Was Christi Himmelfahrt für uns bedeutet

Artikel von Justin Dillehay
17. Mai 2023 — 10 Min Lesedauer

Du hast dir vielleicht noch nie Gedanken darüber gemacht, aber möglicherweise haben wir es hier mit einem der wichtigsten theologischen Themen zu tun.

Wir finden sie in der Bibel, im Apostolischen Bekenntnis und auch als Feiertag im Kirchenkalender: Die Rede ist natürlich von Christi Himmelfahrt (vgl. Lk 24,50–51; Apg 1,9–11).

Ich kann gar nicht genau sagen, warum wir Christi Himmelfahrt so sehr vernachlässigen. Vielleicht wird das Ereignis schlicht durch die Kreuzigung und Auferstehung in den Schatten gestellt. Vielleicht empfinden wir eine Art Scham, weil die Geschichte doch ein wenig an Superman erinnert, der in den Himmel fliegt. Ganz gleich warum, ich fürchte, dass wir den Wert der Himmelfahrt nicht genug schätzen, weder in seiner Bedeutung für die Erlösungsgeschichte noch in der Auswirkung auf den christlichen Alltag.

Hier sind vier Gründe, warum Christi Himmelfahrt auch heute noch für uns von Bedeutung ist.

1. Die Himmelfahrt erklärt die Abwesenheit Christi

Wenn Jesus tatsächlich tot wäre, bedürfte seine Abwesenheit keiner Erklärung. (Schließlich wundert sich auch niemand von uns, warum wir Petrus, Paulus oder Julius Caesar noch nie zu Gesicht bekommen haben.) Aber Jesus ist nun mal nicht tot und so bedarf seine Abwesenheit einer Erklärung.

Wir lieben und preisen einen Mann, den wir noch nie gesehen haben. Und nicht nur wir Christen im 21. Jahrhundert. Dasselbe galt für viele Christen des 1. Jahrhunderts. So schreibt Petrus den Gemeinden in Kleinasien: „Ihn liebt ihr, obgleich ihr ihn nicht gesehen habt“ (1Petr 1,8).

„Aber Jesus ist nun mal nicht tot und so bedarf seine Abwesenheit einer Erklärung.“
 

Diese bittersüße Realität ist so offensichtlich, dass wir sie für allzu selbstverständlich nehmen. Und dennoch: Ohne die Himmelfahrt wäre sie gar nicht so selbstverständlich. Jesus ist heute lebendiger als an dem Tag vor über 2.000 Jahren, als er Lazarus zum Leben erweckte. Trotzdem hat es bis heute in der Christenheit noch keine Pilgerfahrt gegeben, um Jesus persönlich zu sehen, und ich kenne auch keine internationalen Tourneetermine, bei denen Jesus seine Gemeinde besucht – und das aus gutem Grund: 40 Tage nach seiner Auferstehung fuhr Jesus in den Himmel auf.

Die Himmelfahrt hat eine Spannung geschaffen, die die Christenheit seit über zwei Jahrtausenden erlebt: „Solange wir im Leib daheim sind, sind wir nicht daheim bei dem Herrn“ (2Kor 5,6–9). Jesus ist zwar immer bei uns (vgl. Mt 18,20; 28,20), nicht aber im vollen und finalen Sinne. Genauso wie die Engel vor dem leeren Grab sagen konnten: „Er ist nicht hier; er ist auferstanden“ (Mt 28,6), konnten sie schließlich sagen: „Er ist nicht hier; er ist gen Himmel gefahren.“

2. Die Himmelfahrt setzt Jesus zur Rechten des Vaters auf den Thron

Bei der Himmelfahrt geht es weniger darum, was Jesus auf der Erde verließ. Vielmehr liegt die Bedeutung auf dem, wohin er ging und zu welchem Zweck. Ich habe das eben als „bittersüß“ bezeichnet und mich auf den bitteren Part konzentriert. Himmelfahrt ist für uns, die wir Christus lieben, aber gleicherweise süß. Denn Jesus ging nach Hause, zurück zu seinem Vater, zurück an den Ort, wo er in glorreicher Liebe von Ewigkeit her gewohnt hatte (vgl. Joh 1,1.18; 13,1; 17,5.11.13.23). Dieses Mal erschien er jedoch mit den Schlüsseln des Totenreiches in seiner Hand (vgl. Offb 1,18). Man möge sich nur einmal die Begrüßungsfeier vorstellen!

Aber Jesus kam nicht nur nach Hause. Jesus wurde auf den Thron gesetzt. Immer wieder spricht die Bibel davon, dass die Himmelfahrt damit endet, dass Jesus „sich zur Rechten des Vaters setzt“ (Ps 110,1; vgl. Apg 2,33–34; Eph 1,20; 1Petr 3,22). Der Sitz, von dem hier die Rede ist, ist natürlich kein üblicher Sitz. So sagt Jesus der Gemeinde in Laodizea: „wie auch ich überwunden habe und mich mit meinem Vater auf seinen Thron gesetzt habe“ (Offb 3,21).

Doch wie hat er überwunden? Durch seinen Tod und die Auferstehung. Das sehen wir deutlich in Offenbarung 5,5–6, wo der Löwe als Lamm gesehen wird, das, obwohl es geschlachtet wurde, jetzt steht. Dieser Bezug zum stehenden Jesus ist kein Konflikt mit den vielen Verweisen auf den Jesus, der auf dem Thron sitzt. Es soll vielmehr zeigen, dass Jesus am Leben ist, da geschlachtete Lämmer üblicherweise nicht mehr stehen. Es ist die Himmelfahrt, die Jesus genau dahin bringt, wo Johannes ihn sieht: in den himmlischen Thronsaal, inmitten von Ältesten, lebendigen Wesen und Heiligen, die alle Christus und seinen Vater anbeten (vgl. Offb 5,6–14).

Die im Neuen Testament am häufigsten zitierte Stelle aus dem Alten Testament ist Psalm 110,1: „Der HERR sprach zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde hinlege als Schemel für deine Füße!“ Die Himmelfahrt erklärt, wie er dahin gekommen ist (vgl. Apg 2,33–34). Es zeigt, was ihn als König auf den Thron gebracht hat, inmitten der Feinde herrschend (vgl. Ps 110,1).

3. Die Himmelfahrt erlaubt es Christus, sein Priesteramt für uns auszuüben

Psalm 110 verdeutlicht aber auch, dass die Himmelfahrt mit dem Priesteramt Christi zu tun hat (vgl. Ps 110,4). Wenn wir an das hohepriesterliche Amt Christi denken, kommt uns natürlicherweise sein Opfertod am Kreuz in den Sinn. Das ist sicher auch richtig. Das Kreuz ist von zentraler Bedeutung (vgl. 1Kor 15,3–4). Am Kreuz sagte Jesus: „Jetzt ist alles vollendet” (Joh 19,30; GNB).

„Ohne Himmelfahrt keine Erlösung.“
 

Wir sollten jetzt aber nicht meinen, dass das „Jetzt ist alles vollendet“ bedeutet, dass nichts weiter geschehen muss, damit wir gerettet werden. Wäre Christus nicht auferstanden, dann wären wir stattdessen am Ende (vgl. 1Kor 15,14–19). Nein, auch wenn das volle Strafmaß unserer Sünde am Kreuz gezahlt wurde – die hohepriesterliche Arbeit Christi war noch nicht vollendet.

Bis zum heutigen Tag hält diese Arbeit im Himmel noch an, wo Christus in der Gegenwart Gottes für uns eintritt (vgl. Hebr 9,24). Sein Eingang in das Heiligtum hat ziemlich viel mit seinem Opfer zu tun: „[Christus ist] mit seinem eigenen Blut ein für alle Mal in das Heiligtum eingegangen und hat eine ewige Erlösung erlangt“ (Hebr 9,12). Zu beachten ist hier Folgendes: Unsere ewige Erlösung wurde nicht lediglich durch den Kreuzestod Christi gesichert, sondern durch den Eingang Christi in das Heiligtum des Himmels mit seinem eigenen Blut. Kurz gesagt: ohne Himmelfahrt keine Erlösung.

Aus diesem Grund nennt Robert Peterson die Himmelfahrt „den großen Dreh- und Angelpunkt des Heilswerks Christi“. Es zeigt nämlich den Übergang vom irdischen zum himmlischen Dienst Christi. Ohne diesen Dreh- und Angelpunkt würden die Räder unserer Erlösung ins Stocken geraten.

Die Himmelfahrt mindert nicht den Wert des Kreuzes und der Auferstehung in seiner Errungenschaft unserer Erlösung. Sie ist vielmehr eine notwendige Veränderung für die Anwendung derselben. Der Grund, warum Christus uns „vollkommen erretten“ kann, ist nicht nur, weil er auf der Erde für uns gestorben ist, sondern, „weil er für immer lebt, um für [uns] einzutreten“ (Hebr 7,25). Tatsächlich kann man es sogar so verstehen, dass die Himmelfahrt und das Sitzen zur Rechten Gottes ein Beweis dafür ist, dass sein Kreuzestod erfolgreich war.

Jeder Priester steht täglich in seinem Dienst und bringt immer wieder dieselben Opfer, die die Sünden niemals wegnehmen können. Als aber Christus ein für alle Mal ein einziges Opfer für die Sünden dargebracht hatte, setzte er sich zur Rechten Gottes, darauf wartend, dass die Zeit kommen wird, da seine Feinde zum Schemel für seine Füße gemacht werden sollten. Denn durch ein einziges Opfer hat er die, die geheiligt werden sollen, für alle Zeiten vollkommen gemacht (vgl. Hebr 10,11–14; Hebr 1,4).

Daher können wir „festhalten am Bekenntnis“, weil wir nicht lediglich einen König haben, der für uns am Kreuz gestorben ist, sondern auch einen Hohepriester, „der die Himmel durchschritten hat“ (Hebr 4,14).

4. Die Himmelfahrt dient als „Startrampe“ für seine Eroberung und Wiederkunft

Jesus ist nicht ohne weiteren Grund in den Himmel gefahren. Er hat sich vielleicht zur Rechten Gottes gesetzt, aber er ist seitdem nicht tatenlos. Ganz im Gegenteil: Nachdem er der Schlange am D-Day auf Golgatha den Kopf zertrat, hat Christus seine Offensive vom himmlischen Thron aus gestartet.

Es begann zu Pfingsten als er den Heiligen Geist kommen ließ, um die Nationen zu befreien. Nach Jesus eigener Aussage war das einer der Hauptgründe seiner Himmelfahrt: „Es ist gut für euch, dass ich hingehe; denn wenn ich nicht hingehe, so kommt der Beistand nicht zu euch. Wenn ich aber hingegangen bin, will ich ihn zu euch senden“ (Joh 16,7). Menschen jeder Nationen wurden erkauft. Sie müssen nun versammelt werden und das können wir nicht alleine schaffen. Es ist das Wirken des Heiligen Geistes. Ohne den Heiligen Geist konnte der Missionsbefehl nicht ausgeführt werden, aber solange Jesus nicht in den Himmel gefahren war, konnte der Heilige Geist nicht gegeben werden (vgl. Lk 24,49; Joh 7,39). Erst „nachdem er nun zur Rechten Gottes erhöht wurde“, konnte Jesus den Geist ausgießen (Apg 2,33).

Als Person der Dreieinigkeit vermittelt der Heilige Geist die Kraft und Gegenwart des Vaters und auch des Sohnes, sodass Jesus wirklich genau jetzt mitten unter uns sein kann (vgl. Röm 8,9–10; 2Kor 3,17; Gal 4,6). So kann Jesus auch, obwohl er im Himmel ist, sein Versprechen einhalten, dass er bis an das Ende aller Tage bei uns ist, bis die Ernte eingefahren und die Mission erfüllt ist (vgl. Mt 28,20).

Dieses Zeitalter hält nicht für immer und die Mission wird nicht damit vollbracht, dass Jesus sich hinsetzt. Eines Tages wird er wieder aufstehen, und wenn er das tun wird, wird die ganze Welt es mitbekommen. Seine Feinde werden zu seinem Schemel werden, seine Freunde zu seinen Mitregenten und seine Schöpfung wird zum Paradies (vgl. Ps 110,1.5–6; Offb 3,21; Röm 8,21).

Die Himmelfahrt ist nicht die Endstation, sie ist die Startrampe. Vom Himmel „erwarten wir den Herrn Jesus Christus, unseren Erretter, der unseren Leib der Niedrigkeit umgestalten und alles wiederherstellen wird“ (Phil 3,20; vgl. auch Apg 3,21). Eines Tages wird er wieder herabkommen (vgl. 1Thess 4,16). Und wenn dieser Tag kommt, werden wir uns nicht weiter damit abfinden müssen, dass wir daheim im Leib sind und nicht daheim bei dem Herrn.

Bis dahin warten wir.

Unterschätze die Himmelfahrt nicht

Doch lasst uns jetzt bloß nicht tatenlos dasitzen, denn die Arbeit ist noch nicht vollbracht. Statt die Himmelfahrt zu unterschätzen, sollten wir ihr erlauben, ihr perfektes Werk zu vollbringen.

Jesus ist abwesend, lasst uns also ein Verlangen dafür entwickeln, „aufzubrechen und mit Christus zu sein, was auch viel besser wäre“, während wir hier auf der Erde treu unserem Dienst nachgehen (Phil 1,21–26).

Jesus ist der König, lasst uns also anbeten, niederfallen und anerkennen, dass das Universum keine Demokratie ist.

Jesus ist der Hohepriester, lasst uns also mutig vor den Thron der Gnade treten, wissend, dass wir einen Fürsprecher haben, der den Weg kennt und unsere Schmerzen gefühlt hat (vgl. Hebr 4,14–16; 1Joh 2,1).

Und Jesus kommt wieder, lasst uns also der Mission des Heiligen Geistes beitreten und den Namen von Jesus bekannt machen unter den Völkern und Nationen.

Und wenn dir das alles ein wenig zu himmlisch und abgehoben erscheint, ist das auch in Ordnung. Das ist es, was die Himmelfahrt bewirkt (vgl. Kol 3,1–4).