Kinder im Gottesdienst

Artikel von Julia Bär
31. Juli 2023 — 8 Min Lesedauer
Dieser Artikel ist, zusammen mit den beiden Artikeln „Mehr als Unterhaltung“ und „Eltern, delegiert die geistliche Erziehung nicht“, Teil einer kurzen Reihe zum Thema Kindergottesdienst.

„Was hatten denn deine Kinder für Zettel während des Gottesdienstes und warum gingen sie nicht in die Kinderstunde?“, fragte mich eine Frau nach dem Gottesdienst. Zu jener Zeit traf sich unsere Gemeindegründung nur einmal im Monat, sodass wir dazwischen auch andere Gottesdienste besuchten. Auch wenn heute Gäste in unsere Gemeinde kommen, werden immer wieder Fragen zu unserem Tisch am Eingang mit Materialien für Kinder gestellt.

„Wir merkten, wie die Kombination aus Gottesdienst und Familienandacht unseren Kindern und uns viel Segen brachte.“
 

Wie wir Kinder langfristig in die Gemeinde einbinden können, ist eine dringende Frage. Familien und Gemeinden stehen dabei immer wieder vor verschiedenen Herausforderungen, müssen diverse Ansätze bewerten und mit den Rahmenbedingungen vor Ort umgehen – etwa dem Mitarbeiter-, Kinder- oder Platzmangel. In diesem Artikel möchte ich Einblick in unsere Praxis geben und zuvor schildern, wie sich mein Denken über den Kinderdienst über die Jahre verändert hat.

Mein persönlicher Erfahrungsweg

Ich komme nicht aus einer Gemeinde, in der Kinder beim Gottesdienst dabei waren. Als Kind wuchs ich in einem christlichen Elternhaus auf und besuchte stets die Kinderstunde. Viel später, im Jahr 2010, war mein Mann dann Praktikant in einer großen Gemeinde mit hervorragenden Kinderstunden. In ihnen stand die Bibel im Mittelpunkt, und sie waren durchdrungen vom Evangelium. Zugleich waren sie kindgerecht, und die Kleinen hatten Spaß und Freude dabei. Dennoch gab es in der Gemeinde auch Kinder, die im Gottesdienst bei ihren Eltern sitzen blieben. Das erstaunte mich zunächst und forderte mich heraus, das Konzept des Kinderprogramms während des Gottesdienstes als einzige Möglichkeit zu überdenken.

Bei unserer Gemeindegründung 2013 leitete ich dann für fast 7 Jahre den Kinderbereich und ermutigte die Kinder in der Gemeinde, die Kinderstunde zu besuchen und so von unserem tollen Lehrplan zu profitieren. Als alle Kinder dann 2020/2021 nur im Hauptgottesdienst dabei sein konnten, waren meine Kinder 9, 6 und 3 Jahre alt. Wir waren fest entschlossen, das Beste aus diesen „Umständen“ zu machen. Gerade meinem sechsjährigen, aktiven Sohn fiel es am Anfang schwer. Um ihm zu helfen, schrieb ich ihm die Hauptpunkte der Predigt vor, und er pauste nach.

Eine Situation bleibt mir aus dieser Zeit in besonderer Erinnerung. Mein Sohn liebte zu dem Zeitpunkt die Wörtersuche passend zum Text. Die Predigtreihe ging durch die Offenbarung, und als der Prediger etwas zum Antichrist erwähnte, hatte er das Wort gerade gefunden und rief (zur Erheiterung aller Anwesenden) laut: „Antichrist!“ Das bestärkte mich darin, dass die Kinder vielleicht mehr zuhörten, als wir dachten.

In dieser herausfordernden Zeit wurden wir auch immer mehr ermutigt, selbst regelmäßige Familienandachten zu machen. Wir merkten, wie die Kombination aus Gottesdienst und Familienandacht unseren Kindern und uns viel Segen brachte. Die Kinder liebten die Lieder aus dem Gottesdienst, und wir lasen den Predigttext im Voraus. So begannen die Kinder, den Predigten mehr zu folgen und sich Dinge zu merken.

Es fängt bei den Eltern an

1. Unsere elterliche Verantwortung

Wir lesen in 5. Mose 6,4–7:

„Höre Israel, der HERR ist unser Gott, der HERR allein! Und du sollst den HERRN, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deiner ganzen Kraft. Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollst du auf dem Herzen tragen, und du sollst sie deinen Kindern einschärfen und davon reden, wenn du in deinem Haus sitzt oder auf dem Weg gehst, wenn du dich niederlegst und wenn du aufstehst.“

Das ist zuvorderst ein Gebot an uns Eltern. Wir sollen verstehen, wer Gott ist, und unser Leben darauf ausrichten. Es ist unsere Verantwortung, dies an unsere Kinder weiterzugeben.

2. Eltern und Kinder sind gemeinsam willkommen

Im Neuen Testament lesen wir, wie Jesus sprach: „Lasst die Kinder und wehrt ihnen nicht, zu mir zu kommen; denn solcher ist das Reich der Himmel!“ (Mt 19,14). Kinder sind also in Gottes Reich – in Gottes Gemeinde – willkommen. Wie verhielt sich Jesus mit den Kindern? Wir sehen, dass sie meistens in der großen Menge dabei waren. Sie waren da, als Jesus zu den Erwachsenen sprach und diese sich zu Jesus ausstreckten. Es gab keine Altersbegrenzung. Ein Junge hatte bei der Speisung der 5.000 Jesu Lehre und Autorität durch sein Predigen so verstanden, dass er es anwandte und Jesus die Fische und das Brot brachte. Was, wenn er nicht dabei gewesen wäre?

Wir sind aber in unserer elterlichen Verantwortung nicht allein und brauchen die Gemeinde, wo wir einander ermutigen und helfen können. Als junge Familie wurden wir beispielsweise auch immer wieder von anderen Eltern oder Ältesten in der Gemeinde eingeladen und konnten so lernen, wie Familienandachten ganz praktisch aussehen können.

3. Eltern als Vorbilder, auch im Gottesdienst

Gottes Wort und das Zusammenkommen der Gemeinde hat Priorität im Leben eines jeden Christen. Das können wir nach 5. Mose auch unseren Kindern vorleben. Viele Eltern wünschen sich, auch am Sonntag gemeinsam mit ihren Kindern Gott zu loben und sein Wort zu hören. Doch es kommen dann manchmal auch Zweifel auf, ob es zu langweilig, zu kompliziert oder zu ernst für sie ist. Als Eltern können wir unsere Kinder jedoch an die Hand nehmen und ihnen gute Gewohnheiten und Werkzeuge geben. Wir lassen sie nicht mit der Predigt allein. Sie sehen, was wir notieren, wir geben ihnen Tipps zu ihren Notizen und erklären zwischendurch immer wieder schwierige Inhalte. Somit ist es ein gemeinsames Zuhören. Das fordert natürlich von Eltern mehr Energie und ist auch nicht immer einfach, aber es lohnt sich langfristig.

Römer 10,13–14 zeigt uns dabei auf, wie wichtig das Hören von Gottes Wort durch die Verkündigung für die Rettung jedes Einzelnen und auch unserer Kinder ist. Wir können dazu beitragen, indem wir für die Herzen unserer Kinder beten und ihnen viele Gelegenheiten geben, Gottes Wort und die Gute Nachricht zu hören. Das kann daheim als Familie geschehen, aber auch während oder vor dem Gottesdienst. Ich biete etwa gerade eine Bibelklasse für unsere 6- bis 13-Jährigen vor dem Gottesdienst an. Das Interesse der Kinder und ihre Gedanken und Fragen fordern mich dabei immer wieder neu heraus, und ich lerne Gottes Größe durch ihre kindlichen Augen zu sehen.

Ganz praktische Beispiele

Wie kann man Kinder in den Gottesdienst einbinden? Wie kann man sie dabei unterstützen, das Gehörte zu verstehen und zu verarbeiten?

Man kann zum Beispiel anfangen, seine Kinder einmal im Monat bei sich im Gottesdienst zu behalten. Im Gottesdienst selbst erwarte ich beispielsweise von meinen Kindern „nur“, dass sie ihre Aufmerksamkeit auf Gott richten und die Hauptpunkte der Predigt aufschreiben, um sie danach zu besprechen. Das ist ein Lernprozess, der auf und ab schwankt, aber meiner Erfahrung nach zieht die Kurve eindeutig nach oben. Toll ist es natürlich auch, wenn der Prediger sogar Anwendungen für Kinder einbaut, die uns alle zum Nachdenken bringen.

„Immer wieder bin ich persönlich sehr ermutigt, wie viel meine Kinder mitschreiben und mitnehmen.“
 

Als Gemeinde bieten wir verschiedene Materialien für die Kinder im Gottesdienst an: Meine Töchter lieben es, die passenden Malseiten auszumalen und die Predigtnotizseiten für jüngere oder ältere Kinder auszufüllen. Mein Sohn bevorzugt eher die Wörtersuche, oder er schreibt auf einem Zettel mit. Auch selbst gestaltete Arbeitsblätter mit Aktivitäten zu den Bibelversen, besonderen Begriffen und Erklärungen können hilfreich sein. Die Große hat außerdem neuerdings ein Notizbuch, auf dem links der Bibeltext abgedruckt ist und wo sie rechts Notizen dazu machen kann.

Immer wieder bin ich persönlich sehr ermutigt, wie viel meine Kinder mitschreiben und mitnehmen. Ich bete dafür, dass Gottes Wort durch die Predigten auf von Gott fruchtbar gemachten Boden fällt und Früchte trägt.

Willkommen und dabei

Die Frage, ob sich Kinder trotzdem willkommen fühlen, wenn sie keine sonntägliche Kinderstunde haben, wird bei diesem Thema häufig gestellt. Hier sind alle Generationen der Gemeinde herausgefordert. Kinder willkommen zu heißen heißt auch, sich nicht bei jedem Geräusch gestört zu fühlen. Wir können Eltern ermutigen, die sich gerade in einer anstrengenden Phase befinden, oder ein älteres Kind einladen, neben uns zu sitzen. Weiter möchten wir die Kinder nach dem Gottesdienst wahrnehmen, Interesse zeigen, mit ihnen über die Predigt und den Gottesdienst sprechen und Gemeinschaft pflegen. Nach unserem Gottesdienst spielen die Kinder dann alle gemeinsam, und wir als Eltern unterstützen das.

Eine Ermutigung

Die Worte von William Boekestein können uns bei diesem Unterfangen ermutigen: „Kinder im Gottesdienst zu integrieren, ist nicht einfach, aber richtig. Und wie immer in solchen Fällen winkt eine reiche Ernte.“

Es ist machbar und mit Segen erfüllt, Kinder liebevoll im Gottesdienst willkommen zu heißen. Es ist ein Ziel, wonach es sich zu streben lohnt. Doch lasst uns nicht vergessen: Das Wichtigste ist, dass wir als Eltern selbst Gott treu nachfolgen, unseren Kindern die Liebe zum Wort Gottes vorleben und für ihre Herzen beten.