artikel von John R. Wood stellt die These auf, dass Keller noch zu wenig weit in diese Richtung gedacht und gelebt habe.[18] Natürlich braucht es eine neue Generation, die das kulturapologetische Anliegen, wie es Keller mit Energie über Jahrzehnte vorangetrieben hat, aufgreift.
Fazit
Es mag sein, dass Hansen selbst etwas zu unkritisch bleibt in Belangen, die Kellers langfristigen Einfluss kritisch beleuchtet. Dies gibt er selbst im Nachwort zu. Hansen hält seit 2007 durch seine Tätigkeit bei der Gospel Coalition engsten Kontakt. Eine kritische Biographie steht demnach aus. Mir hat der Fokus auf der geistlichen Entwicklung überaus gefallen und mir eine Menge Anregungen für meinen weiteren Weg gegeben. Ich empfehle sie jedem Christen, der – wie Keller mit knapp 40 Jahren – vor einer wichtigen Entscheidung oder vor einem anspruchsvollen Lebensabschnitt steht. Keller war es damals (um die Zeit seines Wechsels nach New York) so wichtig zu lernen, dass er bereit war, sich trotz dichtem Programm wöchentlich mit Menschen zu treffen, die 20 Jahre jünger waren als er! Wer mit einer solch lernenden Haltung an dieses Buch herangeht, wird mit Garantie bereichert werden.
Buch
Collin Hansen, Timothy Keller: His Spiritual and Intellectual Formation, Grand Rapids: Zondervan, 2023, 320 Seiten, ca. 17 EUR, auch als Hörbuch verfügbar.
[1] https://podcast.gospelinlife.com/e/truth-tears-anger-and-grace/ (Stand: 21.02.2023).
[2] https://gospelinlife.com/downloads/the-girl-nobody-wanted/ (Stand: 21.02.2023).
[3] https://www.thegospelcoalition.org/conference_media/gospel-centered-ministry/ (Stand: 21.02.2023).
Bei den hier aufgeführten drei Predigten handelt es sich um ausgewählte Ansprachen, die als Bonusmaterial im Anhang des Hörbuchs mit aufgenommen sind. Ich empfehle alle drei zum aufmerksamen Anhören.
[4] Siehe https://www.logos.com/product/207157/timothy-keller-sermon-archive-1989-2017 (Stand: 21.02.2023).
[5] Meine ausführliche Rezension erschien 2018 unter dem Titel „Tief verinnerlichte säkulare Denk-Bahnungen“, http://biblipedia.de/2018/09/13/tief-verinnerlichte-saekulare-denk-bahnungen/ (Stand: 21.02.2023).
[6] „Carson stellte ihn den anderen Pastoren 2005 als relativ Unbekannten vor, was vor allem an seiner starken Konzentration auf Redeemer lag. Als er 2006 von der New York Times porträtiert wurde, als Redeemer über 4.400 Besucher zählte, hatte Keller außerhalb der Stadt noch keine große Aufmerksamkeit erregt. Er hatte noch keine Bestseller-Bücher veröffentlicht, und die erste nationale Konferenz von TGC fand erst ein Jahr später im Mai 2007 statt. Keller war vor allem unter Gemeindegründern und in der PCA bekannt“ (S. 170).
[7] Joseph Kraus, langjähriger Vorsteher des deutschen Lehrerverbandes, prägte den Begriff durch sein Buch Helikopter-Eltern: Schluss mit Förderwahn und Verwöhnung.
[8] „Dieser Subtext ist die Botschaft hinter der Botschaft – das, was wir (bewusst oder unbewusst) ‚eigentlich‘ meinen, unterhalb der sprachlichen Oberfläche der Worte. … Was wir ‚eigentlich‘ meinen, signalisieren wir zu einem großen Teil durch solche Dinge wie unsere Stimmlage, Gestik und Mimik, und diese eigentliche Bedeutung kann sich selbstständig machen und unsere schöne Predigt ‚kapern‘.“ Keller führt dann drei Beispiele auf:
1. Der Subtext der gegenseitigen Bestärkung: „Es handelt sich um ein kommunikatives Ritual, mit dem wir unsere Gruppe von anderen abgrenzen und ein Gefühl der Sicherheit und des Dazugehörens schaffen. Ein Ritual ist es in dem Sinne, dass seine Hauptfunktion darin besteht, das Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken. … Viele Kirchgemeinden pflegen diesen Subtext der Identitätspflege, der eine Art ‚Torwächterfunktion‘ hat. Diese Gemeinden wollen es nicht, dass man sie hinterfragt oder ihnen Neues zumutet.“
2. Der Subtext der Selbstvermarktung: „Der Prediger versucht, seine Kompetenz zu demonstrieren und die ‚Produkte‘ seiner Gemeinde zu ‚verkaufen‘. … [D]er tiefere Sinn der Übung besteht darin, Menschen für die Gemeinde oder den ‚Verein‘ zu gewinnen.“ Scheinbar geht es um Gäste, indirekt jedoch mehr darum, die Insider zu stärken. Die rhetorischen Anforderungen an den Prediger sind hoch.
3. Der Subtext des Trainings für den Alltag: „Hier geht es darum, den Hörern Wissen zu vermitteln, damit sie ihr Leben entsprechend führen können – ‚Tipps für den Alltag‘ gewissermaßen. … Die Gemeindemitglieder wollen Informationen und Erkenntnisse bekommen, die sie bisher noch nicht hatten.“
Wenn der Subtext zum eigentlichen Hauptziel wird, „verliert unsere Predigt ihre lebendige Kraft, und wir werden nicht Christus ähnlicher, sondern immer selbstgefälliger“ (Timothy Keller, Predigen, Giessen/Basel: Brunnen, 2017, S. 189–193).
[9] Siehe mein Blogeintrag „Die beiden Diebe des Evangeliums“, https://hanniel.ch/2012/03/09/die-beiden-diebe-des-evangeliums/ (Stand: 21.02.2023).
[10] Diese Typologisierung geht auf Nicolas Wolterstorff zurück. Siehe Richard Mouw, Confessions of an Evangelical Pietist, https://biblicalstudies.org.uk/pdf/sbet/30-2_129.pdf (Stand: 21.02.2023).
[11] Interessanterweise kam Keller bereits in den College-Jahren mit den Vertretern der Frankfurter Schule in Berührung. „Keller stimmte mit einigen Kritikpunkten der amerikanischen bürgerlichen Gesellschaft überein“ (S. 14). Die fehlende Verbindung zu den sozialen Anliegen der Bürgerrechtsbewegung schmerzte Keller bereits in den Jugendjahren. Er würde zeitlebens ein entschiedener Befürworter für die soziale Frage bleiben – etwas, was ihm in manchen konservativen Kreisen einige Kritik eingebracht hat.
[12] Der Komplementarismus trifft folgende Grundannahme zu den Geschlechterrollen: Mann und Frau sind beide gleichwertig, jedoch mit einander ergänzenden Aufgaben ausgestattet. Siehe „Giving Thanks to God for Complementarians Tim & Kathy Keller“, https://cbmw.org/2014/03/27/giving-thanks-to-god-for-complementarians-tim-kathy-keller/ (Stand: 21.02.2023).
[13] Beten von Timothy Keller gehört zu seinen wichtigsten Hinterlassenschaften. Für eine ausführliche Rezension siehe https://theoblog.de/tim-keller-beten/28041/ (Stand: 21.02.2023).
[14] Mehr dazu siehe „Gospel movement: The role of prayer“, https://www.redeemer.com/redeemer-report/article/gospel_movement_the_role_of_prayer (Stand: 21.02.2023).
[15] Meine Erkenntnisse habe ich in „Beziehungsgötzen entlarven“ verarbeitet, siehe https://hanniel.ch/2017/02/01/kolumne-beziehungsgoetzen-entlarven/ (Stand: 21.02.2023).
[16] Zu meiner Zusammenfassung geht es unter https://hanniel.ch/2018/07/09/vortrag-was-hat-das-christentum-der-gesellschaft-des-westens-im-21-jahrhundert-zu-bieten/ (Stand 21.02.2023).
[17] Zum Artikel „Wie der Westen wieder erreicht werden kann“ siehe https://www.evangelium21.net/media/2062/wie-der-westen-wieder-erreicht-werden-kann (Stand: 21.02.2023).
[18] Er ist in die deutsche Sprache übersetzt: John R. Wood, „Warum ich mich von Tim Kellers Apologetik abgenabelt habe“, https://www.bucer.de/fileadmin/dateien/Dokumente/GlaubeundDenkenheute/GuDh030.pdf (Stand: 21.02.2023).