Wie Gemeinden heute Menschen in die Nachfolge rufen können
Der Missionsbefehl und das Gebot, alle Völker zu Jüngern zu machen, ist die Berufung der Gemeinde bis zur Wiederkehr von Jesus (vgl. Mt 28,18–20). Daher sollten Bekehrungen, die das ganze Leben verändern und in die Nachfolge Jesu führen, immer das Ziel von evangelikaler Missionsarbeit sein – ob im In- oder Ausland. In diesem Zusammenhang erbrachte eine Multi-Fallstudie über drei deutsche Gemeindegründungen mit hohem Wachstum durch Bekehrungen aufschlussreiche Ergebnisse. Dabei kamen fünf Muster zum Vorschein.[1] Sie ermutigen dazu, Brücken in unseren säkularen Kontext zu schlagen und Menschen in die Jüngerschaft Jesu zu rufen. Bestehende Gemeinden und Gründungsarbeiten können anhand dieser fünf Muster ihre eigene Gemeindearbeit analysieren und Strukturen schaffen, die Jüngerschaft in ihrem jeweiligen Umfeld fördern.
1. Vielfältige Glaubensverbreitung
Die drei Gemeindegründer in den Fallstudien machten sich durch ihr brennendes Verlangen, Menschen in die Jüngerschaft zu rufen, bemerkbar. Hierbei war es ihnen wichtig, das Evangelium auf vielfältige Weise weiterzugeben. Evangelistisch orientierte Events, die Christen mit Außenstehenden auf familiäre Art in Verbindung bringen, sind hierbei eine große Hilfe. Eine Idee ist etwa die Planung von gemeinsamen Geburtstagspartys durch Hauskreise, bei denen nicht nur Gemeindemitglieder eingeladen werden. Die Grenzen und Möglichkeiten hängen nur von der eigenen Kreativität und Begabungen innerhalb der Gemeinde ab. Durch solche Aktionen können Vorurteile von Menschen abgebaut werden. Jeder weiß, wie schwierig es ist, den Mut zu fassen, in eine bestehende Personengruppe hineinzukommen und sich unter lauter Fremden wohlzufühlen. Alle Mitglieder in der Gemeindegründung sollten hierbei Matthäus 28,18–20 beherzigen können und verinnerlichen, dass der Missionsbefehl nicht nur den „Profis“ gilt. Die Anweisung „geht nun hin“ in Vers 18 macht deutlich, dass die Berufung der Gemeinde Jesu immer in Bewegung nach außen steht – in die Welt der Menschen, die das Evangelium noch nicht kennen.
„Säkularen Menschen, denen klar wird, dass ihre heutige Kultur keine Antworten auf die wichtigsten Fragen im Leben bietet, sind auf der Suche nach Wahrheit und einer neuen, Lebens-schaffenden Quelle der Erkenntnis.“
Beim evangelistischen Brückenbauen in unser Umfeld müssen wir uns nicht für die Aussagen der Bibel schämen. Ganz im Gegenteil. Säkularen Menschen, denen klar wird, dass ihre heutige Kultur keine Antworten auf die wichtigsten Fragen im Leben bietet, sind auf der Suche nach Wahrheit und einer neuen, Lebens-schaffenden Quelle der Erkenntnis. Genau das bietet die Bibel vom ersten bis zum letzten Buchstaben. Gemeinden können freudig die ganze Schrift predigen oder etwa kostenlos Bibeln anbieten und zum persönlichen Bibellesen anregen. Die Schrift verspricht, dass das Wort Gottes nicht leer zurückkehren wird (vgl. Jes 55,11). Der Same des Wortes Gottes wird immer auch auf fruchtbaren Boden fallen, wenngleich der meiste Same daneben gehen wird (vgl. Mt 13,3–9).
2. Liebevolle Kontextualisierung
Säkularen Menschen sind Glaubensinhalte und Werte von biblisch-orientierten Gemeinden erst einmal unbekannt und auch egal. Deswegen ist es ungemein wichtig zu überdenken, wie man wieder Gehör finden kann und Glaubensinhalte sprachlich so vermittelt, dass man die Menschen unserer Zeit dort abholt, wo sie sich in ihrer bisherigen Weltanschauung befinden. Jesus war bereit, aufgrund seiner Liebe in unsere Welt zu kommen, die Begrenztheit unserer menschlichen Natur am eigenen Leib zu spüren und das ultimative Opfer am Kreuz für die Sühnung unserer Sünden zu geben. Er ging den ganzen Weg auf uns zu und holt uns dort ab, wo wir sind. Menschen, die sich auf diese Botschaft des Kreuzes für die Vergebung ihrer Schuld verlassen, werden mit Gott versöhnt und erhalten das ewige Leben (vgl. Joh 3,16–18).
In gleicher Weise beruft Gott uns dazu, uns völlig auf verlorene Menschen in ihrem Kontext einzulassen und kulturelle Vorlieben beiseitezulegen, damit nichts anderes als diese Botschaft des Kreuzes entweder Anstoß erregen oder Glauben bewirken kann. Dadurch werden unnötige, kulturell bedingte Barrieren abgebaut. „Denn die Liebe des Christus drängt uns“, sagt Paulus (2Kor 5,14). Deswegen ist er „allen alles geworden, damit ich auf alle Weise etliche rette“ (1Kor 9,22).
In diesem durch die Liebe Jesu bewirkten Eifer für die Kontextualisierung der christlichen Botschaft sind zwei Orientierungen notwendig. Erstens darf bei allen Bemühungen, den Glauben verständlich zu machen, das Zeugnis der liebevollen Einheit in der Ortsgemeinde nicht unterbewertet werden. Menschen ohne Jesus kennen bedingungslose Liebe nicht. Wenn Gemeinden es schaffen, Einheit im Gehorsam zu Gottes Wort und mit dem Band der Liebe auszuleben, hat dies eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf unser Umfeld. So etwas gibt es schließlich nicht ohne die Versöhnung in Christus. Hierbei darf Einheit nicht als Toleranz missverstanden werden. Jesus erlebt die völlige Einheit mit dem Vater nur im absoluten Gehorsam gegenüber seinem gesamten Willen (vgl. Joh 4,34). Er lädt uns ein, an dieser Gemeinschaft teilzuhaben und dadurch den Segen der Einheit auch zwischenmenschlich zu erfahren (vgl. Joh 17,21–23). Falls Jesus dem Vater jemals ungehorsam gewesen wäre, wäre diese Einheit in der Dreieinigkeit zerbrochen. Wer sich vom Gehorsam gegenüber Gottes klarem Wort abwendet, bewirkt also Uneinigkeit. Die Einheit, für die Jesus für uns betet, ist eine Einheit in völligem Gehorsam gegenüber Gottes Wort, so wie Jesus allezeit dem Vater gehorcht.
„Gott beruft uns dazu, uns völlig auf verlorene Menschen in ihrem Kontext einzulassen und kulturelle Vorlieben beiseitezulegen, damit nichts anderes als diese Botschaft des Kreuzes entweder Anstoß erregen oder Glauben bewirken kann.“
Zweitens ist es nicht nötig, die für das Verständnis des Evangeliums essentiellen Begriffe wie Sünde, Sühnetod oder Vergebung durch andere Begriffe zu ersetzen. Nur der Glaube an die frohe Botschaft des Kreuzes kann retten. Deswegen müssen diese Begriffe verkündet und erklärt werden. Die Aufgabe des Geistes Gottes ist es auch heute noch, „die Welt [zu] überführen von Sünde und von Gerechtigkeit und vom Gericht“, damit sie in Jesus Heil erlangen (Joh 16,8). Wie kann der Geist Gottes davon überführen, wenn wir nie darüber reden? Vielmehr hat Gott die Gemeinde Jesu berufen, genau diese Konzepte zu verkünden, damit der Geist Gottes Menschen überführen und ihnen ewiges Leben schenken kann. Menschen sind sehr wohl in der Lage, diese Begriffe zu verstehen. Wir müssen sie ihnen lediglich erklären, und das geht in wenigen Minuten. Die Akzeptanz dieser Glaubensinhalte liegt in der Hand des Geistes Gottes, der Kraft des Wortes Gottes und unserer liebevollen Hingabe zu verlorenen Menschen.
3. Klare Umkehr
Die untersuchten Gemeindegründungen luden klar und kontinuierlich zur Glaubensentscheidung und riefen nahtlos in die Jüngerschaft. Obwohl die Kirchenleiter betonten, dass die Bekehrung manchmal über einen langen Zeitraum und manchmal plötzlich geschieht, machten sie immer wieder deutlich, dass eine klare Umkehr vom alten Leben der Sünde zum neuen Leben der Nachfolge Christi notwendig ist.
Regelmäßige Aufrufe oder Erinnerungen an die Notwendigkeit des persönlichen Glaubens können auch an einzelne Elemente des Gottesdienstes – wie etwa das Abendmahl – geknüpft werden. Diese Glaubenseinladungen erinnern noch nicht gläubige Menschen an die Notwendigkeit einer persönlichen Umkehr und verhindern, das Christsein als Sozialisierungsprozess in eine neue Interessengemeinschaft misszuverstehen. Konkrete und direkte Ermutigungen zur Glaubensentscheidung behalten weiterhin ihre Bedeutung – auch im Kontext einer nachchristlichen Gesellschaft (vgl. 2Kor 5,20). Sowohl der Dienst Jesu als auch der Apostel zeichnete diese Art von deutlichen Aufrufen zur Bekehrung aus (vgl. Mk 1,15; Apg 2,38).
Die äußere Berufung durch die Verkündigung des Wortes Gottes geht der inneren Berufung des Bekehrten voraus und führt sowohl zur geistlichen Wiedergeburt durch Gott als auch zur menschlichen Antwort, also der Glaubensentscheidung. Ein herausragendes Beispiel ist Lydias Bekehrung in Apostelgeschichte 16,14: „[D]er Herr tat ihr das Herz auf, so daß sie aufmerksam achtgab auf das, was von Paulus geredet wurde.“
Bemerkenswert ist auch, dass die Gemeindegründungen in den Fallstudien die Bedeutung der Bekehrung verständlich darstellten. Die christliche Bekehrung beinhaltet sowohl die konkrete Abwendung von der eigenen Sünde durch die Buße als auch die Hinwendung zu Gott im Glauben an Jesus Christus, der stellvertretend für uns am Kreuz gestorben ist. Zum Beispiel nahm sich eine Gemeindegründung nach dem Gottesdienst Zeit für Menschen, die zum Glauben kommen wollten, um mit ihnen über konkrete Sünden zu sprechen, derentwegen sie Buße tun und die Vergebung in Jesus annehmen sollten. Diese Praxis machte das Verständnis von persönlicher Buße und dem Vertrauen in den Sühnetod Jesu für die Menschen von Anbeginn ihres neuen Glaubenslebens ganz konkret (vgl. Lk 24,46–49; Joh 1,12). Das klare Verständnis über die Bedeutung von Bekehrung schafft die Grundlage und ebnet den Weg in eine Jüngerschaft, die das ganze Leben betrifft und verändert.
4. Tiefgreifende Transformation
Alle drei Gemeindegründungen betonten die biblische Unterweisung als Grundlage und Nährstoff für Umkehr und Veränderung. Dabei waren die Gemeinden sehr unterschiedlich strukturiert, mit einem mehr oder weniger ausgeprägten Akzent auf spezielle Jüngerschaftsprogramme.
Biblische Unterweisung, die von einer wortwörtlichen Inspiration der Schrift ausgeht, schafft den Ausgangspunkt für Veränderungen im Leben von neuen Gläubigen, die sich nach biblischen Werten und Glaubensinhalten ausrichten. Nur wenn die Bibel als wahres Wort Gottes verstanden und geschätzt wird, ist ein tiefgreifender Übergang von einer säkularen zu einer biblischen Weltanschauung möglich. Hierbei kann Gott Menschen in ihrem Weltbild auf kognitiver und emotionaler Ebene verändern und zu Entscheidungen befähigen, die an biblischen Werten orientiert sind. In der Fallstudie kam zum Beispiel eine frisch im Glauben stehende Augenärztin zu dem Schluss, dass „die Bibel viel klüger ist, als wir denken“. Eine Studentin aus Berlin stellte fest, dass die Bibel absolut verlässlich ist, denn „das Wort Gottes bleibt und ist wahrer als die Wissenschaft“. Die Verkündigung des wahren Wortes Gottes stellt auch heute noch das Herzstück für eine tiefgreifende Nachfolge Jesu dar (vgl. 2Petr 3,14–18). Evangelikaler Glaube hat sich historisch gesehen immer durch die Bejahung der Bibel als absoluten Maßstab für Glauben und Leben ausgezeichnet.
„Reife Christen, die sich persönlich in neu bekehrte Menschen investierten, offenbarten sich als wichtigerer Faktor für die Anwendung der Bibel im Alltag als spezielle Programme oder organisatorische Strategien.“
In diesem Zusammenhang sehen sich Gemeindegründungen der Spannung ausgesetzt, zum einen treu an biblischen Wahrheiten festzuhalten und zum anderen den christlichen Glauben möglichst lebensnah für die Menschen vor Ort zu vermitteln. In diesem Prozess der Kontextualisierung muss immer die Heilige Schrift der maßgebliche Filter für die Kultur bleiben und nicht umgekehrt. Andernfalls werden kulturelle Werte die biblischen Vorgaben verdrängen und synkretistische Versionen der Jüngerschaft hervorbringen, in denen Menschen nur oberflächlich Christus ähnlicher gestaltet werden (vgl. Röm 8,29; 2Tim 3,16–17).
Ein weiterer, grundlegender Faktor für bleibende Veränderung im Leben waren sowohl formelle als auch informelle Mentoren-Beziehungen, durch die junge Gläubige angeleitet wurden, biblische Werte umzusetzen. Reife Christen, die sich persönlich in neu bekehrte Menschen investierten, offenbarten sich als wichtigerer Faktor für die Anwendung der Bibel im Alltag als spezielle Programme oder organisatorische Strategien (vgl. 1Thess 2,7–8). Wir kennen diese Strategie schon aus dem Leben von Jesus, der sich seinen Jüngern völlig widmete. So konnte sich dann der Aufruf Jesu an die Jünger bewahrheiten, dessen Umsetzung in Apostelgeschichte nacherzählt wird: „Folgt mir nach, und ich will euch zu Menschenfischern machen!“ (Mt 4,19).
5. Kontinuierliche Weiterverbreitung
Die drei Gemeindegründungen in den Fallstudien bemühten sich nicht nur darum, Neubekehrte für evangelistisches Wirken zu motivieren, sondern boten regelmäßige Aktionen an, um Außenstehende einzuladen. Gerade Menschen, die ganz neu im Glauben stehen, haben die Möglichkeit, in ihr schon bestehendes soziales Netzwerk hineinzuwirken und für den christlichen Glauben zu „werben“. Es fällt ihnen besonders leicht, Glaubensinhalte in einer Sprache zu vermitteln, die für Menschen ohne christlichen Hintergrund verständlich ist. Die Leidenschaft für den Missionsbefehl sollte also von Anbeginn als natürlicher Bestandteil der Nachfolge eingeübt werden. Wie schon vorher erwähnt: Die Jünger wurden schon ganz am Anfang ihrer Nachfolge von Jesus dazu berufen, „Menschenfischer“ zu werden.
Dabei sind soziale Medien heute zum A und O der Kommunikation im eigenen Freundeskreis geworden. Die Gute Nachricht kann schnell zur „schlechten“ Nachricht werden, wenn Freunde sich als Nichtgläubige und damit nicht gerettet und dem Gericht Gottes zugehend sehen. Es zeigt sich in der Praxis, dass junge Menschen diesem Konflikt oft ausweichen, indem sie zu Gemeindeveranstaltungen lieber online einladen, als die frohe Botschaft persönlich zu erklären.
Von Begebenheiten oder Erkenntnissen zu berichten, die man selbst im Glaubensleben erfährt und in Zitaten der Bibel wiederfindet (vgl. Mt 10,16), kann nützlich sein, um anderen den eigenen Glauben zu vermitteln. Diese persönlichen Erfahrungen online zu posten, schafft die Chance, dem Freundeskreis geistliche Wahrheiten auf weniger konfrontative Weise zu kommunizieren. Außerdem kann es hilfreich sein, Gespräche über den Glauben mit einer offenen Frage zu beginnen anstatt mit einer „Predigt“. Dies kann so aussehen: „Für mich ist der Glaube an Jesus das Allerwichtigste im Leben. Was denkst du eigentlich über geistliche Dinge und Gott?“ Durch eine solche Frage zeigt man sein eigenes, ernsthaftes Interesse an den Überzeugungen des Gegenübers. Wenn der Gesprächspartner über seine Glaubensüberzeugungen berichtet, bewirkt dies die Offenheit, selbst über den persönlichen Glauben zu erzählen. Da man nun schon einige Überzeugungen des Gegenübers kennt, ist es auch möglich, direkt auf offene Fragen oder Stolpersteine für den Glauben einzugehen.
Fazit
Die Grundmotivation des Missionsbefehls und das Anliegen dafür, dass Menschen sich bekehren, sollte jede Gemeindegründung von Anfang an durchdringen und strukturell mitbestimmen. Die Gemeinde Jesu ist immer dazu berufen, „hinzugehen“ (vgl. Mt 28,19) und nach außen in die Welt hinein orientiert zu sein, damit die frohe Botschaft verlorene Menschen erreichen kann. Das Augenmerk auf persönliche Bekehrungen zu legen, ist dabei keine Engführung, sondern der Kern der christlichen Mission. Dies war historisch gesehen immer schon ein markanter Grundpfeiler des evangelikalen Glaubens. Ohne echte Bekehrung und geistliche Wiedergeburt des Einzelnen wird Mission zu einem Trauerspiel. Menschen fangen dann vielleicht an, sich wie Christen zu verhalten, sind aber immer noch geistlich tot. Demgegenüber steht die unbeschreibliche Freude über jeden Menschen, der tatsächlich für das Himmelreich Gottes gewonnen werden kann. Möge diese Freude über die Errettung unserer Mitmenschen von der ewigen Verdammnis zum ewigen Leben in Christus Jesus unsere Gemeinden neu durchdringen und beleben (vgl. Lk 15,8–10).
[1] Frank Liesen, Conversion in Germany: An Analysis of Patterns of Diffusion in Evangelical Church Planting, Berlin: Peter Lang, 2022.
Das Buch ist ab August 2023 kostenlos als E-Book beim Verlag erhältlich, siehe: https://www.peterlang.com/document/1260615.