Fache die Gabe Gottes in dir an!

Artikel von Matthias Lohmann
28. Mai 2023 — 11 Min Lesedauer

Als Christen haben wir den Auftrag, den Glauben mutig zu bezeugen und – wenn nötig – bereit zu sein, für Christus zu leiden. Dem würden die meisten Christen in der Theorie sicher zustimmen, aber in der Realität haben wir oft den Eindruck, dass wir nicht die Kraft haben, um Christus mutig zu bezeugen und dafür gegebenenfalls auch noch willig zu leiden. Wir wissen zwar um die scharfe Waffe, die der Herr uns in seinem Wort gegeben hat. Wir wissen, dass das gottgehauchte Wort schärfer ist als ein zweischneidiges Schwert und Menschen zum Glauben bringen und sie zu jedem guten Werk zurüsten kann. Wir fühlen uns jedoch oft zu schwach, um diese Waffe überhaupt zu ergreifen und den guten Kampf des Glaubens zu kämpfen.

In seinem zweiten Brief an Timotheus erklärt der Apostel Paulus, was uns dazu befähigen kann, diesen guten Kampf zu kämpfen. Was an Pfingsten geschah, ist dabei grundlegend dafür, dass wir alle tatsächlich das tun können, wozu uns der Herr ruft. Die Botschaft von 2. Timotheus 1,6–8 lässt sich wie folgt zusammenfassen: „Fache die Gabe Gottes in dir an, so wird die Kraft Gottes dich befähigen, mutig Zeugnis zu geben und willig zu leiden.“

Diese Kernaussage und drei praktische Anwendungen möchte ich im Folgenden entfalten.

Nicht um erlöst zu werden, sondern weil wir erlöst wurden

Nach einem recht typischen Briefanfang in den ersten zwei Versen sieht Paulus in den Versen 3–5 zurück auf das, was er mit Timotheus erlebt hat: Er dankt Gott für ihn und erinnert sich voller Freude und Dankbarkeit: „Dabei halte ich die Erinnerung an deinen ungeheuchelten Glauben fest, der zuvor in deiner Großmutter Lois und deiner Mutter Eunike gewohnt hat, ich bin aber überzeugt, auch in dir“ (Vers 5).

Paulus ist sicher, dass Timotheus wirklich gläubig ist. Er ist gerettet. Er hat das ewige Leben. Er gehört zu Gott. Wozu Paulus Timotheus dann in den Versen 6–8 aufruft, soll er nicht tun, um dadurch erlöst zu werden, sondern weil Gott ihm den Glauben geschenkt und ihn so bereits erlöst hat.

So fährt er in Vers 6 fort: „Aus diesem Grund erinnere ich dich daran, die Gnadengabe Gottes wieder anzufachen, die durch Auflegung meiner Hände in dir ist.“ Weil der Glaube in Timotheus wohnt, kann und soll er nun die Gabe Gottes erwecken oder anfachen, wie man ein Feuer anfacht, damit es richtig brennt.

Es ist nicht ganz klar, was mit dieser Gabe Gottes genau gemeint ist. Wahrscheinlich handelt es sich dabei einfach um den (Heiligen) Geist, der in Vers 7 erwähnt wird und der gelegentlich mit einem Feuer verglichen wird, das man anfachen kann. So lesen wir zum Beispiel, dass der Heilige Geist am Pfingsttag in Form von Feuerzungen auf die Gläubigen kam. Über diesen Geist, den alle Christen empfangen haben, heißt es dann in Vers 7: „Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit“ (LU17).

Furcht und Mutlosigkeit als Hindernis

In den Timotheusbriefen klingt mehrfach durch, dass Timotheus wohl etwas furchtsam war. Er war begabt, aber ihm fehlten immer wieder einmal der Mut und die Kraft, das Evangelium zu verkündigen, vorrangig dann, wenn es auf Widerstand stieß. Der Widerstand war immens. Sein Mentor und väterlicher Freund Paulus war von den Feinden des Evangeliums ins Gefängnis gesteckt worden. Auch Timotheus selbst war umgeben von Menschen, die das Evangelium verdrehten und sich letztlich nicht darum kümmerten, was Gott ihnen durch sein Wort zu sagen hatte. Wir können gut nachvollziehen, warum Timotheus den Mut verlor.

„Furcht und Mutlosigkeit sind die größten Hinderungsgründe dafür, warum Christen nur selten das Evangelium weitersagen, das die Menschen doch so dringend hören müssen.“
 

Ist das nicht der Grund, warum auch wir so oft schweigen, wenn wir eigentlich die Möglichkeit hätten, anderen das Evangelium weiterzusagen? Furcht und Mutlosigkeit sind die größten Hinderungsgründe dafür, warum Christen nur selten das Evangelium weitersagen, das die Menschen doch so dringend hören müssen. So wie einst Timotheus, müssen auch wir die Furcht immer wieder besiegen. Dazu müssen wir gestärkt werden. Wir benötigen dringend die Kraft aus der Höhe, als die Jesus den Heiligen Geist einst bezeichnete. Wir brauchen ein extra Maß an Liebe. Gott ist die Liebe, und er hat seine Liebe durch den Heiligen Geist in unsere Herzen ausgegossen, wie es im Römerbrief heißt. Diese Liebe motiviert uns zum Gehorsam gegenüber Gott. Diese Liebe wird uns auch nicht schweigen lassen gegenüber denen, die den Herrn Jesus Christus noch nicht kennen. Dabei hilft uns auch Besonnenheit. Viel zu oft schweigen Christen, weil sie nicht wirklich bedenken, was denen droht, die das Evangelium nicht hören und glauben. Dann leben Christen einfach so in den Tag hinein und kümmern sich um alles Mögliche, aber eben nicht um das, wozu der Herr sie berufen hat, nämlich seine Zeugen und Botschafter an Christi Statt zu sein.

Die Gabe in uns entfachen

Wenn wir die Gabe Gottes wieder stärker anfachen, sodass der Geist Gottes in uns wieder mehr Kraft entfaltet, dann werden wir fähig sein, das zu tun, wozu Paulus Timotheus im Fortgang aufruft: „So schäme dich nun nicht des Zeugnisses von unserem Herrn, auch nicht meinetwegen, der ich sein Gefangener bin; sondern leide mit uns für das Evangelium in der Kraft Gottes“ (Vers 8).

Auch wir sollten uns des Zeugnisses von unserem Herrn nicht schämen. Auch wir sollten bereit sein, wenn nötig für das Evangelium zu leiden. Dazu müssen wir das in uns wohnende Feuer immer wieder anfachen. So wie bei jedem Feuer hat auch dieses Feuer die Tendenz, im Laufe der Zeit zu erlöschen. Irgendwann ist dann nur noch ein bisschen Glut übrig. Wenn wir also merken, dass wir nicht mehr wirklich für Jesus brennen und auch unser Herz für die Verlorenen neu entfacht werden muss, dann müssen auch wir den Aufruf hören: Entfache die Gabe Gottes in dir!

Paulus sagt uns hier nicht, wie wir das konkret tun, doch im weiteren Kontext des Briefes und darüber hinaus können wir auch dazu einiges lernen. Konkret möchte ich uns drei Dinge mitgeben, die uns dabei helfen können, dass der Heilige Geist in uns wieder mehr Kraft entfaltet.

Beten

Das Erste, was wir tun sollten, um die Gabe Gottes in uns anzufachen, ist beten. Der Heilige Geist, der in uns wohnt, ist kein „Etwas“, sondern eine Person. Der Heilige Geist ist Gottes Gegenwart in uns. Insofern sollten wir Gott bitten, durch seinen Geist mehr Raum in uns einzunehmen. Wir dürfen konkret darum bitten, dass Gott uns hilft, furchtloser zu sein. Wir dürfen ihn bitten, uns mehr zu erfüllen mit seiner Kraft, die in den Schwachen mächtig werden kann. Wir sollten ihn bitten, dass seine Liebe immer mehr in unseren Herzen wohnt. Und wir dürfen ihn bitten, uns Besonnenheit zu schenken – gerade auch dann, wenn um uns herum Chaos herrscht und wir in der Gefahr stehen, aus dem Blick zu verlieren, was wirklich wichtig ist.

„Wir fachen die Gabe Gottes in uns an, indem wir sie benutzen.“
 

Der Missionar Jim Elliot betete einst: „Gott, ich bitte dich, entzünde diesen nutzlosen Reisig meines Lebens, damit ich für dich brenne. Verzehre mein Leben, mein Gott, denn es gehört dir.“[1] Mit diesem Gebet fachte Jim Elliot die Gabe Gottes an, die in ihm war. Seine Furcht wich, und er gewann an Kraft und noch größerer Liebe für die bis dahin vom Evangelium völlig unerreichten Huaorani-Indianer. Das machte ihn bereit dazu, sein Leben um des Zeugnisses seines Herrn willen zu verlieren. Dabei wusste er: „Der ist kein Tor, der hingibt, was er nicht behalten kann, auf dass er gewinne, was er nicht verlieren kann“, wie er in einem anderen Tagebuch-Eintrag schrieb.

Lasst uns beten, dass Gott durch seinen Geist immer mehr Raum in uns einnimmt. Durch Beten fachen wir die Gabe Gottes in uns an.

Besinnen

Ferner sollten wir uns auf das besinnen, was uns der Herr offenbart hat. Auch so fachen wir die Gabe Gottes in uns an. Immer wieder erinnert Paulus seinen jungen Mitarbeiter an biblische Wahrheiten. Er benötigt das Wort Gottes, das ihn zurüsten kann zu jedem guten Werk. Manchmal höre ich Menschen über den Heiligen Geist so reden, als wäre er eine Alternative zum Wort Gottes: „Eure Gemeinde ist sehr Wort-basiert … wir geben dem Heiligen Geist mehr Raum.“ Doch das ist falsch. Wir geben dem Heiligen Geist gerade dann viel Raum, wenn wir auf das Wort Gottes achtgeben. Der Heilige Geist ist der Geist der Wahrheit. Er hilft uns, das Wort Gottes zu verstehen. Der Heilige Geist wird auch als Tröster bezeichnet. Er tröstet jedoch nicht irgendwie magisch, sondern eben durch den Zuspruch, den wir im Wort Gottes finden. Im Übrigen sagte der Herr Jesus seinen Jüngern, dass der Heilige Geist uns lehren wird. Wiederum tut er das eben genau dadurch, dass er uns das Wort Gottes aufschließt, das nütze zur Lehre ist, aber ohne den Geist Gottes nicht wirklich verstanden werden kann.

Timotheus war umringt von Menschen, die Falsches lehrten und die falsch lebten. Paulus rief ihn dazu auf, sich von solchen Menschen fernzuhalten. Wer sich mit den Dingen dieser Welt umgibt, wird nicht die Furcht überwinden und von der Kraft, Liebe und Besonnenheit Gottes erfüllt sein. Ganz im Gegenteil. Der Geist wird gedämpft. Die Dinge der Welt rauben dem Feuer den Sauerstoff, den es braucht, um hell zu brennen. Aber wenn wir uns auf das Wort Gottes und vor allem auf das biblische Evangelium besinnen, dann erleben wir, wie die Gabe Gottes in uns angefacht wird, sodass wir furchtlos, gestärkt, von Gottes Liebe und Besonnenheit erfüllt werden.

Benutzen

Schließlich fachen wir die Gabe Gottes in uns an, indem wir sie benutzen. Viele begabte Menschen erreichen nichts, weil sie ihre Gaben vernachlässigen. Ich kann etwa tagelang darüber reden, dass ich ein begabter Tennisspieler bin. Wenn ich nicht trainiere, ist diese Begabung wenig wert und ich werde nichts erreichen. Gaben müssen benutzt werden. Das gilt umso mehr für die Gabe Gottes in uns. Der begabteste Evangelist, der sich nie die Zeit nimmt, um Menschen das Evangelium weiterzusagen, wird nichts erreichen. Wenn er diese Gabe aber ausübt, dann wird er erleben, dass er immer furchtloser evangelisieren wird. Er wird immer mehr wachsen in seiner Liebe für die Menschen und besonnener werden und sich weniger von anderen Dingen ablenken lassen. So gewinnt der Geist Gottes Raum, der kein „Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit“ ist (2Tim 1,7 LU17).

Der Apostel Paulus hatte sein Leben in den Dienst des Evangeliums gestellt. Erfüllt vom Heiligen Geist predigte er furchtlos das Evangelium. Die Kraft Gottes war in ihm mächtig. Er war voller Liebe zu Gott und für die Verlorenen. Auch war er besonnen und verlor in der Hitze des Gefechts nicht den Kopf, sondern wusste darum, dass er auf Gottes Beistand vertrauen konnte. Nun saß er im Gefängnis. Sein Leben neigte sich dem Ende zu. So gibt er den Staffelstab an Timotheus weiter. Bevor er ihm sagt, was er tun und wovor er sich in Acht nehmen soll, erinnert er Timotheus daran, dass er die Kraft für seine Berufung schon in sich trägt. Der Geist Gottes ist die gute Gabe Gottes, die in allen Gläubigen lebt. Diese Gabe gilt es anzufachen – immer und immer wieder!

Auch wir haben heute noch eine Berufung hier auf der Erde! Doch oftmals gehen wir ihr nicht nach, weil wir furchtsam sind und uns Kraft, Liebe und Besonnenheit fehlen, um das zu tun, wozu der Herr uns gerettet und berufen hat. Deshalb fache die Gabe Gottes an, die in dir ist. Bete, besinne dich auf Gott, indem du sein heiliges Wort liest, und benutze deine Gabe, sodass sie sich immer weiter entfalten kann.


1Valerie Elliot Shepard, Dir hingegeben: Jim und Elisabeth Elliot: Eine Liebe im Angesicht Gottes, Holzgerlingen: SCM Hänssler, 2021.