Streben nach Einheit

Artikel von Harry Fujiwara
26. Juli 2023 — 6 Min Lesedauer

Fragt man einen Pastor, was er sich für seine Gemeinde wünscht, wird Einheit weit oben auf seiner Liste zu finden sein. „Siehe, wie fein und wie lieblich ist’s, wenn Brüder in Eintracht beisammen sind!“ (Ps 133,1). Fein ist es wahrlich und unsere Gemeinden werden lieblicher, wenn sie von Einheit geprägt sind.

Deshalb sollen treue Gemeindeglieder nach Einheit streben. Die Bibel hält uns dazu an, „eifrig [bemüht zu sein], die Einheit des Geistes zu bewahren durch das Band des Friedens“ (Eph 4,3).

Ironischerweise aber führt das Streben nach biblischer Einheit oft zu übermäßiger Selbstzentriertheit, denn der Aufruf zur Einheit mag uns dazu verleiten, nur darauf zu schauen, wie es um die eigenen Beziehungen mit unseren Mitchristen steht. „Habe ich irgendwelche schwelenden Konflikte, die behoben werden müssen?“ „Komme ich denen mit abweichenden Meinungen zu zweit- und drittrangigen Angelegenheiten mit Gnade und Großzügigkeit entgegen?“ „Ordne ich mich freudig der Gemeindeleitung unter?“ All das sind wichtige Fragen, die wir uns stellen sollten, damit wir, sofern es an uns liegt, mit jedermann in Frieden leben können. Doch der biblische Ruf zur Einheit geht tiefer und weiter. Die Bibel legt uns die Messlatte höher, als schlichtweg nicht im Konflikt mit anderen in der Gemeinde zu stehen.

„Die Bibel legt uns die Messlatte höher, als schlichtweg nicht im Konflikt mit anderen in der Gemeinde zu stehen.“
 

Daher möchte ich vier praktische Vorschläge liefern, die uns dabei helfen können, Einheit in der Ortsgemeinde zu fördern. Zuvor möchte ich aber noch eine Warnung aussprechen: Im Folgenden findet sich keine einfache Liste zum Abhaken. Einiges bedarf vieler Arbeit, anderes mag zu unangenehmen Gesprächen führen und alles wird es dir abnötigen, deine Komfortzone zu verlassen. Darum heißt es, dass wir uns „eifrig“ um Einheit „bemühen“ sollen. Wäre es einfach und würde von selbst kommen, müssten wir uns nicht „eifrig bemühen“. Niemand muss sich „eifrig bemühen“, mehr Kartoffelchips zu essen. Nur bei Grünkohl oder Ähnlichem kostet uns das Herunterwürgen eifrige Mühe.

1. Sei ein Friedensstifter

Ein Friedensstifter zu sein bedeutet mehr, als nur ein Auge darauf zu haben, dass die eigenen Beziehungen alle wohlgeordnet sind. Es ruft dich auch dazu auf, die Versöhnung zwischen zerstrittenen Gliedern deiner Gemeinde anzustoßen und voranzutreiben.

Mit einem die Einheit gefährdenden Konflikt in der Gemeinde zu Philippi konfrontiert, schreibt Paulus direkt an die Involvierten: „Ich ermahne Euodia und ich ermahne Syntyche, eines Sinnes zu sein im Herrn“ (Phil 4,2). Beachtenswert ist, dass er dort noch nicht zum Ende kommt. Er bittet auch um die Hilfe der Mitgeschwister: „Und ich bitte auch dich, mein treuer Mitknecht, nimm dich ihrer an, die mit mir gekämpft haben für das Evangelium, samt Clemens und meinen übrigen Mitarbeitern, deren Namen im Buch des Lebens sind“ (Phil 4,3).

Stell dir vor, du weißt, dass es zwischen zwei Geschwistern in deiner Gemeinde einen Konflikt gibt. Du könntest dich zurücklehnen und nichts tun – das wäre zweifelsohne der leichtere Weg. Doch du bist dazu aufgerufen, dich „eifrig“ um Einheit zu „bemühen“. Wie genau dies aussehen mag, kommt auf den Einzelfall an. Manchmal wirst du vielleicht ein Aussöhnungsgespräch einberufen, manchmal eine der Konfliktparteien biblisch dazu ermutigen, den Konflikt selbst zu bereinigen. Dafür braucht es Weisheit. Doch in jedem Fall braucht das Streben nach Einheit proaktive Friedensstifter. Wie Jesus sagt, gesegnet sind die Friedensstifter.

2. Sei ein Bindeglied

Wir sind von unserer sündigen Natur aus cliquenhaft und ausgrenzend. Uns selbst überlassen sind wir auf Kosten weitläufigerer Beziehungen bestimmten Menschen eher zugeneigt. Doch diese Tendenzen können das Schaffen von Einheit deutlich erschweren.

Im Grunde genommen müssen wir sichergehen, dass wir uns nicht nur einem bestimmten Freundeskreis widmen. Echtes Streben nach Einheit beinhaltet auch, als Bindeglied zwischen Menschen zu fungieren.

Hierzu eine Umsetzungsidee: Wenn du das nächste Mal zum Essen in größerer Runde zu dir nach Hause einlädst, lade auch zwei Personen ein, deren sozialer Zirkel in deiner Gemeinde ein völlig anderer ist. Lass dein Zuhause zu einem Ort werden, an dem sich Geschwister, die sonst kaum zueinander gefunden hätten, kennenlernen und anfreunden können.

3. Lache mit den Lachenden, weine mit den Weinenden

Paulus zeigt auf, dass die Gemeinde „gleichwie der Leib einer ist und doch viele Glieder hat“ (1Kor 12,20). Einen wichtigen Schluss, den er aus diesem Vergleich zieht, ist folgender: „[W]enn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit; und wenn ein Glied geehrt wird, so freuen sich alle Glieder mit“ (1Kor 12,26).

„All das setzt voraus, dass wir einander gut genug kennen, um zu wissen, wer gerade weint und wer sich freut.“
 

In der Praxis bedeutet dies: Wer nach Einheit strebt, soll sich mit den Freuenden freuen und mit den Weinenden weinen (vgl. Röm 12,15), sprich Babyparties und Beerdigungen besuchen, Glückwunsch- und Kondolenzkarten aufsetzen. All das setzt voraus, dass wir einander gut genug kennen, um zu wissen, wer gerade weint und wer sich freut. Auch das bedarf bewusster Mühe. Den eigenen Gemeindegliedern in ihren Höhen und Tiefen zur Seite zu stehen, erwirkt viel auf dem Weg zur echten und andauernden Einheit.

4. Behalte das Evangelium im Mittelpunkt

Beim Streben nach Einheit in deiner Gemeinde verrichtet das Evangelium die wichtigste Arbeit.

Durch das Evangelium ist jedes Mitglied deiner Gemeinde mit Christus vereint worden. Daher sind alle Mitglieder auch untereinander vereint worden. Man beachte, wie Paulus dies den Gläubigen in Philippi vor Augen führt – denen, die sich wirklich jede Mühe für die Einheit vor Ort zu geben hatten – ihnen allen sind die Namen ins Buch des Lebens geschrieben (vgl. Phil 4,3). In Anbetracht der Tatsache, dass wir alle die Ewigkeit damit zubringen werden, zusammen als Mitbürger des Himmels unseren gemeinsamen Erlöser anzubeten, lohnt es sich, für die Einheit im Hier und Jetzt zu kämpfen.

Wir dürfen die Kraft des Evangeliums nicht vergessen. Denn nur durch seine Kraft kann eine so kunterbunt zusammengewürfelte Gemeinde wie die deine oder meine um ein gemeinschaftliches Interesse herum zusammengebracht werden und wahre Liebe und Einheit verkörpern. Tatsächlich sind es diese Liebe und Einheit, die dem evangelistischen Dienst der Gemeinde die Kraft geben, „in einem Geist [zu stehen] und einmütig … für den Glauben des Evangeliums [zu kämpfen]“ (Phil 1,27).

Deshalb, Brüder und Schwestern, geht hin und gebt euch eifrig Mühe, nach Einheit zu streben. Ich weiß, dass es schwierig ist. Aber es ist gut für euch. So wie mehr Grünkohl zu essen.