Die ordentlichen Gnadenmittel: zentral für den Gottesdienst

Artikel von David Strain
25. Mai 2023 — 7 Min Lesedauer

Der kürzere Westminster Katechismus definiert prägnant, worum es sich bei den Gnadenmitteln handelt:

„Die äußeren und ordentlichen Mittel, wodurch uns Christus die Erlösung vermittelt, sind seine Anordnungen, im Besonderen das Wort, die Sakramente und das Gebet, all das, was wirksam gemacht ist für die Erwählten zum Heil.“ (Frage 88)

Unter den äußeren und ordentlichen Mitteln, die Christus gebraucht, um sein Volk durch den Heiligen Geist mit dem Evangelium zu segnen, versteht man alle Verordnungen Gottes, aber insbesondere das gelesene und gepredigte Wort, die Sakramente der Taufe und des Abendmahls und die Gebete seines Volkes. Und ich wage zu sagen, dass jeder Evangelikale mit mir dahingehend übereinstimmen würde, dass diese die Kernelemente der christlichen Anbetung sind, von der Schrift geboten und maßgebend für die Gemeindepraxis.

Natürlich kann man sich bei diesem Thema über die Sprachfeinheiten streiten. Manchen ist der Ausdruck „Sakrament“ zuwider. Manch einer trägt die Sorge, Gottes Verordnungen „Gnadenmittel“ zu nennen, könnte die irrige Ansicht verbreiten, die bloße Durchführung dieser äußerlichen Handlungen würde Gnade verleihen (dies beabsichtigt die Bezeichnung in keiner Weise).

Doch unbeachtet dieser Differenzen sind sich alle einig, dass das Wort Gottes, ob gelesen oder gepredigt, gebetet oder gesungen, in der Taufe veranschaulicht oder im Abendmahl geschmeckt, das Fundament des christlichen Gottesdienstes ist. Und seine unterschiedlichen Anwendungen sind uns als Eckpfeiler unserer Jüngerschaft gegeben. So weit, so gut.

Was jedoch bleibt, ist die ewig dringliche Frage, welche Rolle diesen Dingen im Gottesdienst am Sonntag zukommen soll. Gewiss sollten sie regelmäßig praktiziert werden. Aber dürfen wir nicht auch mal etwas anderes machen? Dürfen wir nicht hin und wieder eines der Gnadenmittel gegen etwas Besonderes eintauschen?

Die vielleicht einfachste Antwort auf diese Herausforderungen ist die genauere Betrachtung des Begriffs „ordentliche Gnadenmittel“.

1. Einsetzung ordentlicher Mittel

Die Gnadenmittel „ordentlich“ zu nennen, lehrt uns zweierlei. Zum einen, dass sie eingesetzt sind. Sie sind in dem Sinne „ordentlich“, dass sie uns von Gott in der Heiligen Schrift verordnet wurden. Daher nennt der Katechismus sie „Anordnungen“. Die klassische Bibelstelle hierfür ist Apostelgeschichte 2,42. Dort lesen wir davon, wie die nach-pfingstliche Gemeinde „beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet“ blieb.

„Wenn wir uns die Frage stellen, was Christen tun sollen, wenn sie sich versammeln, hat die Schrift folgende Antwort für uns: Die Bibel lesen, das Evangelium predigen, beten, singen, sowie taufen und das Abendmahl feiern.“
 

Wenn wir uns die Frage stellen, was Christen tun sollen, wenn sie sich am ersten Tag der Woche in den Gemeinden versammeln, hat die Schrift folgende Antwort für uns: Die Bibel lesen, das Evangelium predigen, beten, singen, sowie taufen und das Abendmahl feiern. Das sollen wir tun. Das ist alles. Als Paulus Timotheus schreibt, um ihn in seinem neuen Pastorat in Ephesus zu ermutigen, macht er seinen Wiederholungskurs für den Einstieg in den Gemeindedienst erstaunlich eindeutig. Als moderne Evangelikale neigen wir oft dazu, die Lebendigkeit einer Gemeinde an den drei Bs zu bemessen: Bauwerk, Besucher und Budget. So wissen wir, dass es gut läuft. Paulus aber will Timotheus’ Aufmerksamkeit auf etwas anderes lenken und gibt dem jungen Pastor folgenden Rat:

Daher bezeuge ich dir ernstlich vor dem Angesicht Gottes und des Herrn Jesus Christus, der Lebendige und Tote richten wird, um seiner Erscheinung und seines Reiches willen: Verkündige das Wort, tritt dafür ein, es sei gelegen oder ungelegen; überführe, tadle, ermahne mit aller Langmut und Belehrung! Denn es wird eine Zeit kommen, da werden sie die gesunde Lehre nicht ertragen, sondern sich selbst nach ihren eigenen Lüsten Lehrer beschaffen, weil sie empfindliche Ohren haben; und sie werden ihre Ohren von der Wahrheit abwenden und sich den Legenden zuwenden. Du aber bleibe nüchtern in allen Dingen, erdulde die Widrigkeiten, tue das Werk eines Evangelisten, richte deinen Dienst völlig aus! (2Tim 4,1–5)

Timotheus sieht sich zunehmend dem Druck ausgesetzt, Leuten zu geben, was sie möchten, was ihnen bekömmlich ist, was sie gerne hören. Paulus drängt ihn in die entgegengesetzte Richtung. Er weist Timotheus an, den Leuten beharrlich das zu geben, was sie brauchen. Anders ausgedrückt: Er muss das Wort predigen. Das zentrale Mittel, das Gott gegeben hat, um Verlorene zu sammeln und Gefundene wachsen zu lassen, ist die Verkündigung des Wortes. Das hat vielleicht keinen Glamourfaktor. Es ist wahrscheinlich nicht der letzte Schrei. Aber es ist das, was Gott selbst verordnet hat.

Also, liebe Pastoren, macht einfach genau das. Es mag härter sein (man beachte, dass Timotheus „die Widrigkeiten erdulden“ soll, während er „das Werk eines Evangelisten“ verrichtet!). Es mag Bauwerke, Besucher- und Budgetzahlen langsamer wachsen lassen. Aber es ist der Weg Gottes und daher muss es auch der unsrige sein.

2. Ordentliche, nicht außerordentliche Mittel

Zum anderen muss das Wort „ordentlich“ seinem Gegenteil „außerordentlich“ gegenübergestellt werden. Gewiss gebrauchte Gott regelmäßig außerordentliche Mittel, um seinem Volk Gnade zu schenken. Alle Wundertaten und Offenbarungen waren außerordentlich. Und die Treue zur Schrift verpflichtet uns dazu, daran festzuhalten, dass es Gott freisteht so zu wirken, wie er will.

Doch sicherlich dürfen wir niemals die ordentlichen Mittel vernachlässigen, während wir auf sein außerordentliches Wirken hoffen. Hier wird wieder einmal der Kontext von Apostelgeschichte 2,42 wichtig. Wenn es jemals eine außerordentliche und ungewöhnliche Zeit im Leben der Gemeinde gegeben hat, dann diese. Doch was zeichnet die vom Geist neu bevollmächtigte Gemeinde inmitten einer für uns außergewöhnlichen Zeit der Erweckung aus? Nun, es ist nicht die Fixierung auf das Neue, das Ungewöhnliche, das Innovative und das Außerordentliche. Nein, die Gemeinde widmet sich dem Wort, den Sakramenten und dem Gebet. Es herrscht kein Chaos, sondern Klarheit. Das Wort Gottes wirkt mächtig unter ihnen und bringt Gebet und Lobpreis als Antwort hervor. Es gibt keine Lichtshows und Nebelmaschinen, keine Spielereien und kein Tamtam, keine Persönlichkeiten im Mittelpunkt und keine Leiter, die wie Rockstars gefeiert werden. Das Wort verrichtet die Arbeit.

3. Habe im Blick, dass es Gnadenmittel sind

Zuletzt müssen wir uns daran erinnern, dass unsere Gottesdienste die ordentlichen Gnadenmittel nicht nur deshalb im Zentrum haben sollten, weil sie angeordnet wurden, sondern auch weil sie Gnadenmittel sind. Meiner Einschätzung verstehen wir am besten, wie das Wort, die Sakramente und das Gebet uns Christi rettende Gnade vermitteln, wenn wir genauer betrachten, wie das Wort wirkt. In Hebräer 4,2 heißt es, dass das verkündigte Wort den Israeliten nichts nützte, weil es bei denen, die es hörten, „nicht mit dem Glauben verbunden war“ oder, wie es manche Übersetzungen ausdrücken, weil „sie nicht im Glauben vereint waren mit denen, die es hörten“ (LUT). Beiden Varianten liegt dieselbe Wahrheit zugrunde: Um vom Wort zu profitieren, braucht es Glauben. Der Glaube ergreift die im Wort angebotene Gnade.

„Es gibt keine Lichtshows und Nebelmaschinen, keine Spielereien und kein Tamtam, keine Persönlichkeiten im Mittelpunkt und keine Leiter, die wie Rockstars gefeiert werden. Das Wort verrichtet die Arbeit.“
 

Die Sakramente sind „sichtbare Worte“, wie Calvin sagte und damit Augustinus wiedergab. Sie wirken auf die gleiche Weise. Wir empfangen sie, glauben das von ihnen dargestellte Evangelium – und im Glauben empfangen wir die Gnade, die sie anbieten. Ebenso ergreift das Gebet Gottes Verheißungen und bringt „unser Begehren an Gott [dar], für Dinge, die seinem Willen entsprechen“ (der kürzere Westminster Katechismus, Frage 98). Das Gebet ist das Vortragen der Versprechen des Wortes vor Gott. Das Wort aber ist die Grundlage.

Und wenn wir diese Basis all unserem Tun zugrunde legen, gehen wir dem Segen und der Gnade Gottes in Jesus Christus entgegen. Warum sollten wir uns also anderweitig umschauen, wenn wir wissen, dass Gott uns versprochen hat, uns dort zu begegnen: im Wort, in den Sakramenten, im Gebet?

Lasst uns also in unseren Versammlungen keinen Schindluder mit selbst erdachten Techniken treiben. Lasst uns im Glauben das Wort lesen, es verkündigen, es singen, es sehen und schmecken. Und dabei wird die im Wort versprochene Gnade zur Ehre Gottes sicher uns gehören.